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Klar ist, dass, wenn es um die allertiefsten Töne geht, und vor allem um solche, die eine längere Zeit anhalten (böse elektronisch generierte Dinger, meinetwegen auch lange Orgelpfeifen), es die SACs sind, die es um einiges gründlicher verstehen, strukturierte Energie in den Raum zu blasen. Ganz unten wird dann auch der Octave V 80 weicher. Das verwunderliche ist eher, dass man überhaupt bis dahin durchkommt.
Geht’s aber um „normalen Bass“ – E-Bass, Kontrabass, Klavier auf der linken Seite; man glaubst ja gar nicht, wie tief Harfen gehen! – fällt auf, dass der Octave schlicht mehr körperliche Sexyness ins Spiel bringt und dabei agil und unverfettet bleibt. Kann schon sein, dass die Kombi mit den Piccolos „korrekter“ vorgeht – unzweifelhaft aber auch etwas flacher. Und dies nicht in Sachen Bühnentiefe (da klingt sie eher tiefer), sondern flacher hinsichtlich der plastischen Gestaltung der einzelnen Instrumente und Stimmen. Diese Qualität transportiert Octaves Vollverstärker überzeugender – und zwar eben auch unten rum. „Elegant, physisch, beweglich“, lässt sich über dessen Bassbereich sagen. Und: „Für ‘ne Röhre verdammt trocken“, aber gleichwohl nicht staubtrocken. Wenn sich bei Ihnen der Eindruck verfestigt, ich fände den V 80-Bass verdammt klasse, dann liegen Sie nicht falsch.
Überhaupt komme ich zu der Überzeugung, dass der Faktor Körperlichkeit – und zwar quer über das gesamte Frequenzband betrachtet – eine Stärke des Octave V 80 ist. Ein Sänger hat hier nicht nur einen Mund, sondern auch einen Kopf – und, je nach Tonlage, eine mehr oder minder große Brust. Auch das Anschlagsmoment bei einer Hi-Hat – bevor es „Tsch“ macht – gerät als plastisch-rundes „Ping“.
Es gibt freilich Röhrengeräte, die „machen“ einen noch größeren Körper. Gute Frauenstimme, gute Aufnahme, guter 300B-Amp – so etwas kann noch mal mehr anrühren. Dem Octave sind hier realistische Proportionen wichtiger, als Maximal-Bloom / Luftigkeit. Entscheidender jedoch ist, dass der V 80 als Generalist durchgeht, sowohl klanglich betrachtet als auch unter der Perspektive, welche Lautsprecher man mit ihm betreiben kann. Er braucht keine Hochwirkungsgrad-Wandler, auch kritischere Wattvernichter laufen gut an ihm. Er braucht auch nicht zwingend „ein hübsches Mädchen und hinten in der Ecke macht es dann und wann Pling“-Musik. Ich meine, das funktioniert schon – aber eine Beethoven-Breitseite oder Big Beat-Schweinereien eben auch. Das können Sie ja mal mit ‘nem SET-Amp versuchen, wenn Ihnen der Sinn nach Rauchwölkchen im Wohnzimmer steht. Der Octave V 80 stellt dergleichen souverän in den Raum – und appliziert dann „Röhrencharme“ wie Swing, Luftigkeit, Fluss und Körper hinzu.
Ja, vielleicht kann man es auf diesen Nenner bringen: Die Basis bilden beim Octave V 80 Kriterien wie die Stabilität der Musikpräsentation (räumlich wie tonal, im Sinne von differenziert, nicht zusammenmischend), Neutralität und Realismus. Und erst auf dieser Basis gönnt er sich den Flair, der gemeinhin mit Glaskolben assoziiert wird. In gewisser Weise stellt er also die Röhre vom Kopf auf die Füße. Freilich ist damit auch die „Schwäche“ dieses Amps benannt, die wenn, dann eine des Konzepts ist. Der Octave sitzt ein bisschen zwischen den Stühlen: Freunde von Transistoren-Boliden wird er doch noch zu weich sein, Liebhaber von „Spezialtugenden bei Röhren“ (Wärme, Mega-Räumlichkeit, o.ä.) könnten ihn zu nüchtern finden. Er macht es nicht jedem recht. Aber andererseits dürfte er genau damit für so einige freudig überraschte Gesichter sorgen. Im Grunde sollte man den ganzen Bauteile-Zinnober und die damit verbundenen Klischees vergessen und Musik hören – gängige Vorstellungen stellt dieser Verstärker jedenfalls auf den Prüfstand.
Test: Octave V 80 | Vollverstärker