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Auch für das dritte Album der Band Cocorosie – The Adventures Of Ghosthorse And Stillborn – gilt, dass man diesen Mix aus verzerrter Kinderstimme und Operngesang, Pianoklängen plus Pferdegewieher-Samples, Spieluhr- und Fahrradklingel-Geklingel … nun ja: irgendwie schon mögen sollte. Da aber nicht mehr dauernd ein kaputter Hahn kräht wie noch auf dem Debutalbum La Maison de Mon Rêve, sind die musikalischen Traumwelten der Casady-Schwestern vielleicht etwas zugänglicher geworden …
Wie auch immer: Es war jedenfalls eines der ersten Alben, die ich über die Dynaudio Focus 110 A hörte, und im Grunde war mir danach schon klar, womit man es hier zu tun hat – mit einem sehr hochauflösenden Monitor nämlich. Derart nackt und unmittelbar wurden mir Cocorosies Geräusch-Collagen jedenfalls selten gereicht.
Das Besondere an dieser kleinen Box ist allerdings, dass sie mich gerade durch ihren Detailreichtum in die Musik hineinzieht, ihr hohes Auflösungsvermögen also bar jeder artifiziellen oder anstrengenden Note daherkommt. Mir geht es beim Stichwort „Auflösung“ manchmal so, dass Komponenten, die diese Eigenschaft (eigentlich / vermeintlich) besitzen, mich zwar faszinieren – aber eher in einer abstrakten, „Klänge-anstaunenden“ Art und Weise, nicht in einer musikalisch involvierenden. Woran dies liegt, ist mir nicht 100%ig klar, ein paar Vermutungen habe ich allerdings …
Bisweilen ist das, was unter hohem Detailierungsgrad firmiert, einfach eine Betonung im Präsenzbereich – was auf Dauer nerven kann. Oder die Klänge liegen wie unter einer Lupe und werden größer als normal dargestellt – für das einzelne Instrument vielleicht interessant, aber fürs Zusammenspiel der Musik eher abträglich. Oder die Musik wird recht frontal präsentiert, die Klänge scheinen näher am Hörer zu sein und wirken deshalb deutlicher – doch auch dies kann langfristig ermüden. Nun, wie auch immer. Der Dynaudio Focus 110 A lässt sich nichts dergleichen nachsagen, weder tönt sie präsent noch zoomt sie einzelne Klänge heran, um dies anschließend als Auflösung auszugeben; und ihr eine frontale Bühnendarstellung zu unterstellen, passt schon mal gar nicht. Im Gegenteil: Hier gibt’s immer einen Respektsabstand zwischen dem Hörer und der virtueller Bühne zu verzeichnen, aber gleichwohl herrscht eine unmittelbare Sicht auf die Dinge, schleierlos und völlig transparent wird das Geschehen präsentiert. Es trennt einen nichts von den Klängen, aber sie werden einem auch nicht distanzlos unter die Nase gerieben, was subjektiv Abwehrreaktionen auslösen könnte – und der „abwehrende Hörer“ wird sich nie so richtig entspannen und auf die Musik einlassen. Mit der Focus 110 A wird also beides möglich: Man kann fasziniert einzelnen Klangschattierungen und Details nachhorchen und dabei, da der Diskretionsabstand gewahrt bleibt, relaxed bleiben – die Musik „insgesamt“ genießen. Ansonsten kann Cocorosie auch echt mal nerven …
Die Dynaudio Focus 110 A lässt die imaginäre Bühne also auf der Grundlinie zwischen den Boxen beginnen. Oder sogar eher noch ‘nen halben Meter dahinter. Dergleichen kann Gefahr laufen, zu entfernt und distanziert zu tönen. Doch das ist hier überhaupt nicht mein Eindruck. Eher fühle ich mich eingeladen, ein weiträumiges Panorama zu betreten als dass mich „das Klangbild dahinten“ desinteressiert zurück ließe. Letzteres wäre wohl dann der Fall, wenn die „Entfernung“ mit einem gewissen Dunstschleier, der die Sicht trübt, einherginge, doch da die Dynaudio, wie schon gesagt, hochtransparent zu Werke geht, besteht dieses Risiko nicht. Nun aber mal zu den schieren Ausmaßen der Bühne: Wenn Sie für sich regelmäßig die Gleichung aufmachen: größer = besser, dann dürfte Ihnen die kleine Aktive aus Dänemark sehr gefallen. Nicht schlecht gestaunt habe ich jedenfalls, wie breit die Bühne aufgezogen wird – auch über die linke und rechte Boxenkante hinaus; famos gerade auch deshalb, weil dabei die Tiefenstaffelung nicht vergessen wird. Man darf diese sogar als ein besonderes Steckenpferd der Focus ansehen: Wie sie es versteht, ein Drumset, wenn’s sein muss, richtig weit weg nach hinten zu stellen, und dort dann aber immer noch deutlich und rhythmisch spielen zu lassen … Hut ab! Und ja: Es klingt auch „höher als normal“, es spannt sich eine Art Kuppel von Lautsprecher zu Lautsprecher, da ist nicht an der Boxen-Oberkante Schluss. Ich vermute, dass das unter anderem an dem ausnehmend luftigen und offenen Hochton der Dynaudio liegt. Hinzu kommt, dass die Focus fokussiert vorgeht, sprich: die Lokalisationsschärfe ist sehr hoch. Hier hat alles einen Ort und eine Adresse, im Zweifel kann man durchzählen lassen – und bei manchen Tönen im Bassbereich irritiert mich das zunächst sogar, bin ich es doch eher gewohnt, dass diese „vollflächiger“ tönen und nicht wie „bündig verpackt und auf die Bühne gestellt“ wirken. Vielleicht wirkt‘s mangels Masse manchmal so. Egal. Summa summarum halte ich die räumlichen Fähigkeiten der Dynaudio Focus 110 A, neben dem hohen Detaillierungsvermögen, für ihren zweiten dicken Trumpf.
Test: Dynaudio Focus 110 A | Aktivlautsprecher, Kompaktlautsprecher