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Dezember 2008 / Ralph Werner
So sexy inszeniert die Röhrenglut auf der Octave Audio Homepage auch glimmt, so wenig eignet sich die Marke für billige Klischees über Röhren. Andreas Hofmann, der Chef von Octave, ist schon eher als Klischee-Killer bekannt.
Naja, vielleicht ist das ein bisschen übertrieben formuliert … jedenfalls scheint er nicht willens, alle Moden und Hypes mitzunehmen. Ab und an werden diese mit einem wunderbar knurrig-abschlägigen Kommentar bedacht, aber vermutlich ist’s ihm auch egal. Kleines Schmankerl gefällig?
„Die Bass-/Grundtonwiedergabe mancher Röhrengeräte ist ja eher als tonaler Matsch mit Anlehnung ans Original zu sehen. In gewisser Weise kommt mir das als Psychosound vor, klingt an sich gut, klingt aber immer irgendwie gleich. Das ist aber nicht wirklich der Klang, den eine Röhre erzeugen kann, das ist vielmehr ein Klang, der aus den Schaltungen resultiert. Limitierungen der relativ historischen Konzepte werden als positives Merkmal hochstilisiert. Klingt nun etwas provokativ, ich will auch gar nicht alle Eigenschaften klassischer Röhrengeräte schlechtmachen, aber es macht keinen Sinn, ewig an den alten Konzepten zu feilen, zumindest für mich nicht.“
Octave Chef und Entwickler Herr Andreas Hofmann am Messplatz
Schön formuliert. Im folgenden Testbericht geht’s um den größten Vollverstärker im Programm von Octave Audio – den V 80. Ein hoffentlich matschfreies Unterfangen.
Konzeptionelles in Zitaten …
Seit über einem Vierteljahrhundert produziert Octave Audio Röhrenverstärker – Vorstufen, Endstufen sowie Integrierte -, allerdings reicht die Firmengeschichte noch was länger zurück, bis ins Jahr 1968, um genau zu sein. Seinerzeit fertigte Herr Hofmanns Vater ausschließlich für Industriezwecke. Die Kunden kamen aus dem Bereich Ultraschalltechnik, und für sie produzierte man entsprechend spezialisierte Übertrager. Den Weg zur Musik / HiFi-Technik beschritt der Sohn dann in den Achtzigern, (u.a.) aufbauend auf den im „fremden Metier“ gewonnenen technischen Erfahrungen. Das Wissen darum, wie man den für die jeweilige Anwendung passenden Transformator wickelt, war sicherlich kein schlechtes Erbe …
Frau Steffi Hofmann und Herr Hofmann sen. beim Trafowickeln
„Universaltrafos diverser Anbieter könnten wir nicht einsetzen, das wäre immer ein Kompromiss, so gut diese Übertrager für sich allein genommen sein mögen.“
Und daher werden alle Übertrager in Karlsbad selbst ent- und gewickelt. Aber dieses „Made in Germany“ gilt eigentlich fürs komplette Produkt.
Was sind also die lieb gewonnen Vorstellungen, von denen sich der geneigte Röhrenfreund bei Octave verabschieden muss? Nun, zunächst darf er sich von Trioden im Endstufentrakt verabschieden, bei allen Octave-Verstärkern werden hier Pentoden eingesetzt. Und, damit das klar ist:
„Manche Hersteller schalten Pentoden ja in den Triodenmodus, aber damit erreicht man klanglich nach meinem Hörempfinden eigentlich gar nichts, das klingt nur schlecht und die Röhren werden relativ stark über gewisse Grenzwerte gequält.“
Den Begriff „Single-Ended“ darf man (folglich) als nächstes an den Nagel hängen, Herr Hofmanns Endstufen arbeiten im klassischen Pentoden-Gegentaktmodus. Nein, auch nicht im Ultralinear-Betrieb, der bei manchen vielleicht den besseren Leumund besitzt – bei Octave aber als eindeutig instabiler als die Pentodenschaltung gilt. Als nächstes: Good bye Zero Feedback.
