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Starker Tobak
Apropos kräftig: Heavy-Metal-Produktionen sind im Allgemeinen ja nicht dafür berühmt, dass sie sehr differenziert klingen – verzerrte Gitarren und im Mix stark komprimierte Schlagzeuge sind eben keine guten Voraussetzungen für maximal saubere Klangausgestaltung. Eine lobenswerte Ausnahme (im Rahmen des Möglichen) stellt „eMOTIVe“ von A Perfect Circle dar. Diese Band ist eigentlich ein Projekt des Tool-Sängers Maynard James Keenan und das Album eine Sammlung von Coverversionen politisch aussagekräftiger Songs der Neuzeit. Alle Tracks machen durch die teilweise recht mutigen Keenanschen Neuinterpretationen einen mehr oder weniger deutlichen Schritt in Richtung apokalyptischer Düsterkeit – da blüht mein Metallerherz natürlich in allen Grauschattierungen auf!
In der kongenialen Coverversion von „What’s So Funny ‚Bout Peace, Love and Understanding?“ (im Original von Elvis Costello) setzt ein fett produziertes Schlagwerk ein, das über iPod und Co. abgespielt gerne mal die Nuancen der zart im Hintergrund gespielten Akustikgitarre überdeckt und den schwermütigen Streichern die Luft zum Atmen nimmt. Nicht so hier: Die Bassdrum bleibt punktgenau definiert und unterfüttert das Klangbild so, wie es sich der Soundingenieur wohl beim Mix vorgestellt hat. Im von mir oft und gerne herangezogenen Stück „Counting Bodies Like Sheep to the Rhythm of the War Drums“ brilliert der Calyx M darin, die feinsten Nuancierungen der akustischen Umsetzung einer technoiden, entmenschlichten Kriegsmaschinerie auseinanderzudividieren, ohne sie aus dem Kontext des beklemmenden Ganzen zu reißen.
Diese Differenzierungsfähigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das Musikerlebnis mit dem Calyx M. Erstaunlicherweise leidet sie in keiner Weise unter der minimal warm eingefärbten Grundcharakteristik des Players. Sie biedert sich nur nicht offensiv an – genauso wenig wie die enorme Schnelligkeit, mit der über den gesamten Frequenzgang feindynamische Geschehnisse reproduziert werden. Auch dieser ansatzlose Speed produziert sich als integraler Bestandteil des distinguierten und jederzeit lässigen Gesamtklangbilds. In dieser Hinsicht geradezu ein Lehrstück ist mit dem Calyx M „Percussive Pyromania“ von Friedemanns Aquamarin Orchester in der Live-Version: Die titelgebende Perkussion feuert der Calyx M so mühe- und schwerelos durch die Membranen meines Sennheiser Momentum, dass ich nicht umhinkomme, mir einzugestehen, das Potenzial dieses Kopfhörers (nicht nur in dieser Hinsicht) wohl nie wirklich ausgeschöpft zu haben.
Gleichzeitig baut der Calyx M mit dem Momentum (und auch mit dem Final Audio Design Pandora Hope VI) einen großen und sehr gut strukturierten Raum auf und lässt dem musikalischen Geschehen so viel Platz, dass man mit deutlich verringertem kognitiven Aufwand in die Aufnahme hineinhören kann. Kuniko spielt auf „kuniko plays reich“ Perkussion-Arrangements des amerikanischen Minimal-Music-Komponisten Steve Reich in bestechender Klangqualität. Trotz mehrfachen Overdubbings entsteht beim Marimbaphon-Track „Electronic Counterpoint Versions for Percussion: Movement III Fast“ ein faszinierender Eindruck von Größe und glasklar abgegrenzter Vielschichtigkeit in einer magischen Klangsphäre ohne wahrnehmbare Grenzen – das klingt weit, frei und intim zugleich. So könnte ich stundenlang mit dem Calyx M auf Repeat gestellt Musik hören.
Härtefrei
Klangliche Härten kennt der Calyx M eh nicht – er zieht die Sanftheit der Aggression vor, was ihn zu einem unheimlich angenehmen Musikgerät macht. Selbst harsch aufgenommene Tracks kann man mit gehobener Lautstärke hören, ohne aber das Gefühl zu haben, der Klang sei über Gebühr „gesoftet“. Dagegen steht einfach schon das Auflösungsvermögen und die Schnelligkeit, mit der der Calyx M agieren kann. In G.E.N.E.s „Forest Love“ ertönen die metallisch-kristallen klingenden Schlaginstrumente mit bestechender Durchsichtigkeit und ätherischer Leichtigkeit, so dass sie über dem massiven Tiefbass des Elektro-Tracks zu schweben scheinen.
Calyx M – die Slots für die Speichererweiterungskarten
Alles bisher gehörte (mit Ausnahme von KUNIKO) ist übrigens im CD-Standard als FLAC oder AIFF auf dem Calyx M gespeichert. Dass hochaufgelöstes Material in allen Belangen noch mal eins draufsetzen würde, hatte ich zu keinem Zeitpunkt bezweifelt – dass der Klanggewinn in der Praxis allerdings so frappierend sein würde, hat mich dann doch überrascht. Der Raum, der mit The King’s Consorts „Victoria“ (Album: „Trois Leçons de Ténèbres“) schon bei 24 Bit/96 kHz virtuell aufgeht, ist nochmals ein wenig größer und deutlich besser definiert, und die Steigerung an Durchsichtigkeit, Direktheit und Auflösung mit The Aliens „Blue Mantle“ (Album: „Luna“) deutlich nachvollziehbar. Die volle Wucht und Autorität eines großen Konzertflügels gerät nun erst recht zum gänsehauterregenden Schauspiel, und bei 24 Bit/192 kHz vermag die Bachsche „Johannes Passion“ in der Interpretation des Dunedin Consort bei „Herr unser Herrscher, dessen Ruhm in allen Landen herrlich ist“ ein Lächeln der Verzückung auf mein Gesicht zu treiben – so delikat klingt das Cemballo, so differenziert ertönt der Chor, so ergreifend emotional spielen die Instrumentalisten … Wohlgemerkt, auch mit HD-Material behält der Calyx M seinen neutral-warmen, seidigen und entspannten Charakter immer bei, und das ist auch gut so!
Test: Calyx M |