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Wenn sie mit den Namen Janusz und Robert Sikora oder Aidas Svazas nicht sofort etwas anzufangen wissen, ist dies kein Grund beunruhigt zu sein. Zwar sind die Herren in ihren Heimatländern Polen und Litauen bereits respektable siebzehn beziehungsweise vierzehn Jahre tätig, doch wussten bislang nur wenige Insider um die Leidenschaft, mit der sie ihrer jeweiligen Passion dort nachgehen. Damit sich das ändert, hat sich Björn Kraayvanger mit seinem Audiovertrieb LEN-HIFI (www.lenhifi.de) auf die Fahnen geschrieben, den Tonarm- und Laufwerkshersteller Sikora sowie die Tonabnehmermanufaktur Aidas auch in unseren Gefilden bekannt zu machen.
Zu diesem Zweck schlug uns der Duisburger Spezialist für klangvolles und häufig nicht ganz so mainstreamiges High-End vor, eine Kombination aus Sikoras Laufwerk Initial Max (10.700 Euro), dem brandneuen Tonarm KV 9 Max (10.000 Euro) aus gleichem Haus sowie dem MC-Tonabnehmer Aidas Gold American Buffalo SE (6.700 Euro), eines der Spitzensysteme des in Kaunas ansässigen Litauers, als analoges „Gesamtkunstwerk“ zu testen. Eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lässt. Erst recht nicht, wenn zufälligerweise mehr als 3000 Schallplatten daheim im Regal stehen.
Ein Termin war schnell verabredet und Kraayvanger ließ es sich nicht nehmen, das Laufwerk einschließlich Tonarm auf meinem Copulare-Rack persönlich aufzubauen. Bereits am Vortag hatte Janusz Sikoras Sohn Robert das Aidas-System mit einem Gehäuse aus dem Horn amerikanischer Büffel am Tonarm montiert, so dass in relativ kurzer Zeit Spielbereitschaft bestand.
Doch vor dem Hörtest ist freilich ein Blick auf die einzelnen Komponenten der in strahlend weißem Finish angetretenen analogen Top-Kombi angezeigt.
Der Einstieg in das Laufwerkprogramm von Sikora
Seit 2007 stellt Janusz Sikora in Lublin Plattenspieler und Tonarme her. Drei Laufwerke – Initial, Standard und Reference – sind derzeit im Programm, die allesamt der Gattung Masselaufwerke angehören. Tatsächlich ist das Sikora Initial das Einstiegsmodell, doch Vertriebschef Kraayvanger klärt auf, dass die speziell aufgewertete Version Max eine Perfomance abliefere, die größeren Laufwerken anderer Hersteller in nichts nachstünde. Da der Listenpreis des Sikora Initial Max stolze 10.700 Euro beträgt, ist das mit dem Einstieg wohl eh nicht ganz so eng zu sehen …
Der Max unter den Initials
In der Max-Ausbaustufe verfügt der Initial über einen zweiten Gleichstrommotor, wodurch nicht nur das Drehmoment, welches auf den aus Delrin gefertigten Plattenteller wirkt, gesteigert, sondern auch die bei nur einem Motor unvermeidliche Kippelneigung des vier Kilo schweren Tellers vermieden wird. Die Kraftübertragung gewährleisten pro Motor je zwei Silikonriemen. Damit sollte sich ein ordentliches Drehmoment übertragen lassen.
Dazu gesellen sich eine Plattentellerauflage aus speziellem Glas sowie eine gewichtige Plattenklemme aus Edelstahl, die zusätzliche Einschnitte zur resonanztechnischen Optimierung aufweist.
