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Wenn man von einem Lautsprecherpaar der 20.000-Euro-Klasse – als Arbeitslautsprecher dienen mir Lansche Audio No.3.1 – zu einem Modell wechselt, bei dem das Pärchen weniger als ein Neuntel von dessen Kaufsumme kostet, dann erwartet man nicht unbedingt das, was mir die (gut eingespielte) Quadral Chromium Style 8 vom ersten Takt an Musik liefern:
Nämlich gefühlt eine zwar etwas anders gelagerte Charakteristik, aber keineswegs eine fast schon antizipierte sehr deutlich abfallende Klangqualität. Meine Erwartungshaltung ob der frappierenden Preisdifferenz war eben zugegebenermaßen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Unzulänglichkeit im Vergleich zur Lansche, zum Beispiel eine deutlich kleinere Bühne und ein mit insgesamt nicht so lebendig atmender Musik ausgefüllter Hörraum.
Die Überraschung ist: Weder die Ausdehnung der Bühne noch das Gefühl, von der Musik im Raum eingehüllt zu werden, lassen mit den vergleichsweise zierlichen Hannoveranerinnen wirklich zu wünschen übrig, auch wenn sie natürlich nicht ganz das astronomisch hohe Niveau der Lautsprecher vom Bodensee erreichen, wenn es um Ausdehnung und insbesondere die Plastizität der Abbildung geht – der erwartetet hohe Sturz von diesem Level geschieht mit den Quadral jedoch nicht. Ja, das Gehörte führt ad hoc zu einem einigermaßen verdutzten Tester ob dessen, was da aus den Chromium Style 8 kommt, und vor allem, wie es das tut: So einige Lautsprecher können ja durchaus viel Bass oder auch viel Hochton produzieren, und manche sogar eine einigermaßen große Bühnenabbildung – aber wenn das „wie“ nicht stimmt, wenn die tonale Abstimmung zum Beispiel nicht akkurat ausbalanciert ist, wenn das Bassfundament nicht ansatz- und mühelos erscheint und von Dröhnen zugekleistert wird, wenn Tricksereien im Frequenzgang Auflösung und Phasenschweinereien Räumlichkeit vorgaukeln, dann hat das mit wahrheitsgetreuer Wiedergabe nichts zu tun, sondern ist eher Effekthascherei.
Die Quadral Chromium Style 8 lassen sich nichts davon zu Schulden kommen. Bleiben wir exemplarisch beim Thema Räumlichkeit und bemühen eine vielleicht etwas gewagte Allegorie: Kennen Sie die „Tardis“, das Raum- und Zeitschiff des Doctor Who? Das ist innen größer als außen – kein Wunder, denn von außen betrachtet ist es eine britische Polizei-Telefonzelle. Innen hingegen bietet die Tardis locker Platz für eine ganze Division von Daleks, sowie für Archive und Lagerräume, von denen selbst Doctor Who himself als Besitzer und Benutzer der Tardis in seinem nicht in menschlichen Jahren zu messenden Leben nur den kleinsten Teil entdeckt hat.
Okay, zurück aus Nerdistan in mein Wohnzimmer:
Ganz so groß im Verhältnis zu ihren äußeren Abmessungen spielen die Quadral Chromium Style 8 natürlich nicht, doch was die vergleichsweise zierlichen Lautsprecher an Bühne aufbauen, ist wirklich ein kleines Wunder – und wie das geübte Ohr zweifelsfrei feststellen kann, eines, das mit rechten Dingen und ohne Tricks zugeht. Weder nach oben und unten noch nach links und rechts kann ich wirkliche Grenzen ausmachen – nein, auch über die Lautsprecher hinaus spielen Instrumente, klingen Geräusche, füllt sich der Raum mit Klangkörpern, deren Realismus ich wirklich nicht erwartet hätte. Ibrahim Ferrer sitzt auf dem Album Buena Vista Social Club tatsächlich zwischen den Lautsprechern auf seinem Hocker (denke ich mal), die Band sauber getrennt neben und hinter ihm drapiert, wobei die realistischen Größenverhältnisse der Instrumente und Stimme gewahrt bleiben.
Wenn die E-Gitarre in „Marieta“ dann von ganz links hinten leicht angezerrt, flirrend und ohne die restlichen Instrumente zu überdecken ins Spiel eingreift und in „Mami Me Gusto“ die Bläser zu Beginn des Stücks aus dem Hintergrund weich und schmachtend den Klangteppich ausrollen, dann ist klangliche Befriedigung garantiert! In den Disziplinen Abbildungspräzision und Ausdehnung des Raums nach oben und unten sowie nach links und rechts ziehen die Quadral so locker mit der fantastischen Dynaudio Excite X38 (für mich nach wie vor der Benchmark in der 3.000-Euro-Klasse) gleich, geben sich nur hinsichtlich der Plastizität von Schallereignissen und bei der Ausdehnung in den Hörraum hinein, also vor die Lautsprecherebene, etwas weniger großzügig.
