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Auralic Polaris – Klangbeschreibung und Vergleiche

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Auralic Polaris - Klangbeschreibung und Vergleiche

Auralic Polaris vorneDie erste akute Kiefersperre innerhalb des Testzeitraums löste, nachdem ich den Polaris über Ethernetkabel mit meinem Router verbunden hatte, die einem All-In-One-Gerät ja eigentlich wesensfremde Klarheit, Sauberkeit, Effektfreiheit aus, mit der jegliche musikalische Stilrichtung präsentiert wurde. Diese gebirgsbachgleiche Reinheit des Polaris-Klangs werte ich als entwicklungstechnische Höchstleistung bei der Minimierung von digitalem und analogem Verzerrungsunbill. Typische digitale Artefakte lassen den Klang des Polaris durch ihre Abwesenheit dermaßen glänzen, dass insbesondere natürliche Instrumente und Live-Aufnahmen mitunter sogar etwas zu schön, rein und süffig tönen. Jegliche Kantigkeit, Härte, Rauigkeit und Schroffheit geht dem Polaris ab, obwohl der Alleskönner keinesfalls wattig verkuschelt wie eine suboptimale Röhre klingt, sondern stets halbleiterhaft akkurat durchzeichnet. Hier wird nicht weichgespült, sondern reingewaschen. Denn der Musik über den Polaris fehlt schlicht alles, was sie weniger schön macht, ihren Genuss nicht fördert oder sonstwie nicht dazugehört. Die Folge: Bereits nach wenigen Takten weicht zwischen meinen Ohren alles, was ich im vorausgehenden Kapitel über Audiotechnik, Abspielformate oder Funktionsumfänge geschrieben habe, einer tiefen Befriedigung am vollendet stressfreien Musikhören.

Akustisch-instrumentale Klangfarben, elektronische Soundattacken und besonders menschliche Stimmen präsentiert der Auralic Polaris mit einer Natürlichkeit, Selbstverständlichkeit und inneren Homogenität, dass ich zunächst wenig Lust verspüre, klangliche Einzeldisziplinen abzuarbeiten, ja, überhaupt auf sie zu achten. Nein, wenn eine Maschine Musik so vollständig, korrekt und stimmig reproduziert, erscheint es mir fast als Sakrileg, den Polaris als Stück Audiotechnik zu analysieren, statt ihn als Instrument zu genießen. Nichts klingt falsch, fehlt, schmeckt vor – und deshalb ist der Klang des Auralic Polaris auch keine Geschmackssache, sondern ganz einfach richtig, richtig gut. Und mein Testbericht im Grunde abgeschlossen.

Auralic Polaris LautsprecheranschlüsseWeil ich aber vermute, dass die Redaktion das eher richtig, richtig frech fände, werde ich im Folgenden weniger fragen, was der Polaris gut und was weniger gut macht, sondern unternehme den Versuch, anhand der wichtigsten klanglichen Parameter fassbar zu machen, warum dieses Gerät – zumindest in meinen Ohren – so faszinierend komplett, rund und richtig klingt, obwohl der Polaris als All-in-One-Gerät für 4.000 Euro selbstverständlich klanglich nicht überall perfekt ist. Genau genommen: sogar nirgends.

Das fängt schon mit der Gesamttonalität an. Zugegeben, mein obiger Hymnus klingt schon verdächtig nach jemandem, der halt mal wieder auf ein kalkuliert euphonisches Sounding hereingefallen ist, das ganz offensichtlich weniger den militärischer Neutralität verpflichteten Klangprofi als den Genusshörer anschmeichelt. Allein: Da ist kein Sounding, nirgends.

Der Bass ist druckvoll, aber nie vorlaut, der Grundtonbereich ist präsent, er dickt aber weder auf noch versuppt er die Mitten, die ihrerseits weder untenrum hochpegeln, um sonorer zu wirken, noch obenrum tricksen, um direkter und anspringender zu wirken oder ein suggestives Plus an Klarheit und Dynamik zu heucheln. Gleiches gilt für die Höhen, die linear „durchziehen“, wenngleich nicht bis zum Anschlag. Ganz oben und: ja, auch ganz unten, im Tiefbass, sagt der Auralic Polaris auf eine unwiderstehlich charmante Weise leise „Servus“. Doch ähnlich wie beim famosen Naim DAC, den ich ein gutes Jahr im Rack hatte, hat der Verzicht auf die allerunterste Okatve bzw. den allerfeinsten Oberton zur Folge, dass es mir leichter fällt, mich aufs Zentrum der Musik – den Grundton und die Mitten – zu konzentrieren und, wenn man’s denn lyrisch will, der Botschaft des Künstlers zu folgen, ohne von klanglichem Klimbim in den Randbezirken des Frequenzspektrums vom Wesentlichen abgelenkt zu werden.