Nicht unerheblich für das klangliche Resultat des Sikora Initial Max ist die zwanzig Kilo schwere Basisplatte, auf der das eigentliche Laufwerk und der zweite Motor ruhen. Diese Aluminiumplatte steht auf Edelstahlfüßen, welche eine Resonanzableitung über eine integrierte Keramikkugel gewährleisten. Bei unserem Aufbau entschied sich Björn Kraayvanger davon abweichend, die Gerätefüße Kepler von Divine Acoustics zu verwenden. Deren Materialmix (der Hersteller nennt es CeraGem-Technologie) aus gesinterter Keramik, Edelsteinen und verschiedenen Metallen schreibt der LEN-Hifi-Chef sowohl eine besonders effektive Ableitung von Resonanzen als auch einen ausgezeichneten Schutz vor eingehenden Schwingungen zu.
Last, but not least trägt auch das kräftige externe Netzteil der Max-Version zum guten Klang bei. Beim Basis-Initial wird der Strom lediglich von einem Steckernetzteil bezogen.
Einstellung und Fein Justage der Drehzahl, 33,3 und 45 U/min sind möglich, erfolgen bei beiden Versionen über einen dedizierten Controller, der beim Max seinen Platz praktischerweise auf der Basisplatte findet.
Chassis & Lager
Mit Blick aufs eigentliche Laufwerk setzt Sikora auf einen Mix aus Aluminium, Gussaluminium und Edelstahl. Dabei weist das Chassis um die Lagerbasis herum mehrere Ausfräsungen auf, die Resonanzen vom Lager fernhalten sollen. Das Lager selbst besteht aus einer aus der Mitte der Zarge ragenden Stahlachse mit einer Keramikkugel an der Spitze. Darauf wird der Teller platziert, der wie bei invertierten Lagern typisch, einen der Rundung der Keramikkugel entsprechenden Lagerspiegel aufweist und beim Sikora Initial Max aus dem hochbelastbaren Kunststoff Polyoxymethylen (kurz POM) mit dem bereits erwähnten Handelsnamen Delrin besteht.
Der Tonarm
Die Tonarmbasis ist rechts hinten auf der Zarge montiert. Zwei Stahlstäbe ragen heraus und tragen die eigentliche Tonarmaufnahme aus Aluminium, welche sich gegenüber der Basis so verdrehen lässt, dass alle gängigen Tonarmlängen auf dem Sikora Initial Max ihren Platz finden.
Nachdem der zwölf Zoll lange, einpunktgelagerte Sikora KV12 Max bereits seit kurzer Zeit am Markt ist, hat J.Sikora mit dem 10.000 Euro teuren KV 9 Max nun den Top-Arm in mutmaßlich gebräuchlicherer 9-Zoll-Ausführung nachgeschoben. Die effektive Länge des Sikora KV9 Max beträgt 228,6 Millimeter – bei einer effektiven Masse von 10,7 Gramm. Damit wird er für eine Vielzahl an Tonabnehmern ein geeigneter Spielpartner sein. Technisch entspricht er weitgehend seinem längeren Pendant, verfügt also ebenfalls über ein konisch geformtes Tonarmrohr aus Kevlar, wodurch eine extrem hohe Steifigkeit bei niedrigem Gewicht resultieren soll.
Das bei unserem Testprobanden in originärem Kevlar gelb ausgeführte Tonarmrohr mündet in einem glockenförmigen Lagerblock aus Bronze. Der trägt an der Unterseite den spitzen Lagerdorn aus Zirconiumoxid, einer Hochleistungskeramik von außergewöhnlicher Festigkeit und Härte, welcher der von Diamanten kaum nachstehen soll. Die Lagerbasis besteht aus Stahl und befindet sich in einem Behältnis zur Aufnahme eines zähflüssigen Silikondämpfungsöls, worin ein gleichfalls an der Unterseite des Lagerblocks befestigtes Paddel eintaucht. Damit erfolgt, neben der Stabilisierung des Einpunktlers, zudem eine effektive Resonanzdämpfung.
