Der Technics SL-1200 (www.technics.com) ist der größte Plattenspielertraum, den ich nie besessen habe! Das, liebe Leser, ist die schonungslose Wahrheit. Wie soll ich mich auch sonst einer Legende der analogen Wiedergabetechnik nähern? Denn nichts anderes ist dieser Dreher, der in seiner jüngsten Evolutionsstufe vor mir steht, als seien die letzten 40 Jahre spurlos an ihm vorübergezogen. Ja, so lange gibt es ihn schon, den Urvater aller modernen Direkttriebler und unverwüstliches Arbeitsgerät ganzer Diskjockey-Generationen. Techno-Urgestein Marusha bekannte jüngst in einem Interview, dass sie noch immer mit einem 1200er-Turntable-Set auftritt. Nur damit habe sie „das echte Feeling“.
Und um „Feeling“ geht es nun mal, wenn man über diesen Plattenspieler spricht. Auch bei mir. Es mag etwa 2008 gewesen sein, als ich für ein Printmagazin einen Vergleichstest mit dem Titel „Was können Diskodreher zuhause?“ durchführte. Neben allen möglichen, teils sogar überraschend guten, Kopien des Technics-Prinzips, stand seinerzeit ein mit allen Finessen ausstaffierter und in edlem Hochglanzschwarz lackierter SL-1210 M5G zum Test bereit. Die „Last Edition“ des Urmodells, wenn man so will. Und er spielte alle seine Rivalen an die Wand. Wirklich, es war so. Schon nach diesem Test damals wollte ich den Dreher kaufen, tat es aber nicht. Als Konzernmutter Panasonic dann im Jahr 2010 das endgültige Aus für das Kultgerät verkündete, wähnte ich meine Chance vertan. Die praktisch unmittelbar danach durch die Decke schießenden Preise für Gebrauchtgeräte schreckten mich zusätzlich ab. Logisch: Mit „Kult“ lässt sich Kasse machen. Bei kaum einen anderen Produkt der HiFi-Szene wurde das so deutlich wie beim Technics SL-1200, der in all seinen Entwicklungsstufen und in verschiedensten Zuständen von grausam abgerockt bis wohnzimmergepflegt schlagartig unglaublich teuer wurde.
Der Hype um seine „Wiederauferstehung“ im Jahr 2016 – im Vorfeld hatte es sogar eine Onlinepetition für den berühmten Technics gegeben, was in der Szene einmalig sein dürfte –, rief auch Kritiker auf den Plan. Sie befürchteten, dass die meisten Fans ihre Erinnerung an dieses Gerät verklären und überhöhen würden, qualitativ sei eine Neuauflage doch schließlich nie mehr mit dem Original vergleichbar. Und eigentlich ist sie das in diesem Fall auch nicht. Die Japaner haben nämlich mitnichten schlicht ihre 2010 abgestellten und eingemotteten Produktionsanlagen wieder angeworfen, sie haben im Gegenteil einen komplett neuen Plattenspieler konstruiert! Der zwar so aussieht wie sein legendärer Vorgänger und einige seiner wichtigsten Merkmale in die Gegenwart gerettet hat, im Kern aber tatsächlich ein HiFi-Gerät auf dem neuesten technischen Stand ist.
Zunächst irritierte – manche würden auch „schockierte“ sagen – der Hersteller eingefleischte Fans, die das Revival des Technics SL-1200 lange herbeigesehnt hatten, mit einer streng limitierten Topversion namens SL-1200 GAE, die unter anderem mit Magnesium-Tonarm und kernlosem Doppelrotorantrieb für knapp 3500 Euro reüssierte und damit für die meisten eher pragmatisch orientierten „Hardcore-User“ und Technics-Enthusiasten schlicht zu teuer war. Dennoch war sie schnell ausverkauft, die Japaner legten mit dem – bis auf die für Sammler wertvolle Plakette mit eingravierter Seriennummer – identischen Technics SL-1200G denn auch rasch eine unlimitierte Version nach. Die aber ebenfalls nicht günstiger angeboten wurde und wird. Man erinnere sich: Selbst der letzte „alte“ 1200er, der bis zum Produktionsstopp angebotene MK5, kostete „nur“ knapp 800 Euro. Und so ist für die breite Fanbase erst mein aktuelles Testmodell, der Technics SL-1200GR, so richtig interessant geworden: Für rund 1500 Euro (exklusive Tonabnehmersystem) präsentiert er sich gewohnt bodenständig und so umfangreich ausgestattet wie robust gefertigt, wie es die Anhänger dieser seit 1972 produzierten Arbeitsmaschine kennen und lieben. Apropos: Wussten Sie, dass der Technics SL-1200 als das am längsten produzierte HiFi-Gerät der Welt im Guinness-Buch der Rekorde steht?