Auralic Polaris AnschlussfeldWas für den Frequenzgang gilt, gilt auch für die Art und Weise, wie der Polaris sein Wohlklanggebäude Etage für Etage aufschichtet – nämlich dergestalt, dass auf keinem Stockwerk etwas veranstaltet würde, was die harmonische Gesamtarchitektur ins Wanken brächte.

Ozric TentaclesDer Bass gerät sauber, agil, druckvoll und groovt sich satt auf Mittelstellung zwischen saftigem Überwumms und asketischer Überdefinition ein. Eine Basstrommel hat Kraft, aber eben nicht mehr, als sie live auch hätte. Ein Kontrabass hat Körper, aber eben keinen größeren als im echten Leben. Das ist weder schlank noch fett, sondern athletisch straff und bei Bedarf nicht nur involvierend federnd, sondern auch bis ans untere Ende des Übertragungsbereichs bemerkenswert informativ, transparent und profilscharf. So lässt einen der Auralic Polaris etwa beim Opening von „Space Between Your Ears“ der Spacerock-Combo Ozric Tentacles (laut Kollege Reinecke ein „Basslauf zum Daraufspazierengehen“, auf Amazon anhören) während des auditiven Flanierens tatsächlich mehr Sightseeing betreiben als andere Geräte. Großes Basskino, wie beiläufig der Polaris den Frequenzkeller dergestalt ausleuchtet, dass Informationen über Spieltechniken, Anrissgeräusche, Saitenknarzen jederzeit analytisch erlauscht werden können, ohne anderntags beim gedankenlosen Genusshören desselben Stücks zu stören oder auch nur aufzufallen.

Die überaus sympathische Neigung, möglichst alles zu präsentieren, aber nichts davon auf dem Silbertablett, zeigt der Polaris auch in den Mitten. Hier gibt es weder geschmacksverstärkenden Schmelz noch hypersterile Pseudo-Transparenz. Die Mitten sind im besten Sinne „einfach da“: klar, crisp, stets durchhörbar und garantiert effektfrei, kurz: spektakulär unspektakulär. Ob es da nicht einfach an Auflösung fehlt? An den kleinen, mitunter auch dreckigen und manchmal eben anstrengenden Details der Aufnahme? Ob beim Polaris nicht deshalb alles so angenehm stressfrei klingt? Die ganze Harmonie, am Ende bloß Ohrenwischerei? Mitnichten.

Gegenbeweis: Besenwischerei! Das Bill Charlap Trio mit seinen zart gewischten Fellen und den schüchtern angetupften Tasten entlastet den Polaris bei „Last Night When We Were Young“ vom Album Live At The Village Vanguard (auf Amazon anhören) leise, aber nachdrücklich.

Bill-Charlap-TrioGenauso fein aufgelöst, allerdings – wie oben bereits angedeutet – nicht unendlich ausgedehnt, zeigt sich der Auralic Polaris im Hochton. Hier gelingt ihm abermals ohne jegliche Effekthascherei das Kunststück, eine nachweislich langzeittaugliche Höhenabsenkung – ja, Schatz, ich habe wirklich ein bisserl viel Musik gehört diesen Juli – mit dem nachhaltigen Eindruck von Luftigkeit und Feinstofflichkeit zu verbinden, also stets knuffig, doch nie muffig zu klingen und sich damit auch im obersten Stockwerk weder als kühler Analytiker noch als überschwänglicher Kommentator, sondern stets als unparteiischer und im Zweifel freundlicher Chronist des musikalischen Geschehens zu zeigen. Flirrt eine Klavier- oder schnalzt eine Basssaite, dann lässt der Polaris auch die verantwortlichen Obertöne raus. Aber eben nur, sofern die Aufnahme diesem Klangeffekt auch tatsächlich Bedeutung beimisst. Und nicht etwa, um das eigene Auflösungsvermögen zu exponieren.

