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Wer Nichtklang in Bezug auf ein Quellgerät propagiert, muss selbstverständlich sicherstellen können, dass sich der Proband tonal auch einwandfrei verhält. In dieser Hinsicht ist die AMG Viella für mich das korrekteste Laufwerk, das mir bisher, selbst in dieser hohen Preisklasse, unter die Ohren gekommen ist. Mit der einen Ausnahme, dass man, wenn man denn unbedingt will, ihr eine minimal schlankere Gangart nachsagen könnte. Was mich allerdings nicht im Geringsten stört, klingt es doch nicht um einen Deut ausgezehrt oder zu dünn.
Ein frischer, farbiger und recht kräftiger Hochton ist der Kombi zu eigen. Nichts, was man zu forsch oder glasig nennen könnte, stört hier, natürlich nur, solange es nicht vom Tonabnehmer oder der Aufnahme herrührt. Im Bass macht die straighte Art ebenfalls Schule. Ein Volumen und Tiefgang vorgaukelndes Oberbassbäuchlein lässt sich nicht mal im Ansatz ausmachen. Dafür ist alles bestens definiert und immer dann, wenn echter Tiefbass im Vinyl versteckt ist, fährt es dem unbedarften Hörer auch schon mal ganz ordentlich in die Magengrube.
Das erledigt beispielsweise Marcus Miller mit seinem Elektrobass auf Miles Davis Livealbum We want Miles gleich mehrfach. Richtig laut gespielt verwandelt die überbordende Spielfreude der Jazzvirtuosen meinen Hörraum in New Yorks Avery Fisher Hall. Den Gershwin Song „My man’s gone“ zerlegt die Truppe um Meister Davis nach allen Regeln des Jazz, während der gute Miles sich immer wieder mit hochexplosiven Einwürfen seiner Trompete auf die Gehörgänge der Zuhörerschaft einschießt. Im letzten Stück „Kix“ auf Seite vier webt die hochkarätige Band einen komplexen Klangteppich aus diversen, wie zufällig eingestreuten melodischen und rhythmischen Ideen. Weniger kompetenten Laufwerken kann da schnell mal die Übersicht abhandenkommen. Die AMG-Kombi dagegen glänzt mit Auflösung und Luftigkeit und behält jederzeit souverän die Kontrolle über das Geschehen auf der Bühne.
Auf Harry Belafonte sings the Blues (Classic records, 45er Version) betört uns die damals noch eindeutig geschmeidigere Stimme des Protagonisten. Blasse, farblose Mitten sind da genauso abträglich wie eine zu intensive, färberische Darstellung. Mit dem AMG-Gespann feiert der junge Harry eine prächtige Auferstehung. Dank der wohl austarierten Mittenwiedergabe klingt auch ein Song wie „God bless the child“ emotional tief berührend, aber nicht schmalzig. Genau so war es wohl gedacht, als 1958 die ersten Lackfolien geschnitten wurden (ja, ich habe auch eine originale LSP 1972).
Beim Abklopfen der räumlichen Darstellungsfähigkeiten ploppt der Opener „Nice Work if you can get it“ von Carol Kidds Album Nice Work geradezu in den Hörraum. Die ausladende Bühne scheint gar nirgendwo mehr begrenzt zu sein, sondern bemächtigt sich meines kompletten Musikzimmers. Ein wahrhaft intensives Hörerlebnis, zumal Miss Kidd sich auch noch ausgesprochen dreidimensional in Szene setzt. Andere Scheiben, wie die LSC 2430 mit einer zwar großen und tiefen, ansonsten aber weitaus konventionelleren Raumdarstellung, bestätigen mir, dass das AMG-Gespann akribisch umsetzt, was in die Rillen geschnitten wurde. Das kann großformatig und weiträumig sein, aber auch schon mal, wie bei einer älteren Reissue von Fleetwood Macs Rumours, kompakter und flacher ausfallen.
Dank einer effektiven Masse von 12 g dürfte der Tonarm mit dem Großteil moderner MCs harmonieren. Sowohl Laufwerk als auch Tonarm zeigen sich denn auch problemlos kompatibel mit dem Aventurin 6. Das Top-MC aus Mülheim an der Ruhr kann am 12J2 seine Qualitäten, insbesondere Klangfarbentreue und Lebendigkeit, eindrucksvoll in Szene setzen.
Mit einem Dynavector XV-1S unter der Headshell ging es in eine ähnliche Richtung. Das große Dynavector spielt von Haus aus dunkler timbriert und dynamisch etwas gezügelter als das Aventurin 6. Gerade im letzteren Bereich bleiben im Zusammenspiel mit der Viella und dem 12J2 allerdings kaum noch Wünsche offen. Den dezent zurückgenommenen Höhen verhilft die AMG-Kombi zu etwas mehr Frische, ohne dabei den grundsätzlich ausgewogenen Charakter des XV-1S zu verändern. Am langen Tonarm von AMG scheinen sich meine Tonabnehmer ausgesprochen wohl zu fühlen und danken es, indem sie ihre Stärken konzentriert ausspielen.
Erfreulich übrigens ist auch, dass das Phonokabel von AMG keineswegs die Rolle einer bloßen Beipackstrippe spielt. Es erreicht rundweg das Niveau eines ernst zu nehmenden Signalleiters, den ich mir durchaus auch solo zulegen würde.
Test: AMG Viella 12 | Plattenspieler