Aber was macht der Technics SL-1200GR anno 2018 eigentlich anders als sein Urahn? Oder: Was hat sich über all die Jahre verändert? Eine ganze Menge, wenn man einmal davon absieht, dass der konsequent im Retrostil designte Japaner selbstverständlich noch immer ein Direkttriebler ist. Heißt: Hier verbindet kein verschleißfreudiger Gummiriemen die Tellerachse mit einem intern oder extern platzierten Antrieb, nein, der Teller sitzt direkt auf dem Motor. Was Antriebsverluste minimiert. Mithin einer der Gründe, weshalb der Technics zum Liebling von Diskjockeys weltweit avancierte: Kein Konkurrent war schneller auf Solldrehzahl. Und keiner ließ sich schneller wieder abbremsen. Der Motor war dabei stets so kräftig und robust ausgelegt worden, dass er das auch über Jahre und Jahrzehnte klaglos mitmachte. Ein weiterer Vorteil dieses Bauprinzips war und ist die Drehzahlstabilität, Abweichungen der Sollrotation, die – sollten sie auftreten, blitzschnell nachgeregelt werden -, sind nicht der Rede wert. Das bringt Ruhe, Stabilität und Souveränität ins Klangbild, wie man sie von ausgewiesenen Masselaufwerken kennt.
In der Vergangenheit litten direkt angetriebene Laufwerke indes auch stets unter einem systemimmanenten Nachteil, den man unter dem Begriff „Polruckeln (Cogging)“ kennt. Wenn man so will, handelt es sich dabei um ein „Stottern“ in der Übertragung vom Motor auf den Teller, das sich nie ganz kompensieren und Analogfreaks mitunter abfällig über dieses Antriebskonzept urteilen ließ. Mit dem im Jahr 2016 vorgestellten Topmodell SL-1200G hat Technics dieses durch magnetische Wechselwirkungen verursachte „Stottern“ erstmals eliminiert. Der „G“ nutzte nämlich Statorspulen ohne Eisenkern und einen Motor mit Zwillingsrotoren auf beiden Seiten dieser Spulen. Im Technics SL-1200GR fällt der Antrieb aus Kostengründen mit einem Einzelrotor etwas weniger aufwändig aus, aber auch er nutzt eisenkernlose Statorspulen, was das Polruckeln wirksam unterbinden soll.
Wer sich noch an den bis 2010 gefertigten Technics SL-1200/SL-1210 (der Unterschied liegt in der Gehäusefarbe, der „Zwölfzehner“ ist stets schwarz) erinnert, dem wird auffallen, dass sein „Enkel“ schwerer ist, was in erster Linie am Teller liegt. Gegenüber dem Teller des SL-1200 MK5 wiegt der des „GR“ gut ein Kilo mehr. Die Ursache der Gewichtszunahme findet sich auf der Rückseite des Alugußteils, sie ist mit Versteifungen versehen und zur Vibrationsdämpfung mit einer gummiartigen Schicht überzogen worden. Kann man Alumniumtellern in der Regel zu recht eine „Klingelneigung“ nachsagen, herrscht hier absolute Ruhe, der Teller ist akustisch tot. Das um satte 2000 Euro teurere Topmodell Technics SL-1200G kommt mit einer Deckplatte aus gebürstetem Aluminium optisch etwas schicker daher – der „GR“ dafür pragmatischer – , die aufwändige, kardanische Lagerung des S-förmigen Tonarms mit hochpräzisen Nadellagern ist indes bei beiden Modellen identisch. Einziger Unterschied: beim „G“ besteht das Tonarmrohr aus tiefgezogenem Magnesium, beim Testmodell Technics SL-1200GR kommt ein bewährtes Alurohr zum Einsatz. Wie immer bei Technics, wird das (nicht mitgelieferte) Tonabnehmersystem an einem Headshell mit ½-Zoll-Schraubanschluss nach SME-Standard montiert, das sich blitzschnell wechseln lässt.