Von einem Silikonschlauch geschützt führt die Tonarmverdrahtung aus hochreinem vergoldeten Kupfer, die vom polnischen Spezialisten Soyaton stammt, oben aus dem Lagerblock heraus und in einem weiten Bogen zu dem seitlich angeflanschten Anschluss des Tonarmkabels. Da dieses herstellerseitig fest verlötet wurde, mussten Versuche mit anderen Tonarmkabeln leider unterbleiben. Auf der anderen Seite darf erwartet werden, dass sich der Verzicht auf eine tendenziell instabilere mechanische Verbindung klanglich positiv bezahlt macht.
Ein wesentliches Feature des Sikora Tonarmes ist seine feinfühlige Höhenverstellung. Sie erfolgt über ein Rändelrad von etwa der Größe der Tonarmbasis. Eine Viertelumdrehung entspricht dabei einer Veränderung von genau einem Millimeter. Praktisch dabei ist, dass eine zusätzliche Arretierung, wie sie etwa bei meinem Graham Phantom vonnöten ist, überflüssig ist. Die Einstellung kann „on the fly“ also während des Abspielens einer LP erfolgen. Das alles ist sehr praxisnah gelöst. Einzig das Rändelrad scheint mir etwas zu glatt geraten, so dass es manchmal schwierig ist, insbesondere geringfügige Justagen der Höhe präzise vorzunehmen. Eine feinere Rasterung oder ein etwas größeres Rad könnten hier Abhilfe schaffen.
Den Kennerblick erfreut die wertige Verarbeitung des Neunzöllers, den es auf Wunsch – neben der Version mit originär belassenem Lagerblock aus Bronze und dem gelben Kevlar des Tonarmrohrs – auch in einer mattschwarzen Ausführung gibt. Das ist sicher eine willkommene Alternative, doch ähnlich der puren Carbon-Optik teurer Sportwagen, übt naturbelassenes Kevlar natürlich auch hier einen ganz besonderen Reiz aus.
Sikora legt dem KV9 Max alle erforderlichen Schablonen sowie ein reich bebildertes und verständlich formuliertes Manual bei, wodurch Montage und Justage des Neun Zöllers flott und problemlos von der Hand gehen sollten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch wie das wirkliche Leben lehrt, ist man in diesem Punkt auch bei hochpreisigen Geräten vor Überraschungen nie ganz sicher.
Auflagekraft & Azimut
Die Einstellung der Auflagekraft vollzieht sich mit Gewichten auf einer Gewindestange, während der Azimut über ein zu den Seiten verschiebbares Gewinde im Hauptauflagegewicht feinjustiert wird. Falls das mal nicht ausreicht, um die Nadel senkrecht in die Rillen eintauchen zu lassen, kann mit diesem Gewicht aufgrund seiner dezentralen Bohrung der Azimut zusätzlich grob auf die eine oder andere Seite verlagert werden.
Die Antiskatingkraft wird dann ganz klassisch mit einer Gewicht-Faden-Einheit eingestellt. Erfahrungsgemäß ist diese Vorgehensweise ausreichend wirkungsvoll und sollte keine Rätsel aufgeben.
Der MC-Tonabnehmer Aidas Gold American Buffalo SE
Wenden wir uns nun dem dritten Protagonisten dieses Testberichts zu, dem MC-System American Buffalo aus der Gold-Serie von Aidas Svazas. Der Litauer baut seit mehr als 10 Jahren feine MCs, die er in früheren Zeiten gelegentlich selbst übers Internet vermarktete. So mancher Käufer wunderte sich nach Erwerb eines solchen – aufgrund freundlicher Preise nicht selten als Backup-System erworbenen –Tonabnehmers, dass dieser die angestammten Platzhirsche mit großen Namen klanglich ganz schön alt aussehen ließ.
Aidas bietet vier Produktlinien an, wobei sich diese durch das Material der Spulen und der Systemkörper unterscheiden. Bei den Spulen kommen Kupfer, Silber und Gold zur Anwendung. Für die Gehäuse nutzt der Litauer Holzverbundstoffe, Holz und „Tru-Stone“, ein hochfestes Material für das Halbedelsteine pulverisiert und mit Pigmenten und Harzen versetzt werden. Bei der Top-Serie Gold werden neben dem „Gala“ exotische organische Materialien mit Namen wie „American Buffalo“, „Tibetan Yak“ oder „Mammoth Gold“ verarbeitet. Tatsächlich fertigt Svazas diese aus dem Horn tibetanischer Yaks, amerikanischer Büffel und eben aus Mammut-Stoßzähnen.