„Mit ‚gegenkopplungsfrei‘ wird der Eindruck erweckt, als würden sich ein paar Probleme der Verstärkertechnologie in Luft auflösen. Das stimmt auch teilweise – leider kommen aber an anderer Stelle neue Probleme mit speziellen klanglichen Auswirkungen hinzu. Zero Feedback stellt daher auch nur einen Kompromiss dar. Durch den sehr niedrigen Dämpfungsfaktor und die geringe Kontrolle des Verstärkers gegenüber der Gegeninduktionsspannung des Lautsprechers wird die Wahl geeigneter Lautsprecher stark eingeschränkt. Normale Mehrwegelautsprecher kommen da eigentlich nicht mehr in Frage. Daher erscheint es uns sinnvoller, gegengekoppelte Verstärker weiter zu optimieren.“
Laut Herrn Hofmann gibt es keine wirklich neuen Schaltungen im Röhrenverstärkerbau. Freilich ließen sich Verfeinerungen bewerkstelligen und dies mache man auch – aber entscheidender für seine Geräte seien vielmehr Qualitätssteigerungen bei der „Peripherie“, also bei dem, was die eigentliche Schaltung und die Röhren umgibt. Da wären sicherlich die Ausgangsübertrager zu nennen oder, wichtig bei so vielen Spannungsversorgungen, wie ein Röhrenamp sie nun mal aufweist (Heizung Vor-/Endstufe, Hochvoltversorgung Vor-/Endstufe, Gittervorspannungen, …), die rechte Art der Masseführung.
Aber mit „Peripherie“, damit meint man bei Octave vor allem auch das Netzteil – dessen Qualität für Herrn Hofmann die Achillesferse vieler (wenn nicht der meisten) Röhrenverstärker darstellt. Die hier häufig anzutreffende Choke-Technologie ist ihm nicht geheuer, da sie viel zu hochohmig ausfalle. Eine derartige Stromversorgung breche bei Belastungen im Bassbereich regelmäßig ein, und in Folge käme es zu Schwankungen der Betriebsspannungen im gesamten Verstärker – welche als phasenverschobene Modulation dann letztlich eine Rückkopplung der Lautsprecherlast auf den Verstärker darstelle. Da hätten wir dann wieder eine Kopplung bzw. ein Feedback – und zwar ein unkontrolliertes – auch bei Zero Feedback. Oder, schöner ausgedrückt:
„Die eigentliche Weiterentwicklung folgte der Theorie: Soll ein Verstärker stabil arbeiten, d.h. soll er also klanglich weitgehend konstant unabhängig von der Lautsprecherimpedanz und innerhalb seines Leistungsbereiches arbeiten können, wird eine völlig lastunabhängige Stromversorgung benötigt, da über die Stromversorgung lastabhängige Rückwirkungen die verschiedenen Stufen beeinflussen können. Diese Rückwirkungen sind quasi immer zeitversetzt, klangbildmäßig gesprochen heißt das, der Fokus wird verschwommen, dem Ton wird gewissermaßen ein (für manche Leute als röhrentypisch bezeichneter) Nachhall dazugemischt usw. […] Im Extremfall blubbert die Endstufe nur noch tieffrequent vor sich hin, falls ein entsprechender Impuls mit entsprechendem Pegel kommt.“
Mittels verschwenderischen Einsatzes von Über-alles-Gegenkopplung die Fehler des Netzteils ausgleichen zu wollen – davon hält man natürlich auch nix. Nicht zuletzt durch die sehr stabile Stromversorgung der Octave-Verstärker sei es möglich, sie mit recht geringem Feedback (circa 10dB) zu betreiben. Wer jetzt aber freudig einen mördergroßen Netztrafo im V 80 erwartet, dem sei gesagt: Ja, der ist schon ganz schön dicke. Aber 440 Watt Dauerleistung – da wurde nominell auch schon mal mehr gesichtet. Adieu, Überdimensionierungs-Fetisch. Dies gilt auch fürs „Siebkapazitätenposing“: Statt sich über schiere Farad-Größen auszulassen, betont Herr Hofmann lieber, dass seine Lieferanten – Epcos und Frolyt – qualitativ zur Weltspitze gehören, dass es nicht lediglich um „Hubraum“ ginge, wobei sich dies leider leichter kommunizieren ließe, sondern vielmehr ums Tempo, mit der die zwischengespeicherte Energie bereitgestellt werden könne und um die Ladezeit, mal ganz zu schweigen vom Parameter „Langzeitstabilität der elektrischen Eigenschaften“ …
Zusammenfassend:
„Die [klanglichen]Vorteile sind klarerweise subjektiv, obwohl ich natürlich glaube, dass ich in diesem Bereich einiges objektivieren kann. […] Technologisch würde ich sagen, dass ich ein Grenzgänger bin, für mich muss ein Konzept ausgeweitet werden bis an Grenzen des Machbaren. Erst dann kann man sagen, ob das sinnvoll war – falls schon vorher aufgehört wird, kann ja eigentlich nichts Sinnvolles über die Grenzbereiche des High End gesagt werden. Auf der Website eines japanischen Lautsprecherherstellers las ich neulich das Statement, dass es unsagbar traurig wäre, wenn etwas von einer Aufnahme bei der Wiedergabe verlorenginge. Dieser Hersteller baut Lautsprecher mit einer unteren Grenzfrequenz von 9 Hz. Ich musste schmunzeln, aber der Mann hat recht, würde ich sagen.“
Test: Octave V 80 | Vollverstärker