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Ja, sie agiert dynamisch und impulsiv und dass davon rhythmische Kost profitiert – das hatten wir schon. Die Blumenhofer spielt zudem auch bei leisen Pegeln derart kontraststark, dass sie für Hintergrundberieselung nicht richtig taugt: Sie lenkt zu sehr vom „Vordergrund“ ab und macht sich zum Hauptgrund – nebenher noch Korrespondenz oder ähnliches zu erledigen fällt zumindest mir schwer. Positiv ausgedrückt: Sozialverträgliches Hören zu späterer Stunde funktioniert exzellent und die Erledigungen, die können auch morgen noch gemacht werden!
Dazu passt auch meine Beobachtung bei (für mich) normalen Lautstärken. Dies sind so um die 80 dB am Hörplatz, nicht richtig extrem laut, aber durchaus gehoben. Irgendwie fehlt mir bei niedrigeren Pegeln mit den meisten Lautsprechern etwas Lebendigkeit – und typischerweise drehe ich im Verlauf des Abends den Regler eher nach rechts denn nach links. Anders aber mit der Genuin FS 3: Regelmäßig bin ich – nach meinem subjektiven Empfinden – zu laut eingestiegen und musste nach unten korrigieren. Sowas werte ich immer als positives Zeichen, ist es doch ein Hinweis darauf, dass die dynamische Spannweite der Musik ungestutzter als normal ankommt.
Zudem versteht es die Blumenhofer, auch bei durchaus hohem Durchschnittspegel noch mal deutlich einen draufzusetzen, da sind keine Begrenzungen zu spüren. Ab irgendeinem Level wird auch sie dynamisch komprimieren, aber wo das liegt konnte ich nicht ermitteln, denn sonst hätte ich einen Hörschaden davon getragen.
Doch es resultieren meiner Meinung nach auch Meriten wie Auflösung und das Offenlegen von Klangtexturen aus der dynamischen Gangart der Blumenhofer Genuin FS 3 – und wahrscheinlich hat das Hochtonhorn, das bei recht tiefen 1,2 kHz übernimmt, einen regen Anteil an den feindynamischen Finessen dieses Lautsprechers. Aber woran es letztlich auch immer liegen mag kann dem Hörer ja egal sein – entscheidend ist, dass er diese Fähigkeit auch wertschätzt, denn sie gehört zu den zentralen der Genuin FS 3, und wer da sagt „so viel Informationen brauche ich gar nicht“, bekommt nur den halben Charme dieses Wandlers mit.
Der Jazzsong „Tilldess“ vom Ulf Sandberg Quartett ist ganz klassisch instrumentiert – Piano, Tenor-Saxophon, Drums und Kontrabass – und auf einer Länge von knapp acht Minuten zeigt er in nuce das, was die Blumenhofer in Sachen Feinauflösung zu leisten vermag. Das beginnt schon damit, wie die Beckenarbeit dargestellt wird. Hat man den Track schon mal über drei, vier Lautsprecher gehört, weiß man, dass es mehr oder weniger luftige Vertreter der Gattung gibt. Nun, die Blumenhofer gehört zu den Wandlern, die mit einem ausnehmend luftigen, feinstofflich-schimmernden Hochton gesegnet sind, seien die Ticks ans Blech auch noch so zart, sie tönen nie stumpf, und das Sustain verschwimmt auch nicht mit einem diffusen Hintergrundgrau im Klangbild, sondern wird ganz selbstverständlich – und präzise – nachverfolgt.
Apropos Sustain: Dieses ist bei den Becken in diesem Stück zum einen besonders lang und zum anderen … irgendwie schwirrt es da auch besonders nach und macht den Klangverlauf komplexer als mit einem normalen Becken. Nicht jeder Lautsprecher kann das deutlich machen, manchmal rauscht es dann einfach nur lang aus, aber eben recht homogen(isiert). Als ich „Tilldess“ zum ersten Mal über die Blumenhofer hörte, poppte unmittelbar ein Bild vor meinem „inneren Ohr“ auf: „Na klar, ich war doch neulich im A-Trane, und da hatte der Drummer auch so ’nen Blech mit Nieten dran – deshalb klingt es so!“ (siehe hier zur Beschreibung eines sogenannten Sizzle-Beckens, interessante Soundbeispiele zu unterschiedlichen Becken lassen sich übrigens beim Hersteller Meinl finden: http://meinlcymbals.com/products.html)
Die Genuin FS 3 entblättert diese Hochton-Texturen äußerst minutiös, kein milchiger Schleier verbirgt Strukturen des Ausklang und kein Gekrissel, kein „Sand“ raut sie künstlich auf oder schleift sie ab. Aber bei allem mikroskopischen Blick auf akustische Feinstrukturen im Klangbild, es tönt doch nie wie im Labor, akademisch oder pedantisch. Nein, es ist – wie schon in den unteren Lagen – eine selbstverständliche Lockerheit dabei. Jetzt können Sie natürlich zu Recht fragen, was das ganze Blabla „akademisch vs. selbstverständlich“ im Zusammenhang mit dem Kriterium Auflösungsvermögen denn nun eigentlich heißen soll …
Tja, gute Frage – und letztlich eine nach der Ursache, die dieses subjektive Empfinden hervorruft. Mein Verdacht beziehungsweise mein Versuch einer Erklärung: Die höhere Auflösung kann scheinbar auch erreicht werden, indem das jeweilige Klangdetail – hier der Beckenausklang – „lauter gedreht wird“. Natürlich bekomme ich mehr Details mit, wenn ich bestimmte Dinge lauter höre. Nur impliziert das auch, einen bestimmten Frequenzbereich relativ lauter dargestellt zu bekommen als andere, kurz: eine pegelmäßige Betonung. Dies geht meist damit einher, dass dieser Bereich in der räumlichen Darstellung der Musik nach vorne gezogen wird und/oder einen relativ größeren Platz innerhalb der virtuellen Bühne einnimmt. Keine Frage, dass sowas spontan interessant klingen kann – aber auf Dauer eben auch etwas plakativ-vordergründig, etwas einseitig gezoomt, ja: streberhaft-unentspannt à la „Schau mal was ich alles kann!“ Die Blumenhofer versucht sich dagegen an der schwierigeren Aufgabenstellung: „Wie leise kann ein Klang ohne Informationsverluste nachgezeichnet werden?“, und kommt hier sehr, sehr weit. Die Feinauflösung in den oberen Oktaven gerät erstklassig, das hier ist wirklich was für Gourmets.