Zu den Meriten der Quadral Chromium Style 8 zählt auch die formidable Hochtonauflösung – hier schlagen sie die in etwa gleich teuren Focal Aria 926 mit verzerrungsfreier, unverhangener Sauberkeit und erreichen nebenbei in Sachen Transparenz im Mittelton (eine der Schokoladenseiten der Focal) mindestens ein Patt. Schön nachzuhören ist das bei den delikaten, anrührenden Klängen auf dem selbstbetitelten Solo-Debüt von Mark Hollis. Die fragil-verletzliche Stimme des Ex-Talk-Talk-Sängers, deren emotionale Brüchigkeit der Mitteltontreiber der Quadral mit Hingabe transportiert, wird oft nur von einem Piano begleitet, doch wenn die minimalistisch spielende Band im Titel „Watershed“ mit jazziger Perfektion einsetzt, verrät das Quadral-Bändchen – ohne jeden Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit aufkommen zu lassen – wie fest der am rechten Bühnenrand sitzende Schlagzeuger die Becken streichelt, wo der Schellenring auf der linken Bühnenseite platziert ist und wie viele Schellen er in etwa besitzt. Wichtig dabei ist, dass die Ausschwingvorgänge der Becken sehr schön herausgearbeitet werden und die Becken eben nicht nur im Moment der Anschläge Akzente setzen.
Im oberen Mittelton tun sich die Quadral meiner Meinung nach besonders dadurch hervor, dass sie wirklich offen und frei agieren und intonieren. Solch Fähigkeit erkauft sich der eine oder andere Lautsprecher leider mit auf lange Sicht nervenden Überhöhungen in den entsprechenden Frequenzbereichen. Doch weder diesen und schon gar nicht den Fehler, den Chromium Style 8 insgesamt eine audiophil-ausgemergelte, Auflösung nur vortäuschende Tonalität mit auf den Weg zu geben, hat man bei Quadral gemacht.
Unsere Probanden treten nämlich bei aller Präzision in den unteren Lagen auch in Sachen Tiefton keinesfalls zu zurückhaltend auf: Der Bass im Stück „Sangen Om Mjøtet Med Fjellet“ von Kari Bremnes’ Album Svarta Bjørn ist körperlich erfahrbar, bleibt aber bei aller Solidität und allem substanziellen, spürbaren Druck auf der eher trockenen und präzisen Seite. Man kann sagen, dass die Quadral Chromium Style 8 einen kleinen Tick schlanker abgestimmt sind als etwa die Dynaudio Excite X38. Von Abweichungen von der tonalen Neutralität zu sprechen, hielte ich aber für übertrieben: Sämtliche natürlichen Instrumente klingen so, wie sie klingen sollen, da kann ich keine Verfärbungen erkennen. Zum Beispiel tönen Gitarre und Kontrabass auf „Fuí Piedra“ vom Album Navigatore von Renaud Garcia-Fons gleichermaßen voll und präzise und muten in Sachen Klangfarben absolut authentisch an.
Das wirklich Erstaunliche ist, dass mit zunehmender Hördauer immer deutlicher wird, dass trotz des sehr erdverbundenen Preises der Quadral Chromium Style 8 niemals dieses kompromissbehaftete Gefühl des „Irgendwie ist das nicht so wirklich perfekt – aber okay, die Lautsprecher kosten ja auch nur XYZ Euro…“ aufkommt. Nein, die hübschen Quadrals spielen wie gesagt über alle Frequenzen hinweg mit überzeugender Tonalität, Auflösung und Abbildung, und hinzu kommt auch noch ein stimmiges Timing:
Oben genanntes Stück von Renaud Garcia-Fons bietet nämlich auch in dieser Hinsicht die passenden Einsichten, da Gitarre und Kontrabass mit ordentlich Pizzicato gespielt werden, und rhythmisches Klatschen die rasant-treibende Charakteristik des Stücks weiter befördert. Wenn die zeitliche Abfolge der am Ohr des Hörers ankommenden Frequenzen in dieser Beziehung nicht korrekt ausfällt, läuft man schnell Gefahr, von der Menge an akustischer Information erschlagen und genervt zu werden. Das passiert mit den Quadral Chromium Style 8 eben nicht, sie schaffen vielmehr diese magischen Momente, in denen sich sämtliche Einzelklänge schlicht und einfach kohärent zu Musik zusammenfügen.