Die Materialien sind teilweise so exklusiv, dass die entsprechenden Tonabnehmer nur in limitierter Stückzahl zu haben sind. Zu diesen gehört auch unser Testsystem American Buffalo, dass folgerichtig einen Systemkörper organischen Ursprungs besitzt, was gemäß Aidas auch ganz spezielle Dämpfungs- und Resonanzeigenschaften mit sich bringe. Mit einer Ausgangsspannung von 0,28 mV gehört es noch nicht zu den superleisen Systemen und kann daher auch gut ohne Übertrager betrieben werden. Die Spulen werden aus massivem Golddraht gewickelt, während am Ende des vom japanischen Spezialisten Namiki zugelieferten Boron-Nadelträgers ein Diamant mit Micro-Ridge-Schliff sitzt.
Der Preis für diese Exklusivität ist dann gar nicht so abgehoben, wie zu vermuten steht: Um einer von nur fünf glücklichen Besitzern eines Aidas American Buffalo Gold zu werden, müssen bei LEN-Hifi 6.500 Euro eingezahlt werden.
Klangtest & Vergleiche: Sikora Initial Max, Sikora KV 9 Max und Aidas Gold American Buffalo
Alles in allem kostet dieses analoge „Gesamtkunstwerk“, das mit seiner reinweißen Farbgebung auf meinem Rack fraglos Eindruck schindet, mal eben 27.200 Euro. Entsprechend hoch ist die Erwartungshaltung, denn wer solch eine Summe investiert, möchte das Thema analoge Quelle für lange Zeit, wenn nicht endgültig, abgeschlossen wissen.
Wahrer Luxus flüstert
Wohlan, der Sikora Initial Max und seine Spielpartner servieren – verstärkt von Rike-Audios Röhrenpre Sabine Phono III – eine Klangkulisse, die mit kultivierter Offenheit, enormem Auflösungsvermögen und klangfarblicher Reinheit besticht, die gemeinhin nur von analogen Setups des obersten Levels erreicht wird.
Allerdings zählt das Setup nicht zu den Kombinationen, die ihre Ausnahmeerscheinung vom ersten Ton an lauthals kundtun. Das Vorgehen ist subtiler, die Klasse der Sikora-Kombi erschließt sich erst, wenn man etwas Zeit mit ihr verbracht hat. Wenn andere Lösungen, die ihre Talente aufreizend offen zu Markte tragen, am Ende aber aufgrund womöglich zu unipolarer Ausrichtung derselben zu langweilen beginnen, schlägt die Stunde des Initial-Max-Teams. Doch der Reihe nach …
Der analytische Spürsinn
Sachte, fast zärtlich bedankt sich Leonard Cohen posthum mit „Thanks for the dance“. Unverwechselbar das Timbre dieser Stimme, sozusagen das Kondensat eines bewegten Lebens und vermutlich nicht weniger Glimmstängel. Das Aidas spürt jedem Atemzug nach, deckt Schicht um Schicht von Cohens im klassischen Sinne wenig wandlungsfähigen Gesangs auf, mit dem er dennoch höchst authentisch emotionale Regungen auszudrücken vermag. Laufwerk, Tonarm und das litauische MC werden zum kongenialen Partner einer leider verstummten Stimme und gewähren Teilhabe an Cohens genialem Schlussakkord.
Liest sich zu rührselig? Gemach, denn der analytische Spürsinn dieser analogen Quelle sollte nicht unterschätzt werden. Dass Cohens Sohn Adam die Aufnahmen seines Vaters ins rechte Licht gerückt, dabei Instrumente und Backingvocals wo nötig behutsam ergänzt hat, wird keinesfalls in einer gefühlsduseligen Klangsuppe ertränkt, sondern dem aufmerksamen Hörer recht unverblümt en détail mitgeteilt.
