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Vom Klavier zur Gitarre. Tom Verlaine, der Frontmann der seligen Band Television hat im Jahr 2006 mit Songs and Other Things eine etwas merkwürdige Wundertüte herausgebracht. Außergewöhnliche Songs stehen neben eher stümperhaften Skizzen; von der Produktion hingegen ist das Album durchgehend brillant. Das Instrumental „Peace Piece“ nehme ich ganz gerne zum Testen zur Hand, denn hier gibt es außer zwei Gitarren mit nahmikrofonierten Gitarrenverstärkern nichts zu hören. Faszinierend, wie der Arpège hier agiert. Da ist eine Wärme, gepaart mit hoher Präzision. Man meint fast, in die Röhren der Gitarrenverstärker hineinsehen zu können. Alles ist präsent – das Grundrauschen der Amps, das Ausschwingen der Flageoletts, der leicht zittrige Hall der Hallspiralen, das sanft, fast nicht hörbar zugeschaltete Tremolo auf der „linken Gitarre“. Der Arpège macht aus dem skizzenartigen Stück etwas Spannendes, das man in jeder Sekunde gebannt verfolgt. Und man ist am Ende enttäuscht, dass das Stück nach weniger als drei Minuten schon vorbei ist.
Genug der natürlichen Klänge. Schauen wir mal, was der Arpège aus artifiziellen Klangwelten macht. Hierzu ziehe ich meine frisch entdeckte Referenz heran, nämlich das Album Kaputt der Band Destroyer. Was für eine blöde und irreführende Namensgebung! Wer hier folgerichtig naturtrüben Heavy-Metal erwartet, der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn Destroyer besetzen eine ganz neue Nische, indem sie Klangwelten der 80-er Jahre (ich höre hier zum Beispiel Bands wie ABC und Icehouse anklingen) mit klugem Songwriting und ungewöhnlichen Instrumentierungen (Posaune, Querflöte) kombinieren. Der Song „Savage night at the opera“ liegt im CD-Spieler. Obertonreiches, stumpf und simpel gespieltes Schlagzeug, singender, in oberen Lagen spielender und damit an New Order gemahnender Bass, ausgedehnte Stereo-Panorama-Spielereien, synthetische Solina-Strings, viel Hall und Raum, und mittendrin überraschend ein totales Schweinegitarrensolo, gefolgt von tiefem, kryptischen Ausfasern des Songs. Über den Arpège klingt das alles genau so, wie die Herren von Destroyer sich das offenbar gedacht haben: Wie ein Trip, ein Rausch, ausgelöst durch bunte Longdrinks in Überzahl und farbige Lichterschlieren, die man mit halbgeschlossenen Augen im Taxi wahrnimmt – unwirklich und schräg.
Ich leine jetzt zum Vergleich auch mal meine Verstärkerkombination an, nämlich die Funk LAP2 Vorstufe und die Myryad MXA2150 Endstufe. Schon anders! Es wird jetzt niemanden überraschen, dass der eindrücklichste Klangunterschied der Bass ist. Die Myryad schiebt da ein ganz ordentliches Pfund mehr nach vorne, ist andererseits dafür aber auch bekannt. Die Höhen hingegen klingen nun fast ein wenig bröckelig (im Direktvergleich natürlich nur), hier scheint mir der Arpège nicht nur durchsetzungsfähiger, sondern zugleich auch etwas luftiger zu sein. In puncto Räumlichkeit und auch Tiefenstaffelung nehmen sich beide Amps nicht viel, wiewohl ich meine, insbesondere der Myryad-Endstufe etwas mehr räumliche Präzision, aber auch eine gewisse „Kantigkeit“ attestieren zu können. Ich kann nicht sagen, dass ein Gerät „besser“ klänge als das andere, es ist Geschmackssache. Müsste ich es in einem Satz ausdrücken, dann würde ich sagen, der Arpège spielt fließender, die Kombination Funk & Myryad kantiger.