Das gilt allerdings nicht nur für den Hochton, sondern auch für die mittleren Lagen, was mir im weiteren Verlauf von „Tilldess“ klar wird, insbesondere beim Saxophon-Solo. Die Gesamttonlage würde ich hier mal als crisp im positiven Sinne beschreiben wollen, man merkt irgendwie, dass die Luft um das Instrument unter Spannung steht, da wird was bewegt, es ist als würde ein hauchzarter Weichzeichnerfilter, der das Bild „mildernd aufhübschte“, weggezogen – und deshalb klingt es nun energiereicher und ein bisschen heller. Die Illusion, dass das Saxophon hier im Raum steht, gerät glaubhafter, da die Töne jetzt nackter, unmittelbarer in ihrer Ansprache ausgeliefert werden. Aber das nur nebenher, im Dienste dieser Illusion steht eben auch der Detaillierungsgrad, das Auflösungsvermögen:
Gerade weil die musikalisch nicht so entscheidenden Geräuschanteile des Spiels (Luftholen, Klappengeklapper, metallisches Vibrieren) nüchtern und klar präsentiert werden, klingt es realistisch. Zwar mag mich das nicht unbedingt näher ans musikalische Verständnis eines Stückes führen, wenn ich in der hintersten Reihe ein kleines Nebengeräusch detektiere – aber im Dienste der genannten Illusion „Da könnte wirklich jemand stehen!“, steht‘s schon. Doch wiederum gilt: Die Blumenhofer überstrapaziert das auch nicht, indem sie auf Kosten des Spiels/der Musik auf die Geräusche zoomt (nebenbei bemerkt ein zentrales Problem audiophiler Aufnahmen, wenn man mich fragt). Zuletzt Genanntes wird mit der Platte A Date With A Soprano Saxophone von Anders Paulson noch offensichtlicher, da hier das Instrument (fast) ausschließlich solo gespielt wird, also keine anderen Klänge im Weg stehen – und natürlich auch, weil diese SACD eine sehr gute Aufnahmequalität aufweist (und dafür musikalisch etwas öde geraten ist). Wenn Herr Paulsson einatmet, ist das mit der Genuin FS 3 frappierend realistisch – soll heißen: weder übertrieben nach vorne gezogen und wie durch die Zähne geatmet noch durch einen Dunstschleier verhangen. „Irgendwann muss der Mann ja luftholen und das macht er Gott sei Dank leise, kann es aber auch nicht verbergen“ – so klingt das hier. Hut ab vor so viel Realismus!
Vielleicht noch zwei, drei Worte zur räumliche Darstellung – hier könnte man im übertragenen Sinn doch von leichtem Zoom-Einsatz sprechen. Dies betrifft aber die Gesamtdarstellung und nicht bestimmte, einzelne (Frequenz-)Aspekte wie im obigen Beispiel zur „selbstverständlichen Auflösung“. Was soll das heißen?
Es gibt Lautsprecher, die die Musik auf der Boxengrundlinie beginnen lassen und deren Raumdarstellung sich primär hinter dieser Linie abspielt, und dann ist eine Frage häufig: Wie tief können sie staffeln? Die Thiel CS 3.7 und die Ascendo System F rechne ich zu dieser Gattung – und die Tiefenstafflungsfähigkeiten beider Wandler können als weit überdurchschnittlich gelten. Die Blumenhofer Genuin FS 3 ist aus anderem Holz: Sie spielt zwar nicht frontal, aber doch deutlich mehr nach vorne als die genannten. Hieraus resultiert ein involvierendes Moment, da die leicht reservierte Beobachterperspektive etwas aufgebrochen wird – die Musik kommt einem näher. Die Aufteilung des virtuellen Bühnenraums in Breite und Tiefe gelingt gut – aber die Tiefenstaffelung geht auch nicht als besonderes Steckenpferd der Genuin FS 3 durch, wie man es mit der Thiel oder der Ascendo erleben kann. Ein wenig ist es schon so wie bei der Fotografie: Mit dem Weitwinkel rücken die einzelnen Objekte etwas weiter fort, der Gesamtbildausschnitt gerät aber umfassender und die Tiefe „tiefer“ – leichtes Zoomen ergibt größere Objekte, die näher bei mir sind, während Vorne/Hinten-Relationen etwas gestaucht werden. Die Frage nach der richtigen Perspektive ist eigentlich falsch gestellt, korrekt lautet sie: „Wie möchten Sie ihre Musik auf Dauer am liebsten ‚sehen‘?“
Test: Blumenhofer Genuin FS 3 | Standlautsprecher