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Klangtest & Vergleiche: Meze 99 Neo

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  1. 2 Klangtest & Vergleiche: Meze 99 Neo

Meze Neo von untenNun, weder noch. Denn zum einen wartet der Meze 99 Neo abermals mit dem vom Classics bekannten Meze-Haussound auf, klingt also voll und rund mit druckvollem Bass, klangfarbenstarken und musikalisch fließenden Mitten und härtefreiem Hochton, setzt allerdings innerhalb dieses Parameter deutlich andere Akzente als der Classics.

Nehmen wir naheliegenderweise zunächst den Frequenzgang. Hier legt der Meze 99 Neo im Oberbass eine großzügige Schippe drauf und überrascht mit einer, sagen wir, atavistisch-britischen Abstimmung in der Tradition von Spendor, Rodgers und Konsorten, deren Entwickler regelmäßig ein erdiges Gesamtklangbild bevorzugten. Die renommierten Reminiszenzen verraten, dass eine solche Gesamtabstimmung durchaus angenehme Vorzüge aufweisen kann. Und solange ich den Meze 99 Neo mit Pop, Elektro oder Rockmusik füttere, geht das Kalkül auch auf. Für Klassik und Jazz indes würde ich weiterhin den frequenztechnisch überlappungsfreien Classics vorziehen, zumal dieser auch die Höhen etwas harmonischer, will heißen: ebenmäßiger angebunden präsentiert. Der 99 Neo hingegen gönnt dem Klangbild unterhalb eines Roll-Offs ab den mittleren Höhen – das beiderlei Hörer auszeichnet – noch einmal eine kleine Auffrischung in Form eines „Glamour-Peaks“ im Präsenzbereich. Doch keine Sorge: Im Vergleich zu manchen Hochton-Keulen, die – freilich etwas weiter oben im Frequenzband ansetzend – in die Kopfhörergeschichte eingegangen sind, handelt es sich bei der rumänischen Klangauffrischungskur eher um homöopathische Korrekturen. Eine Spur alerter, direkter, sportlicher in den oberen Mitten und wuchtiger, druckvoller im Tiefton als der Classics, zählt der 99 Neo dennoch weiterhin zu den tendenziell wärmeren, geschmeidigeren Hörern, die sich aufgrund ihres überdurchschnittlichen Auflösungsvermögens den Luxus einer sympathisch-knuffigen Hochton-Dimmung leisten können, ohne muffig oder verhangen zu klingen.

Meze Neo seitlichJa, was der Meze 99 Neo an instrumentaler Textur und aufnahme- sowie spieltechnischen Details herauszieht, ist zum Kampfpreis von 249 Euro schon eine ziemliche Ansage. Zumal sich die Auflösungskompetenz des Meze 99 Neo nicht wie bei mir bekannten, vergleichbar detailverliebten Konkurrenten auf eine im Pegel gepushte Zone zwischen oberen Mitten und mittleren Höhen beschränkt. Nein, der 99 Neo gibt sich keineswegs damit zufrieden, audiophile Schlüsselreize wie Hi-Hat-Geschnatter oder Besengewische mit aller Akribie aufzudröseln, sondern präsentiert auch die tonalen Zentren von Kontrabässen, Basstrommeln und Posaunen erstaunlich explizit und profilstark. Ein kräftiger Pinsel beim Auftrag von Klangfarben und sein organisch-fließender Grundcharakter verhelfen dem 99 Neo damit zu einem sturzlebendigen, absolut glaubhaften und gemessen am Preis konkurrenzlos natürlichen Klangbild.

Keith Jarret RioNoch kein Hörer unter 400 Euro (ausgenommen dem Meze Classics) konnte mir bislang ein derart realistisch aufgefächertes Klangfarbenspektrum eines Klaviers oder einer Geige präsentieren. Von den dezent, doch stets vernehmbar mitklingenden Obertönen, die den Klangfarben ihre typische Strahlkraft verleihen, bis hinunter in die unterste Oktave offenbart der 99 Neo alle Ober-, Bei- und Zwischentöne, die Keith Jarrett für die Live-Aufnahme seines Rio-Konzerts (auf Amazon anhören) seinem Konzertflügel entlockt. Wenn sich Jarretts Hände im linken Tastenbereich aufhalten, wird natürlich auch hier die gütliche Oberbass-Anhebung des 99 Neo hörbar.

Karnivool AsymmetryWir schalten flugs von Rio zurück ins Studio, wo sich sowohl die Prog-Rocker von Karnivool beim Track „We Are“ vom Album Asymmetry (auf Amazon anhören) als auch der Meze 99 Neo wieder in Hochform zeigen. Im Wortsinn irre komplexe Arrangements und spieltechnische Finessen am Fließband geben Gelegenheit, das Klangbild des 99 Neo noch einmal Etage für Etage zu inspizieren und die noch offenen Lücken in der Beschreibung des Klangbilds zu schließen: Wie ist denn nun etwa: der Bass – einmal abgesehen vom Oberbass-Boost? Antwort: saftig, einnehmend, tiefreichend in der Statur, dabei kein Schlammschieber, aber auch kein Maschinengewehr, was Kontrolle und Präzision angeht, sodass bei mittlerem Tempo im Zweifel eher Größe und Schwung einer Basstrommel betont werden als der ansatzlose Impuls des Pedals, der sie zum Schwingen bringt.

