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Man kann sich auch zu Tode kombinieren. Zum Beispiel dann, wenn man einen Amp geschickt bekommt und diesen an acht verschiedene Wandler anleint. Zumal, wenn es da noch die Option „mit/ohne Netzteilverstärkung“ gibt sowie unterschiedliche Treiber- und Endröhren. Die Gefahr besteht, dass vor lauter Details die Generallinie vergessen wird. Entsprechend amüsiert war ich daher, als ich den – zugegeben: arg pointierten – Spruch aus dem Munde eines Lautsprecherentwicklers vernahm: „Octave? Klingt wie ‘nen Transistor, nur viel geiler.“ Tja, was soll ich da noch groß schreiben?! Vielleicht, dass das Bonmot treffender wird, wenn man’s umgekehrt fasst, „Transistor“ also durchstreicht und „Röhre“ einsetzt …
Generallinie …
Für mich jedenfalls transportiert der Octave V 80 mehr Röhrentugenden als Transistorstärken – wenn wir uns einmal klischeehaft unterhalten wollen. Luftigkeit? Ja. Schnelligkeit, gepaart mit feindynamischer Finesse? Ja! Körperhaftigkeit / Bloom? Haken dran! Macht ‘nen großen Raum? Ja. Wobei – „macht“ passt nicht ganz. Klangfarbenreichtum? Äh … kommt darauf an, was Sie drunter verstehen. Mist, leider muss ich doch die Klischeebremse ziehen.
Fangen wir also mit dem Tonalen an, und zwar bewusst erstmal ab gefühlten 80-100 Hz aufwärts. Schon öfters habe ich die Aussage gehört, Octave klänge kühl. Sorry, kann ich so nicht nachvollziehen, nicht beim V 80 und auch nicht bei der Vorstufe HP 300, die bei mir ebenfalls zu Gast ist. Aber „kühl“ ist natürlich relativ, wer aus subtropischen Grundtonregionen kommt, der wird sich freilich schon nach einem kleinen Übergangsmantel umsehen. So ist das in gemäßigt klimatischen Gefilden – es gibt Frühling, Sommer, Herbst und Winter und nicht 35 Grad all year long. Der Vorteil eines neutral abgestimmten Grundtonbereichs – welchen ich dem V 80 attestiere – ist die größere Vielfalt an Klang-Möglichkeiten, auch scheint mir das „Gesamttempo“ der Wiedergabe zuzulegen, die Musik tönt einfach beweglicher, agiler, da weniger verdeckt vom „Wärmedunst“. Kuschelig-warm tönt es allerdings nicht.
Überhaupt kann ich auf dem Weg die Frequenzleiter hinauf keinen Bereich erkennen, der besonders gepuscht (oder vernachlässigt) werden würde, das Wörtchen „neutral“ passt eigentlich recht allgemein. Okay, eventuell ist da eine kleine Spaßschippe mehr im Präsenzbereich vorhanden – aber dezent: Die Musik kommt insgesamt einen halben Schritt auf mich zu, wenn ich den Octave V 80 anschließe, Frauenstimmen auch mal ‘nen ganzen – frontal gerät es gleichwohl nicht. Man gewöhnt sich dran … so sehr, dass, wenn ich zum Vergleich zur Kombi Octave HP 300 & SAC il piccolo wechsle, denke: „Schade, jetzt spielt es wieder weiter weg“. Allerdings nur fünf Minuten. Mit beiden „Vorstellungen“ kann man exzellent leben, ein „besser“ gibt’s hier nicht. Der V 80 macht ‘nen Tick mehr an, die Kombi weist mit lässiger Geste auf die große Bühne hinter ihr.
Beim Scannen meines Notizblocks fällt mir auf, dass ich zum Tonalen nicht viel aufgeschrieben habe, und deswegen möchte ich das Kapitel recht schnell abschließen. Das ist nun kein Bekenntnis zur Faulheit, sondern ich glaube, dass es die Aussage „neutral & differenziert“ schon auf den Nenner bringt. Ein Wort taucht in den Notizen aber doch auffallend häufig auf: Bass. Und das nicht ohne Grund …
Denn in der Konstellation mit dem „für eine Röhre“ schlankeren Grundtonbereich (= neutral) wird deutlich, dass es hier nicht um ein – wenn auch passabel klingendes – Surrogat geht, sondern um realen Bass und Tiefbass. Schwarz, beweglich, federnd – der echte Stoff! Es geht darum, dass meine launische Privatansicht „Röhrencharme, schön und gut, aber ich brauch‘ richtiges Fundament“ unzweifelhaft etwas Schlagseite bekommen hat. Auf der berühmten einsamen Insel, auf der ich nur einen Verstärker mitnehmen dürfte, da wäre die Entscheidung dann letztlich doch immer für einen Transistor gefallen, ganz einfach, weil auch die Platten von P.J.Harvey, Under Byen, Massive Attack, The Kills, Tuxedomoon und Leftfield mit im Gepäck stecken. Und der der Chemical Brothers. Und ein paar von Nik Bärtsch. Und nicht so ‘n audiophiler Panflöten-Bullshit, mit Verlaub. So, und deswegen stehen auf dieser Insel-Liste ein paar Transistoren, zwischen denen ich es dann ausmachen müsste. Bisher. Jetzt gibt’s einen überraschenden Neueintrag.
Wie gesagt, ich habe mir den Spaß gemacht, den Octave V 80 gegen das Vor-/Endstufengespann Octave HP300 & SAC il piccolo antreten zu lassen. Die Kombi liegt bei circa 9.000 Euro, also schon was teurer als der V 80. Wieso diese Kombi? Weil ich sie gut kenne und weil die SACs Monos derartig stoisch-trocken nach unten langen, dass es a) eine Wonne ist und man sich b) höchstens darüber beschweren könnte, dass das schon zu kontrolliert sei (was ich für Unfug halte, aber egal). Vor allem aber, weil es eigentlich ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen ist, ich aber uneigentlich zu dem Schluss komme, dass es durchaus Geschmack- und Musikssache ist, welcher Bassperformance man hier den Vorrang gibt …
Test: Octave V 80 | Vollverstärker