Ich sehe gerade, der Herr da hinten mit der speckigen Lederjacke hibbelt unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Er möchte bestimmt wissen, ob der Arpège auch rocken und rollen kann. Ja, kann er! Die Dresdner Formation Audiocaeneat soll es beweisen. Ich stieß Anfang des Jahres anlässlich eines Konzerts im Berliner Magnet-Club überraschend auf diese Band, als Vorgruppe der Formation I like trains. Audiocaeneat klingen ungefähr so, als hätte man die frühen Marillion, My bloody Valentine und Mogwai gemeinsam mit einer Crackpfeife im Proberaum eingesperrt und nicht eher raus gelassen, bis mindestens sechs Songs entstanden sind (siehe auch myspace). „Calypso“ heißt der zweite Song des Albums The Red Sessions, der eingangs von flirrenden Pickings, später von druckvollem Schlagzeug und noch später von brutalen, reinigenden, Zerrgitarrengewittern und „Crashbecken auf Achtel“ lebt. Und da fällt doch eines auf: Wie tief der Arpège heruntergehen kann! Die Produktion des Albums ist nämlich durchaus etwas roh und lässt dem Tief- bis hin zum Subbass ordentlich Raum. Der Arpège geht hier ganz weit runter, ohne dabei schlabbrig zu wirken – was bei den zuvor angespielten Songs so nicht rüberkam, weil eben diese Frequenzanteile auch nicht im Musikmaterial vorhanden waren. Das kann er also auch. Gibt es denn gar nichts zu meckern?
Wenig, offen gestanden. Es ist festzustellen, dass der Arpège im Ruhezustand nicht völlig geräuschlos arbeitet. Die angeschlossene Standbox PSB Synchrony One ist mit 90 dB/W/m ein recht empfindliches Wesen. Ihr Hochtöner vermeldet ohne anliegendes Signal ein leises, pulsierendes, rauschendes „Fritzeln“, dessen Lautstärke sich witzigerweise reduziert, wenn man den Laustärkeregler in Richtung 13 Uhr bringt. Man muss allerdings schon direkt neben dem Hochtöner stehen beziehungsweise hocken, um es wahrzunehmen. Schon aus 50 cm Entfernung ist nichts mehr zu hören. Auch gibt es ein leichtes Übersprechen zwischen den vier Line-Eingängen.
Man könnte dem Arpège gegenüber ihm preislich ebenbürtigen Transistorverstärkern eine nicht ganz so akribische und exakte Tiefenstaffelung attestieren. Zu guter Letzt ist festzustellen, dass er mit „Disco“-Musik nicht so richtig warm wird. Hier meine ich: sehr attackreiche, überproduzierte, „beißende“, tanzbare Sounds, also auch das, was man heutzutage mit der eigentlich irreführenden Bezeichnung „R&B“ versieht (ich nenne es lieber Wimmer-Funk). Destiny’s Child, und so Sachen zum Beispiel. Hier wünscht man sich zuweilen eine stärkere (Ober-)Bassbetonung und eine etwas bösere, schnelle, superzackige Gangart. Für so etwas scheint mir der Arpège einfach etwas zu gut erzogen zu sein.
Müsste ich den Audiomat Arpège in einen größeren Zusammenhang einordnen, oder klanglich zwischen den Klischeevorstellungen von „Röhre kontra Halbleiter“ verorten, so würde ich ihn ziemlich genau in die Mitte stellen. Wolkigkeit und Blumigkeit (im negativen Sinne) sind seine Sache nicht – auch in tonaler Hinsicht tönt er komplett. Es ist aber andererseits auch so, dass er die Lautsprecher nicht dermaßen straff „an der Abschleppstange“ führt, wie manch ein Kollege aus dem Transistorbereich. Fest steht, dass er mit beinahe jeder Musikrichtung gut zurechtkommt und den Hörer durch seine farbige Spielweise einlädt, die Musiksammlung noch einmal neu zu entdecken.
Test: Audiomat Arpège Référence 10 | Vollverstärker