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Dee Dee Bridgewater – To Billie With Love From Dee Dee – Musik Platten-Kritik – Rezension fairaudio

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  1. 2 Dee Dee Bridgewater - To Billie With Love From Dee Dee - Musik Platten-Kritik - Rezension fairaudio

Dee Dee Bridgewater – To Billie With Love From Dee Dee

Als ich zum ersten Mal mit der Musik Billie Holidays in Berührung kam, war ich eigentlich zu jung dafür. Gerade mal fünfzehn oder sechzehn, ein großer Michael Jackson- und demzufolge auch Motown-Fan, fuhr ich, nachdem ich den Motown-Sound jenseits der Jackson 5 entdeckt hatte, gerade total auf den stampfenden Sixties-Soul von Künstlern wie Gladys Knight & The Pips, Smokey Robinson & The Miracles, den Tempations, Stevie Wonder, Marvin Gaye oder Diana Ross & den Supremes ab. In einer Fernsehzeitung stieß ich dann auf den Film Lady Sings The Blues, eine ebenfalls vom Gründer des großen Detroiter Labels, Berry Gordy, produzierte 1972er-Verfilmung des Lebens von Billie Holiday, in dem Diana Ross die Jazz-Sängerin verkörpert, Oscar-nominiert, übrigens.

Dee Dee Bridgewater, To Billie With Love From Dee Dee

Intellektuell habe ich Jazz damals bestimmt nicht erfassen können, wobei sich ohnehin fragt, ob Jazz ursprünglich zum intellektuellen Erfassen gedacht und gemacht war oder ob er erst im Zuge seiner Lifestyle-Vehikelung einiger bräsiger Bürger dazu ausgeartet ist. Mit Free- und sonstigen hochkomplizierten (und wirklich nur noch mit dem Kopf zu verstehenden, weil mit einiger Sicherheit kein sinnliches Vergnügen bereitenden) Jazzformen hatte der klassische Lady Sings the Blues-Jazz jedenfalls und glücklicherweise nichts zu tun.

Nun kann man von Motown und deren stets auf eine möglichst hohe Kommerzialität bedachten Verwertungspraxis ihrer Künstler ja halten, was man will, zwei Dinge lassen sich nicht leugnen: Erstens, dass Diana Ross eine überraschend respektable Jazzsängerin und keinesfalls nur eine überkandidelte Diva ist, die seit der Trennung von den Supremes nur mehr Hausfrauen-Soulpop hervorgebracht hätte, der noch am ehesten als Soundtrack zum Bügeln taugen würde; zweitens, dass ich fortan mit dem Jazz-Virus infiziert war – einer gefährlichen Dee Dee Bridgewater, To Billie With Love From Dee Dee Krankheit, die man nicht mehr los wird, wenn sie einen einmal gepackt hat. Zu ihren Symptomen gehört leider auch eine gewisse (auf den einen oder anderen gar befremdlich, wenn nicht überheblich wirkende) Art des Purismus. Dieser betrachtet die bloße Intention des Coverns von Songs der Lady Day als Sakrileg oder verfolgt sie zumindest sehr misstrauisch. Zudem: Ein (weiteres) Album mit Billie Holiday Cover-Titeln! Wie viele haben sich nicht daran versucht! Und wie viele sind gescheitert! Spontan fällt mir nur ein Cover an, was selbst vor den Ohren überkritischer Classic Vocal Jazz-Anhänger Bestand haben könnte: Strange Fruit von Cassandra Wilson, und das nicht, weil es dem Original so ähnlich ist, sondern weil die Wilson sich den Song aneignet und dennoch seinen Kern trifft. Aber sonst? Billie Holidays Songs sind hochgradig verknüpft mit dem tragischen Leben ihrer Schöpferin; Holiday selbst erläuterte die Dramatik ihres Gesangs einmal wie folgt: „Ich habe solche Songs gelebt.“ Interpretationen müssen hier zwangsläufig die Gefahr einer Verwässerung laufen.

Und nun also Dee Dee Bridgewater. 1997 versuchte sie sich mit Dear Ella schon mal an einer Hommage für eine der klassischen Jazz-Größen – und das durchaus „überzeugend“, wie nicht nur die Kollegen von der Zeitschrift Stereoplay befanden. Auch Audio konstatierte damals, wer Ella Fitzgerald covere, sei „entweder eine Hochstaplerin – oder eine Sängerin mit Klasse“ und attestierte Dee Dee Bridgewater Letzteres. Sie habe das „nötige Format“, welches der National Academy of Recording Arts and Sciences auch prompt einen Grammy wert war. Inzwischen gilt die in den Südstaaten geborene Wahl-Pariserin, die im Mai ihren sechzigsten Geburtstag feiert, selbst als Grande Dame des Jazz. Hommage-Alben wie – neben Dear Ella – jenes an Horace Silver (1995) oder 2002 an Kurt Weill sind fester Bestandteil ihres Werks. Das Tribut an Billie Holiday kommt also nicht völlig überraschend.