Das Aufziehen einer Tonspur hier, der nicht ganz zur Hauptstimme passende Hall dort: So vollständig und punktgenau vermittelt mir mein eigenes analoges Setup mit dem Laufwerk TW-Acustics Raven AC und einem Lyra Titan i an Bob Grahams Phantom Tonarm – alles in allem um 20.000 Euro teuer – diese Details nicht. Mein Setup macht zwar Boden gut, wenn es etwa bei „Happens to the heart“ das Anreißen der Gitarrensaiten einen Tick pointierter umsetzt, doch wie sich der Gitarrenkorpus beim Ausklingen verhält, wie die ausschwingenden Saiten den Ton noch zu modulieren vermögen, das zeigt die Sikora-Initial-Max-Kombi einfach akkurater auf.
Ob dieser Feinsinn dem Aides, dem so erfrischend gradlinig konstruierten Tonarm oder doch eher dem unerschütterlichen Laufwerk hauptverantwortlich zugeschrieben werden muss, wäre wohl ein Thema für entsprechende Einzeltests. Doch am Ende zählt natürlich die Teamleistung. Und die beschert uns ein traumhaftes Auflösungsvermögen, dessen Weltklasseniveau mir die Kombi dann so richtig vor Augen führt, in dem sie minutiös aufzeigt, zu welch wandlungsfähiger Artikulation die klassisch ausgebildete Stimme Caroline Shaws bei „Let the soil play its simple part“ vom gleichnamigen Album wirklich in der Lage ist. Mit welcher Finesse Shaw dabei mit den Lippen Töne formt und sie nach einem kurzen Moment des Innehaltens druckvoll beschleunigt aus ihrer Mundhöhle entlässt, ist dank Sikora Initial Max, KV 9 Max und dem Aidas Gold American Buffalo nun überdeutlich zu hören.
Feindynamisch anspruchsvoll
Ähnlich verhält es sich mit den Perkussionisten des Ensembles Sō Percussion, welche diese feine Aufnahme zusammen mit der Komponistin und Sängerin bestreiten. Dessen Mitglieder bringen nicht selten auch Blumentöpfe, Blechdosen und ähnlich ungewöhnliches Equipment zum Einsatz. Das Klöppeln auf solch zweckentfremdeten Utensilien gerät dabei zu einer nun feindynamisch recht anspruchsvollen Aufgabe. Nicht zuletzt hängt ja das gesamte Timing des Stückes davon ab, wie gekonnt das analoge Equipment die Attack der Anschläge oder deren Verzögerungen abzubilden vermag.
Noch subtilsten mikrodynamischen Bezügen auf der Spur zu bleiben und an des Hörers Ohr zu tragen, gelingt dem polnisch-litauischen Analoggespann ausgezeichnet. Ein Masselaufwerk mit Sinn fürs Feine und Timing noch dazu? Ja, warum denn eigentlich nicht? Zumindest in dieser Laufwerks-Tonarm-System-Kombination wird ziemlich unverfroren im Stammland eines großen Linn oder Rega gewildert.
Die grobdynamische Standfestigkeit
Sobald es lauter und druckvoller zugeht, etwa bei Bruckners dritter Symphonie in der Fassung von 1889, muss natürlich auch ein Sikora Initial Max seiner Bauart gerecht werden und Standfestigkeit beweisen. Gleiches gilt selbstredend für seine Spielpartner KV 9 Max und Aidas Gold American Buffalo.
