Dezember 2014 / Victoriah Szirmai
Mit Filmmusik ist das ja oftmals so eine Sache: Ohne die beigeordneten Bilder funktioniert sie nicht. Das muss sie auch nicht, haben wir es hier doch mit funktionaler Musik par excellence zu tun. Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass diejenigen, die gern Soundtracks hören – und wir reden hier nicht von Songs zum Film, sondern von Scores –, mit Symphonischem jeglicher Couleur besser bedient wären, sieht man jetzt einmal von den Werken von Könnern wie Ennio Morricone & Co. ab, die sich auch ganz trefflich ohne den dazugehörigen Film genießen lassen.
Auch mit Till Brönner ist das so eine Sache. Er gilt vielen Jazzfreunden als seicht, glatt und kommerziell. Andererseits brechen seine Verkäufe Rekorde, was ihn zu Deutschlands erfolgreichstem (Jazz-)Trompeter macht. Seine Alben sind auch in den Wohnzimmern jener Hörer zu finden, die mit Jazzigem üblicherweise keinerlei Berührung haben. Jetzt hat Till Brönner gemeinsam mit dem von Nan Schwartz geleiteten Deutschen Symphonie-Orchester Berlin eine Platte mit Filmmusik gemacht. Da ist gesunde Skepsis angebracht. Und tatsächlich ist The Movie Album erst einmal Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Das Album mit seiner Mischung aus Filmsongs und Scores lässt sich an, wie befürchtet: seicht, glatt und kommerziell.
Da wäre zum Beispiel „Run To You“! Dieser Song aus The Bodyguard ist schon im von Whitney Houston gesungenen Original schwer erträglich. Durch Brönners Flügelhorn-Sound aber rückt er fatal in die Nähe von Zauber-der-Panflöte-Meditationsmucke. Das mag zur Weihnachtszeit zwar das eine oder andere Herz rühren – es bleibt aber vor allem: schlechte Musik. So könnte man jetzt munter weiter aus den eigenen Brönner-Vorurteilen schöpfen, doch so einfach macht es uns der 1971 in Viersen Geborene nicht, denn immer wieder lockt auf The Movie Album der eine oder andere Happen, der vor allem eins ist: ziemlich gute Musik. Beispielsweise der von Soulsenkrechtstarter Gregory Porter interpretierte Ben-E.-King-Klassiker „Stand By Me“. Oder Nino Roters „Godfather Waltz“, bei dem die von Chris Walden arrangierten Streicher ihre ganze Strahlkraft entfalten, während die sich darüber erhebende Todestrompete mal droht, mal weint, mal klagt.
Auch „Forbidden Colours“ und „As Time Goes By“ funktionieren erstaunlich gut. Mit Mitchel Formann am Klavier, Chuck Loeb am Bass und Vinnie Colaiuta an den Drums hat sich Brönner ein paar echte Filmmusiker aus der Traumfabrik ins Studio geholt, genauer: ins legendäre Eastwest Studio auf dem Sunset Boulevard, das Platz genug für monumental orchestrierte Einspielungen bietet. Nicht zuletzt überrascht auf dem Casablanca-Evergreen, während ihr Ehemann Max Herre mit seiner Teilnahme am deutschen Live Aid 30-Projekt gerade für Häme sorgt, eine ausgeschlafene Joy Denalane an den Vocals. Es sind Stücke wie diese, die einem den Glauben an das Flügelhorn zurückgeben, das man während der ersten Plattenhälfte schon gründlich fürchten gelernt hat. Dort nämlich schien Brönner den Beweis antreten zu wollen, dass die „Das Flügelhorn tut keinem weh“-Maxime von Christian Meyers, mit dem er sich zu seligen Bigbandzeiten noch das Pult teilte, Grenzen hat. Vielleicht tut es nicht im herkömmlichen Sinne weh – doch kann es zu Tode langweilen.
Davon ist auf der zweiten Plattenhälfte glücklicherweise keine Rede mehr. Spätestens „Mullholland Falls“ versöhnt auch den kritischsten Jazzhörer. Alles könnte so schön sein, doch die Freude währt nicht lange, denn Till Brönner ist sich nicht zu schade dafür, seine streicherkitschgesättigte Version von „My Heart Will Go On“ zum Besten zu geben – und die ist schlichtweg schaurig. Da hilft auch der abschließende Pharrell-Williams-Überhit „Happy“ trotz seines unglaublich großartigen Arrangements und einem überragenden Everette Harp am Tenorsaxophon nur noch bedingt weiter. Wenn ich Brönner demnächst in Berlin zum Interview treffe, habe ich eigentlich nur eine Frage: Warum?