Das finden übrigens nicht nur DJs, sondern auch Testredakteure toll, die während eines Hördurchlaufs die Charakteristika verschiedener Abtaster checken wollen. Die Anpassung des Arms auf die jeweiligen Systeme gestaltet sich denkbar einfach. Sowohl die Tonarmhöhe, als auch das Auflagegewicht und das Antiskating lassen sich mit hervorragend ablesbaren Skalen so justieren, dass man auf den Einsatz von Zubehörschablonen im Grunde verzichten kann. Um die Bandbreite einsetzbarer Abtaster zu erhöhen, legen die Japaner dem Technics SL-1200GR noch ein Zusatzgewicht in den Karton, das ich im Test aber nicht verwendet habe. Einziger Kritikpunkt meinerseits am ansonsten im Grunde vorbildlichen Tonarm: Für meinen Geschmack senkt sich der Lift ein wenig zu grob auf die Platte ab, hier sollte man darauf achten, dass die Nadel beim Aufsetzen nicht springt. Dieses Phänomen hat sich auch im weiteren Testverlauf nicht gegeben, was ich anfangs gehofft hatte.
Ebenfalls verzichtet habe ich auf die Möglichkeit, das Anlauf- und Abbremsverhalten („Torque“) des Motors zu individualisieren, was mittels zweier Schalter unterhalb des Tellers möglich ist. Hier habe ich es bei den Werkseinstellungen belassen.
Sehr schön auch: Die großen Dämpferfüsse unterhalb des stabilen Chassis, die durchaus auch ein markantes Designelement darstellen, lassen sich ohne Werkzeug in der Höhe verstellen, so dass der Technics SL-1200GR problemlos ausgerichtet werden kann. Auf die Kritik vieler HiFi-Fans in der Vergangenheit, die fest montierten Signal- und Netzkabel nicht austauschen zu können, haben die Japaner ebenfalls reagiert. Ein robustes Cinchterminal mit vergoldeten Buchsen und ebensolcher Erdungsklemme wartet genauso auf Kabelexperimente wie eine Kaltgerätebuchse für die Spannungsversorgung.
Allerdings sollte man die „Strippen verlegen“, bevor man den Plattenspieler final aufgebaut hat, die Anschlüsse sind nicht sonderlich gut erreichbar, wenn der Dreher einmal steht. Es sei denn, man hat Gummifinger.
Mit dem guten, alten Singlepuck, der bei Technics selbstverständlich zum Lieferumfang gehört (bei vielen Wettbewerbern nicht mehr), runden die Japaner die ohnehin stets umfangreiche Featureliste ihres Erfolgsmodells ab. Obwohl sich der Pitchfader inklusive Resettaste und Verdoppelung des Verstellbereiches auf 16 Prozent per Tastschalter vorwiegend an eine professionelle Klientel wenden dürfte, freuen sich Vintage-Vinyl-Fans möglicherweise darüber, dass der Technics SL-1200GR auf Wunsch auch mit 78 Umdrehungen pro Minute läuft. Dazu müssen beide Geschwindigkeitswahlschalter gleichzeitig betätigt werden.
Klang: Technics SL-1200GR
Wenn ein so berühmtes Gerät wie der Technics SL-1200 über seine jahrzehntelange Bauzeit so sehr mit einem bestimmten Anwendungszweck – in diesem Fall dem Betrieb in Diskotheken und Rundfunkstationen – in Verbindung gebracht wird, schürt das eine Erwartungshaltung an einen Hörtest, gegen die man sich auch als erfahrener Redakteur kaum zur Wehr setzen kann. Zumal mir der klangliche Fingerabdruck des Technics SL-1210 MK5 – obwohl der entsprechende Test bereits zehn Jahre zurückliegt – noch sehr präsent ist. Dazu muss man sagen, dass ich den damaligen Test mit einem Tonabnehmersystem vom Typ Ortofon „Concorde Gold“ durchführte, was die Edelvariante der Concorde-Baureihe darstellte, wie sie in DJ-Kreisen bis heute – aktuell als Nachbauten von „Reloop“ – Verwendung findet. Alle Concorde-Systeme spielen aufgrund ihrer hohen Ausgangsleistung auffallend laut, sehr dynamisch und „pumpen“ je nach Nadelschliff und Aufhängung mehr oder weniger Bass in den Raum.