Karl Böhm und die Wiener Philharmoniker haben Bruckners Werk für die Decca 1970 im später leider abgebrannten Sophiensaal in Wien, einem der Hauptaufnahmeorte des englischen Labels, eingespielt. Da ich keine originalen Decca oder London zur Hand habe, muss eine japanische Super Analogue Disc von 1992 herhalten. Keine schlechte Alternative, wenngleich die Aufnahme nur bedingt audiophile Qualität bietet. Doch das Dirigat Böhms entschädigt, bietet es doch eine Menge Zeitkolorit aus einer Ära, in der Produktionen wie dieser stets mit großem künstlerischen Anspruch nachgegangen wurden. Manche mögen das als steif empfinden, ich nenne es mal erhaben.
Im Allegro überschriebenen vierten Satz brechen die kaskadenartigen Bläsersätze mit brucknerscher Wucht über den Hörer hinein und kulminieren nach einer ruhigeren Passage im ungestümen, aber kurzen Finale. Dabei zeigen sich sowohl Sikora-Tonarm und -Laufwerk als auch das Aidas-System bei aller gebotenen Rasanz stets auch als distinguierte Mittler zwischen Mensch und Vinyl. Mein Raven AC wirkt demgegenüber wilder: Mit ihm gestaltet sich die dynamische Entwicklung des Satzes ungestümer, gewaltiger, stellenweise dann aber auch plakativer und vordergründiger. Unsere Testkandidaten scheinen hingegen die Zügel nie ganz aus der Hand zu geben, geraten die Tutti mit ihnen zwar nicht ganz so wuchtig, dafür besser strukturiert und eindeutiger nach Instrumentengruppen sortiert.
Mit angezogener Handbremse hat das freilich wenig zu tun, eher mit dem Willen die Kontrolle zu behalten. Macht sich hier die ordnende Hand eines hochklassigen Tonarms bemerkbar? Oder ist das Aidas einfach nicht so sehr auf Krawall gebürstet wie mein Lyra Titan i?
Beides dürfte zutreffen: Der KV 9 Max erfüllt seine Aufgabe, den Tonabnehmer ohne Einmischung in tonale Belange optimal zu führen, offenbar in superber Weise. Und das offensichtlich feinauflösende MC-System erlaubt mit seiner Feindynamik eine solche Vielzahl an Abstufungen, dass andere dagegen fast ein wenig plump erscheinen – und nur aufs erste Hören (holzschnittartig) dynamischer.
In der Summe beweisen sich der Sikora Initial Max, der Sikora KV 9 Max und das Aidas Gold American Buffalo als wahre Feingeister, die auch bei wilder Gangart den Sinn für sensible Klangstrukturen nicht ablegen. Hörnaturen, die vor allem Wumms erwarten, werden sich eher Laufwerken wie dem mächtigen Transrotor Massimo zuwenden, mit dem grobdynamisch der Fön zum Haaretrocknen im Bedarfsfall getrost ungenutzt bleiben darf.
Mitten, Höhen und viel Feinsinn
Von meinem Besuch in der Villa Belvedere in Eltville, wo sich der Hifivertrieb ATR einen bemerkenswerten Standort schuf, stammt die vor Ort in Liveatmosphäre aufgenommene LP des Jazz Quartetts De-Phazz mit dem Trompeter Joo Kraus. Die puristisch vom „Sommelier du Son“ Dirk Sommer und Gattin Brigitte Hammer-Sommer highendig produzierte Scheibe enthält vorwiegend Mid-tempo Nummern, die klangfarblich (LINK) mit profunder Natürlichkeit eingefangen wurden.
Idealstoff also für unser Analoggespann, das seinem Hang zu besonders feinstofflicher Wiedergabe treu bleibt. Wiederum ist es der Raven, der den De-Phazz Bassisten Bernd Windisch betont herzhaft in die Saiten greifen lässt und die Bässe mit geringfügig mehr Substanz versieht, während der Sikora Initial Max bei etwa gleichem Tiefgang nochmals eine höhere Präzision und einen ausgeprägten Sinn für Feinstrukturierung ins Spiel bringt.