Dass dieses Vermögen wenngleich gut, so doch nicht unendlich ist, merke ich erst, als ich zunächst anstelle des integrierten Streamers die ebenfalls aus dem Hause Auralic stammende Streaming Bridge Aries Femto und schließlich den Polaris-DAC durch den höherwertigen Jadis JS2 ersetze. Ja, das ist jetzt alles spritziger, duftiger, als würde ein Objektiv schärfer eingestellt und so weiter und so fort. Und ja, wo die All-in-One-Lösung grobdynamischen Impulsen mit einer Winzigkeit von Mäßigung alles Rüde, Abrupte und Vordergründige nimmt, treibt der Aries als Streaming-Quelle dem Polaris diese minimale charmante Zurückhaltung konsequent aus. Und während der Auralic Polaris solo Schallereignisse auf einer, sagen wir: realistisch bemessenen Bühne mit einer natürlich dezenten Aura versieht, also nicht maximal trennscharf portraitiert, musizieren die virtuellen Interpreten, gewandelt vom Jadis und lediglich verstärkt vom Polaris, wie aus dem Ei gepellt, blankpoliert und ins Korsett gesteckt.

Auralic Polaris Front seitlichDas ist besser, klar. Nur: Gefällt es mir auch besser? Ganz ehrlich: nicht wirklich. Der Aries bringt mehr Auflösung, aber eben auch einen Schuss Analytik, einen Hauch Kühle ins Klangbild. Der Jadis-DAC? Liefert tonnenweise Details, baut riesige Räume, lässt das tonale Gesamtkunstwerk, das der Auralic Polaris so gekonnt in meinen Hörraum hineinbalanciert hat, jedoch förmlich vor meinen Ohren zusammenkrachen.

Experimente mit weiterem Equipment bestätigen meinen Anfangsverdacht: Der Polaris ist nicht nur ein potenter Alleskönner, sondern auch ein passionierter Alleinemacher. Klar kann man den Polaris als reinen Streamer, als reine Vorstufe, als geregelte Endstufe und aufgrund der hohen Abwärme sicher auch zum Eierbraten nutzen, nur: Man beraubt ihn dadurch, jedenfalls in den allermeisten Fällen, seiner ganz großen Stärke, nämlich seiner perfekt austarierten musikalischen Geschlossenheit.

Auralic Polaris – Vergleiche

Und gerade die lässt den Polaris, zumindest in meinen Ohren, ziemlich locker an so einiger All-Inclusive-Konkurrenz vorbeiziehen. Der Musical Fidelity Encore 225? Klingt untenrum mächtiger, obenrum pfeffriger und steckt den Polaris aufgrund seiner unverschämt potenten Endstufen in Sachen Dynamik und Kontrolle in die Tasche, wird aber auf viele Hörer im A/B-Vergleich und mit Blick auf die Kultiviertheit und den Charme des Polaris bestimmt unwirsch und vordergründig wirken. Der Peachtree Nova300? Klingt allein deshalb sahnig-geschmeidiger und wohlig-wärmer, weil es ihm im Vergleich zum Polaris wiederum an ebenjener Dynamik und zudem an Auflösung und Transparenz fehlt. (Was angesichts des moderaten Preises allerdings auch so in Ordnung geht.) Der Devialet Expert? Bietet maximale Dynamik (beim Polaris wird insbesondere bei hohen Lautstärken hier tatsächlich etwas Kompression hörbar), maximale Details und eine für All-in-One-Geräte frappierende Transparenz, dürfte jedoch insbesondere bei Hörern, die selbst Musik machen oder häufig Live-Konzerte besuchen, als „steriles Werkzeug“ durchfallen. Wer fehlt? Na klar, der neue Naim Uniti! Sicherlich der härteste Konkurrent des Polaris. Ob Naims neu aufgelegter Alleskönner, so er denn in Bälde mal erscheint, mit seinem erwartbaren Vorsprung in puncto Rhythmus, Timing und musikalischer Unmittelbarkeit aber gegen die Auflösung, Transparenz und Reinheit des Polaris unterm Strich punkten können wird?

In meinem Hörraum jedenfalls braucht es schon meine komplette Kette aus Aries Femto, Wandler Jadis JS2 und Vollverstärker Jadis DA88, um den Polaris nicht nur in dieser und jener klanglichen Disziplin, sondern in der Gesamtheit der musikalischen Darbietung zu übertreffen. Allein, dass diese Kette siebenmal mehr Geld und zehnmal mehr Platz kostet als Auralics Multitalent.

Auralic Polaris Rückseite

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Kimber Kable Varistrand

Test: Auralic Polaris | Streaming-Verstärker

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