Die Mitten? Top artikuliert, obwohl stets wunderbar sahnig, dabei tendenziell auf der kräftig-sonoren Seite von neutral und nahezu frei von typischen Sub-Highend-Artefakten wie Strähnigkeit, Sterilität oder knöcherner Blässe. Das musische Talent des 99 Neo ist dermaßen hoch, dass es stellenweise fast ins Klischee abzukippen droht, so elegisch, weich und elegant zeichnet der 99 Neo insbesondere weibliche Stimmen. Dass diese ohne jedwede störende Sibilanz und Schärfe das Genusszentrum des Hörerhirn erreichen, garantiert ein Hochton, der nicht zuletzt durch das oben erwähnte Roll-Off eher samtig matt denn gleißend daher- und damit praktischerweise auch mit leicht sägenden DACs und Kopfhörerausgängen von Einstiegsverstärkern klarkommt.

Meze Neo mit TascheUnd die Dynamik des Meze 99 Neo? Verhält sich dabei trotz seiner vollmundigen tonalen Abstimmung für die Preisklasse ordentlich. Namentlich transiente Klänge von Trommelfellen oder Gitarrensaiten etwa bauen sich durchaus flink auf, obwohl der 99 Neo auf deren Sustain und Ausschwingen hörbar mehr Wert legt denn auf blitzartige Attack.

Die Raumabbildung des 99 Neo gerät prinzipbedingt eher kompakt denn luftig. Auch aufgrund des angehobenen Bassbereichs fallen Schallquellen allerdings überdurchschnittlich voluminös und körperhaft aus, was schön haptisch und erhaben wirkt. Ja, die Lokalisation einzelner Instrumente in oder um meinen Kopf herum ist möglich, das akustische Objektiv, mit dem der 99 Neo auf die Bühne blicken lässt, bleibt allerdings auch preisklassenbezogen auf mittlere Schärfe eingestellt. In dem ein oder anderen Forum steht zu lesen, dass jener leichten Versuppung der Bühne – wie übrigens auch dem Bauchansatz im Oberbass – beizukommen sei, indem man sich an der Membran-Dämpfung des 99 Neo zu schaffen mache und diese durch dichteren oder zusätzlichen Dämmstoff steigere. Darauf, dass das auch wirklich gelingt, ohne dass der 99 Neo klanglich anderswo Schlagseite bekommt, gibt es freilich keine Garantie. Auf den Hörer nach dem Eingriff übrigens auch nicht mehr.

Meine Einschätzung: eher lassen. Wenn Sie als Anhänger musikalisch-weicher und gut geerdeter Klangbilder vornehmlich Rock und Pop hören, profitieren Sie von der gesteigerten Basswucht und dem Präsenzschimmern des 99 Neo vermutlich mehr, als Sie vom leichten Oberbass-Verhang der unteren Mitten gestört werden. Wenn Sie bei gleichem Grundgeschmack dagegen etwas mehr Neutralität im Klang und einen Hauch mehr Luft auf der Bühne mögen, greifen Sie eben zum Classics.

Meze Neo aufgehängtMeze 99 Neo: Vergleiche

Und die ohrumschließende Mobilkonkurrenz im Jagdrevier des Meze 99 Neo? Nun, ein Sennheiser Momentum Over-Ear (249 Euro) spielt deutlich zackiger und durchhörbarer bei vergleichbarer Auflösung und Räumlichkeit, erreicht aber weder die Klangfarbenpracht noch den cremigen Flow des 99 Neo, ja wirkt im direkten Vergleich – obwohl sicherlich kein eiskalter Sezierer – deutlich nüchterner, mehr Abhörer denn Anmacher.

Tonal ähnlich gut im Futter, dabei aber durch Abwesenheit des 99 Neo‘schen Oberbasspeaks besser durchhörbar bei nur unwesentlich geringerer Farbigkeit präsentiert sich im Direktvergleich mein Bus- und Bahnbegleiter B&W P7, der dem Meze neben einem noch feiner aufgelösten Hochton wahlweise auch die Möglichkeit zum kabellosen Bluetooth-Betrieb ohne allzu große klangliche Abstriche voraus hat, diese Vorzüge allerdings auch mit 349 Euro ohne bzw. 399 Euro mit Bluetooth in Rechnung stellt. Und da die üblichen Verdächtigen von AKG bis Beyerdynamic unter 300 Euro samt und sonders technisch-neutraler klingen und erst ein, zwei Preisligen oberhalb des 99 Neo dessen natürliche Farbigkeit zu erreichen pflegen, bleiben dem preisbewussten Anhänger sonor-umarmender Klangbilder derzeit tatsächlich erschreckend wenig Alternativen abseits des rumänischen Zweiergespanns.

Zumal der 99 Neo an allen probierten Quellen nahezu gleich klingt. Klar profitiert der Hörer vom autoritären Führungsstil eines ausgewachsenen Studioverstärkers vom Schlage eines Lehmann BC Linear. Der Zugewinn an Straffheit, Ruhe und Kontrolle fällt allerdings im Vergleich zum Betrieb des 99 Neo direkt am Laptop oder am mobilen Mini-DAC Dragonfly Red erstaunlich gering aus. Tonal gesucht und gefunden haben sich im Testzeitraum übrigens der streichholzschachtelgroße mobile DAC-Verstärker Beyerdynamic A200 (299 Euro) und der 99 Neo, die durch ihre nahezu komplementären Klangbilder – der A200 geht im Oberbass betont schlank und im oberen Hochton eher etwas peaky zu Werke – per Dream-Team-Work einen erwachsenen, balancierten Gesamtklang erzeugen, den man doch glatt ohne rot zu werden „audiophil“ nennen darf.

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Test: Meze 99 Neo | Kopfhörer

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