Die vielleicht schwierigste Disziplin, die es für einen Lautsprecherdesigner aber zu bewältigen gilt, ist meiner bescheidenen Meinung nach die realistische Wiedergabe von Klangfarben klassischer Instrumente – auch hier muss alles zusammenpassen. Gerade Streicher stellen eine gewaltige Herausforderung für einen Lautsprecher dar, und eine an der Realität orientierte Wiedergabe ist nur dann zu erreichen, wenn die Auflösung insbesondere im Mittelton nichts zu wünschen übrig lässt, tonal alles im Lot und die Kohärenz aller Treiber auch auf der zeitlichen Ebene gegeben ist. Übrigens, mit „realistischen“ Klangfarben meine ich jetzt nicht das, was gewisse (nicht mehr hergestellte) französische Pseudo-Breitbänder mit aberwitzigen Frequenzgängen so an „tollen“ Klangfarben auf die akustische Leinwand klecksen – das hat mit Realismus nämlich nichts zu tun, sondern ist das, was man gemeinhin als Schönfärberei oder akustische Trickserei bezeichnet. Dies nur als vorauseilende Antwort auf den zu antizipierenden Widerspruch zu meiner obigen Aussage …
Wie dem auch sei und ob der obigen Erläuterungen vielleicht auch schon zu erwarten war, geben sich die Quadral Chromium Style 8 auch in Sachen Klangfarben keine Blöße. Die Streicher des San Francisco Symphony Orchestra sind auf der technischen Ebene perfekte Musiker, schaffen es aber auf „Absolute Jest“ von John Adams, keinesfalls steril zu klingen, sondern diesen gewissen Schmelz zuzulassen, der Emotionen auslöst und den die Quadral auch geflissentlich zu transportieren vermögen. Die Chromium Style 8 weisen den Zuhörer jedoch nicht unbedingt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die schillernde Farbenspiele hin, vielmehr fällt auch bei diesem Stück zuerst wiederum der große, wohlgeordnete Raum ins Ohr, den ich in dieser Preisklasse bei einem Standlautsprecher bisher noch nicht erlebt habe. Eine Anmerkung aber noch zum Thema Klangfarben: Je tiefer die Frequenz, desto „farbiger“ wird es. Ein gestrichener Kontrabass offenbart seine reichen Obertöne mühelos, was wiederum für das gute Auflösungsvermögen und die unverhangene Sauberkeit der Quadral im Oberbass und Mittelton spricht.
Meiner Erfahrung nach sind die klassischen Hörberichtdisziplinen bei der Beurteilung von Klangqualität sowieso keine voneinander unabhängig zu bewertenden Kategorien. Sprechen wir von Auflösung, so hat das neben der Fähigkeit zur Obertonwiedergabe (wichtig eben für die Klangfarben) immer auch etwas mit der Schnelligkeit und Verzerrungsfreiheit der Treiber zu tun. Beides wiederum kommt auch der Feindynamik zugute, und gerade dieser Aspekt beeindruckt bei der frei, hochauflösend und verzerrungsarm aufspielenden Quadral außerordentlich. Hier sind die schlanken Klangsäulen sogar den diesbezüglich in der 2.000-Euro-Klasse fast unschlagbaren Zwei-Wege-Kompakten Guru QM10Two ebenbürtig, reproduzieren das Klackern der Tischtennisbälle in Nicolas Jaars „Colomb“ vom Album Space is Only Noise mit großartigem Differenzierungsvermögen und der Schnelligkeit, die nötig ist, um aus einem simplen „Klack“ einen echten Tischtennisball zu machen.
Auch die Grobdynamik der Quadral Chromium Style 8 gerät realistisch, die tiefen Trommeln in Kari Bremnes „Sangen Om Fyred ved Tornehamn“ haben Wucht und angemessenes Gewicht. Bliebe noch die (wiederum mit der Grobdynamik eng verknüpfte) Pegelfestigkeit zu erwähnen, für die ich ein Stück bemühe, das mit audiophiler Musik so viel zu tun hat wie die Amigos mit musikalischer Hochkultur, aber einfach irrsinnig Spaß macht, wenn die Lautstärke stimmt. In „Tsunami“ von DVBBS geht es nur um eins: Brutalen Drive, peitschende elektronische Aggressivität im Bass wie im Mittelton, die den wie auch immer sonst noch stimulierten Tanzflächenbewohner dazu bringen soll, sich die Gliedmaßen auf möglichst heftige und den Orthopäden glücklich machende Art und Weise aus dem Leib zu hampeln. Okay, PA-Lautsprecher wollen die Quadral Chromium Style 8 nicht sein, sind sie auch nicht, aber im Bewusstsein dieses Umstands dessen machen sie bei noch nicht gehörschädigenden Pegeln einen mehr als ordentlichen Eindruck. So zeigen die Niedersächsinnen, dass sie zwar auch mal das Hemd offen tragen können, insgesamt aber doch einer eher distinguierten Gattung von Lautsprechern zuzuordnen sind.
Ich möchte noch etwas nachschieben, das nicht direkt eine Klangbeschreibung ist, vielleicht aber indirekt ein Indiz für die Qualitätsklasse, in der die Quadral Chromium Style 8 spielen. Sie schaffen es nämlich, ganz lässig die Qualitätsunterschiede der vorgeschalteten Kette deutlich zu machen: Zum Beispiel lassen sie nicht nur den Wechsel vom AudioQuest Rocket 88 (um 800 Euro) auf das Graditech Lumi 2 (um 3.400 Euro) erkennen (was ja noch zu erwarten wäre), sondern auch die Unterschiede in der Konfiguration des Lumi 2 („Solid Core“ mit mehr Druck und Substanz, „Stranded“ mit schlanker wirkender Tonalität und präziserer Abbildung und tieferer Räumlichkeit). Das sind feine klangliche Nuancen, die nur von wirklich transparent und neutral spielenden Lautsprechern transportiert werden können.
Test: Quadral Chromium Style 8 | Standlautsprecher