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Schon zu Beginn ihres Erfolges hat sie sich intensiv mit der Musik von Billie Holiday auseinandergesetzt. So übernahm sie Ende der 1980er-Jahre im Musical Lady Day die Titelrolle, gastierte damit erfolgreich in Paris und London. Am Ende des Gastspiels hatte sie laut Eigenauskunft „Billies Stimme. Sie hatte regelrecht von mir Besitz ergriffen“. Nichtsdestotrotz wollte sie auf Eleonora Fagan – To Billie With Love From Dee Dee keine Kopie der Holiday’schen Musik abliefern, sondern vielmehr einen neuen Zugang zu ihr finden, „weniger düster und rührselig, sondern moderner. Ich wollte ein freudig klingendes Album“.

Mit Hilfe des Pianisten Edsel Gomez, der Klassiker wie Strange Fruit, Don’t Explain, Lover Man, All Of Me, Good Morning Heartache oder God Bless The Child neu arrangierte, soll nun der Spagat zwischen Tradition und Moderne, zwischen Bewahren und Erneuern gelingen. Die Songs sind ungewöhnlichDee Dee Bridgewater, To Billie With Love From Dee Dee druckvoll und energiegeladen: Schon beim Opener Lady Sings The Blues brechen Bridgewater und ihre ebenso spielfreudigen wie großartigen Musiker James Carter (Saxofon, Flöte, ian McBride (Bass), Lewis Nash (Schlagzeug) und eben Edsel Gomez (Piano) die bisherige Verortung des Holiday’schen Liedguts in der subtil-minimalistischen Blues-Ecke auf und energetisieren es zum treibenden Bebop mit zugrundeliegender afrikanischer Polyrhythmik. Ohnehin swingt diese Platte sondergleichen. Aber was auf Dear Ella so gut funktionierte, weil der fröhliche Swing-Sound zur Fitzgerald passte, geht auf Eleonora Fagan – To Billie With Love From Dee Dee nach hinten los: So hat man zwar den selbstauferlegten Anspruch des „fröhlichen Albums“ erfüllt, doch ist genau dies das Problem.

Billie Holiday und ihre Musik war in jenen Momenten groß, in denen, wie die Kollegen von kulturnews.de so treffend schreiben, „der Wehmut triumphierte, den Gesang schmerz- und seelenvoll bestimmte“. Frohsinn im Kleide „abgefrühstückten Gute-Laune-Power-Swing-Sounds“ (ein enttäuschter Fan) wirkt hier deplaziert bis peinlich. Auch scheint Bridgewaters resolute Persönlichkeit oftmals zu forsch, Dee Dee Bridgewater, To Billie With Love From Dee Deeihre Interpretation zu routiniert für die Intimität der Holiday-Songs. Und ob die unglaublich nervige Flöte auf Don’t Explain – eigentlich mein ganz persönliches Lieblings-Holiday-Stück – wirklich hätte sein müssen? Das hotelfoyerselige Arrangement von God Bless The Child? Für einzig authentisch halte ich Mother’s Son-in-Law, das musikalisch zunächst verdächtig an Ray Charles’ Hit The Road Jack erinnert – ein Stück, dem ohnehin ein Augenzwinkern innewohnt: Hier passt der neue Sound. Zumindest ist Bridgewater und Kollegen der Abschlusstrack des Albums, Strange Fruit, (zur Geschichte des Liedes: Wikipedia) nicht fröhlich geraten, sonst hätte man sie der Despektierlichkeit bezichtigen müssen.

Andererseits: Vielleicht weiß die Diva etwas, was ihre Kritiker nicht wissen. Vielleicht kennt sie eine dem Holiday’schen Werk innewohnende Fröhlichkeit, das ausgelassene, übermütige Moment, das es zweifelsohne gegeben haben muss und es war ihr darum zu tun, dieses ans Licht zu bringen. Immerhin sagt man Dee Dee Bridgewater nach, ihre kraftvolle Stimme in den Dienst der Wahrhaftigkeit zu stellen. Das mag nun jeder für sich entscheiden. Ich finde: An Eleanora Fagan – To Billie With Love From Dee Dee stimmt einzig die Gardenie im Haar auf dem Cover. Aber die auch nicht wirklich.

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Plattenkritik: Goldfrapp | Dee Dee Bridgewater

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