Das verfälscht die Erinnerung in der Weise, dass der Technics SL-1200 ausschließlich eine reine „Groovemachine“ sei, die zwar unbändigen Spaß verbreitet, zum ernsthaften oder gar audiophilen Hören aber dann doch eher weniger geeignet ist. Wie sehr (akustische) Erinnerungen trügen können, beweist das aktuelle Testgerät, das mit meinem tendenziell eher warm abbildenden MM-Abtaster Shelter 201 doch in einer völlig anderen Liga spielt. Und zwar in einer, die ich zunächst so gar nicht erwartet hatte: Trat der Technics SL-1200GR seinen Dienst in meinem Hörraum doch überraschend nüchtern, sachlich und – ich nenne es einmal „abgeklärt“ – an. Von einer draufgängerisch-raubeinigen Beatgranate hatte er so sehr überhaupt nichts an sich, dass ich fast ein bisschen enttäuscht war. Hallo? Vor mir steht der ungekrönte Disko-King – pardon, das ist zu anachronistisch – Club-King und jetzt kann der gar nicht Club? Keine Sorge: Das, was man in den „Zwölfhunderter“ hineininterpretiert, kann er auch. Mit Betonung auf „auch“. Aber dazu später mehr.
Zunächst empfand ich die Vorstellung des Technics SL-1200GR also als recht nüchtern, gleichzeitig aber sehr klar im Sinne einer sehr guten Durchhörbarkeit und inneren Ordnung. Untermalt wurde dies von einem staubtrocken knarzenden Bass, der mich in „Hello“ vom John Butler Trio auf Sunrise over Sea (auf Amazon anhören) zu beeindrucken wusste. Über meinen Transrotor Insigne – zu seiner Bauzeit preislich auf Augenhöhe des SL-1200GR, jedoch als klassischer Riementriebler mit externer Motordose konzipiert – klang der gezupfte Kontrabass (mit dem gleichen Tonabnehmer am Rega RB 250) „weicher“ und etwas „dunkler“, in jedem Fall nicht so klar definiert wie über den Technics, der ihn im Vergleich zu meinem Beau aus Bergisch Gladbach zugleich eindringlicher und tiefer hinabreichend präsentierte. Ein Eindruck, der sich über den weiteren Verlauf des Hörparcours verfestigen sollte.
Besonders ohrenfällig wurde das bei tendenziell basslastigen Titeln wie „Lay my body down“ von Rag´n´Bone Man (Human) (auf Amazon anhören), die auf einem sehr präsenten „Tieffrequenzbett“ sockeln. Das der Technics genau so ´rüberbrachte: Als massiv-erdigen Sockel ohne jegliche Unsicherheit oder dröhniges Aufschwimmen. Man könnte auch sagen: Der Bassbereich kam tief und satt, aber ohne jedes Gramm Fett zu Gehör. Knackige Bassdrumkicks platzten ansatzlos dynamisch und so knochentrocken ins Auditorium, dass man beinahe aufwirbelnden Staub erwartete.Dabei „marschierte“ der Technics SL-1200GR mit eben jenem Groove durch den Vortrag, den Direkttriebler-Fans diesem Konzept seit jeher nachsagen. Er spielte wirklich „on point“, zelebrierte präzise jeden Takt. Bei Fink`s „Wheels“ (Perfect Darkness) zuckte das Bein des Autors unaufhörlich im Rhythmus mit – es ging auch nicht anders! Dagegen wirkte der Transrotor „Insigne“ wenn auch nicht verschleppt, aber doch auch nicht ganz so exakt, insgesamt weniger „wach“ als der Japaner, für den Kohärenz eine Verpflichtung zu sein scheint.
Der trocken-sachliche Grundcharakter wirkte sich auf alle Frequenzbereiche und vor allem auf die Durchhörbarkeit musikalisch komplexer Passagen positiv aus. Marillion´s vielschichtiger Opener „Gaza“ auf dem Live-Mitschnitt A Sunday Night Above The Rain (auf Amazon anhören) – entstanden 2012 beim Fan-Weekend im niederländischen Ferienpark Port Zelande – profitierte davon ungemein, kamen doch fein verwobene Melodielinien, die sich teils überlagern, auf diese Weise erst zur Geltung und konnten differenziert verfolgt werden. Überhaupt hielt der technoid designte Asiate viel von Ordnung, wies jedem Musiker und jedem Schallereignis einen festen Platz innerhalb der Darbietung zu und achtete auch darauf, dass diese Positionen dauerhaft stets ortbar blieben – eine Tugend, die dem Klangbild nicht nur eine klare Struktur, sondern auch eine gewisse Ruhe verlieh.