Klasse dann, wie nahtlos und smooth der Anschluss an den breitgefächerten, aber nie aufdringlich gefärbten Mittelton gelingt. Vollmundig gespielte Akkorde auf dem Flügel in der Villa Belvedere und Marcus Bartelts wohlig-sonor geblasenes Saxofon sorgen immer wieder für Gänsehautmomente. Das alles reprodoziert der Sikora Initial Max im besten Sinne neutral – und letztendlich sehr real. Ähnlich gelungen dann der Übergang in den Hochtonbereich, wo Joo Kraus‘ Trompete einige metallisch schimmernde Akzente setzt.
Lästigkeit, Kühle oder gar harsche Töne? Fehlanzeige. In den hohen Registern ist weder eine besondere Betonung, noch so etwas wie eine Abdunkelung zu vermelden. Okay, eine kleine Tendenz zu eher güldenem Glanz lasse ich gerade so noch gelten. Wer diese Auslegung, selbst wenn es abgedroschen klingt, jetzt einfach mal organisch nennt, bringt es vermutlich auf den Punkt. Ja, unser analoges Team aus Sikora Initial Max, Sikora KV 9 Max und Aidas Gold American Buffalo zeigt eindrücklich auf, wie es sich anhört, wenn Neutralität und Euphonie eine ziemlich perfekte Symbiose eingehen.
Kann jeder? Die Räumlichkeit
Und weil es gerade so schön ist, darf man sich auch noch an dreidimensional plastisch in den Raum projizierten Klangkörpern ergötzen. Sie denken, jetzt übertreibt er es aber, jeder Dreher über 5.000 Euro sollte das halbwegs hinbekommen … Im Prinzip stimmt das, aber der Initial Max, der KV9 Max und das Aidas scheinen sich hier gegenseitig synergistisch zu beflügeln: Chick Coreas Akoustic Band, 1989 erschienen, ist tatsächlich eine digitale Aufnahme und hätte normalerweise nichts in diesem Bericht zu suchen, wäre die Musik nicht so erfrischend zeitlos und die Scheibe dynamisch so ansprechend geraten.
Besondere Verdienste in Sachen Raumabbildung bemerkte ich hingegen auf der Aufnahme bislang nicht. Dann die Überraschung, denn über unsere Testkombi abgespielt, passiert auf diesem Feld doch noch so einiges: Corea am Flügel, John Patitucci am Bass und Dave Weckl hinterm Schlagzeug werden nicht nur akustisch säuberlich voneinander getrennt und auf der imaginären Bühne akkurat in Stellung gebracht, die Musiker und Instrumente erscheinen auch körperlich berückend anwesend. Bildhaft steht Coreas Tasteninstrument dabei weiter vorn, während sich Weckl und Patitucci dahinter positionieren. Eine verblüffend authentisch wirkende Illusion, deren Intensität bislang nur wenigen analogen Setups vorbehalten war. Spontan kommen mir da Vorführungen mit Laufwerken von TechDas, Döhmann Audio oder Dieter Brakemeiers Acoustical Systems in den Sinn.
Es macht einfach Freude, zu hören, wie sich die Musiker gegenseitig musikalische Bälle zu werfen, aufeinander reagieren und einen gemeinsamen Flow finden. Dazu kommt, dass die Bühne, die ihnen unsere analoge Quelle bietet, sogar mit ein wenig mehr Tiefe aufwarten kann, als das für gewöhnlich der Fall ist.
Mit meinen Acapella La Campanella beginnt sie etwas weiter vor den Lautsprechern, während die Acapella Harlekin 2 die Bühne eher auf Ebene der Speaker beginnen lassen. Wie von meinen Schallwandlern gewohnt, spannt sich mit dem Sikora Initial Max ein von Wand zu Wand reichendes, durchaus großzügiges, aber nicht übertrieben breites akustisches Panorama auf. Ob Jazztrio oder doch die Wiener Philharmoniker, drängende Enge steht jedenfalls nicht zu befürchten.
Test: Sikora Initial Max Plattenspieler mit KV 9 Max & Aidas Gold | Plattenspieler