Wo ich gerade einen Live-Mitschnitt erwähne, möchte ich noch kurz beim Thema Bühneneindruck bleiben, den er vorbildlich neutral übertrug. Im Fall des Marillion-Konzertes sprechen wir von einer bis auf den letzten Zuschauerplatz gefüllten Leichtbauhalle, die sicher keine idealen akustischen Voraussetzungen für ein Rockkonzert bot, in der sich aber doch eine begeisterte Stimmung entwickelte, die auch der Vinylhörer spürt. Mit allen Fehlern, etwa scheppernden Elementen der Dachkonstruktion oder aber dem Eindruck, dass die Räumlichkeit in ihren Abmessungen keinem „klassischen“ Konzertsaal entspricht, sondern etwas kleiner ist. Der Vortrag des Technics SL-1200GR ist also von einem durchaus pragmatischen Realismus geprägt. Im Vergleich zum Transrotor „Insigne“, der das Bühnengeschehen von der Grundlinie aus eher vom Auditorium weg in die „Tiefe des Raumes“ aufzog, kam der Japaner quasi einen halben Schritt auf das Publikum zu. Seine Performance wirkte dadurch involvierender und aktiver, wobei die Staffelung in die Tiefe darunter nicht litt. Vielleicht war sie minimal geringer ausgeprägt als beim rheinischen Riementriebler, der Unterschied ist allerdings als marginal zu bewerten.
Im Mittenband, hier insbesondere bei Gesangsstimmen, nahmen sich beide Dreher qualitativ nichts. Der Transrotor legte einen leicht warmen Schmelz über seine Darbietung, die sich der neutrale Technics SL-1200GR verkniff, in ihrer ungemein plastisch-griffigen Präsentation der gehörsensiblen Mitten spielten beide Dreher jedoch auf Augenhöhe. Tori Amos` „Icicle“ (Under the Pink) (auf Amazon anhören) stellte sich gleichsam leichtfüssig schwebend und fast dreidimensional im Hörraum dar, sowohl der Gesang als auch die majestätische Intensität des „Bösendorfer“-Flügels übertrugen sich „echt“ und unmittelbar. Das obere Frequenzende des SL-1200GR rundete den Eindruck eines Drehers, der sich selbst weitgehend aus dem Geschehen heraushält, in positiver Weise ab. Gleißende Glanzlichter und scharfe Sibilanten waren seine Sache nicht – wobei das von mir montierte MM Shelter 201 auch eher zu den nach oben sanft verrundenden Systemen zählt -, ein reichhaltiges Spektrum an Detailinformationen, die den Hochtonbereich fein strukturiert und facettenreich abbildeten, hingegen schon. Wer es noch offener und gelöster braucht, was Laufwerk und Tonarm problemlos umsetzen können, sollte dann je nach individuellem Gusto einen entsprechenden Abtaster montieren.
Dass der ehemalige – und für manche Profis noch immer aktive – Club-King aber auch seinen „Vorurteilen“ durchaus gerecht werden kann, bewies er, nachdem ich ihn mit einem gut eingespielten Ortofon-Tonabnehmersystem vom Typ „Nightclub“ ausgerüstet hatte. Das seinem Namen alle Ehre machte, spielte es doch zunächst einmal erheblich lauter als die meisten Zunftkameraden, die für reinen Wohnzimmer-HiFi-Betrieb ausgelegt sind. Mit der vergleichsweise hohen Ausgangsspannung gehen auch eine – durchaus gewollte – „gezüchtete“ Dynamik und ein enormer Schub aus dem Frequenzkeller einher. Klar: Das Ding soll „pumpen“. Was es auch tat. Und den Technics SL-1200GR gleichsam in ein Partybiest verwandelte, dass sich durch entsprechendes Musikmaterial (etwa „Axel F.“ von Det Reirruc & Latin Rascals im Clubmix) rumpelte, pluckerte, zischte und dampfte, dass kein Tanzbein still stehen blieb. Also: Wenn man will, kann er Club! Wie eh und je. Aber: Er muss ja nicht. Was ihn zu einem musikalisch sehr vielseitigen Dreher macht.
Test: Technics SL-1200GR | Plattenspieler