Trotz und vielleicht auch wegen des anhaltend teuren Schweizer Frankens, scheint Highend-Equipment aus dem Alpenland bei uns ziemlich angesagt zu sein. Goldmund, Nagra, CH Precision, Soulution … Woran liegt das? Vielleicht ist es der Schweizer Hang zur Perfektion, der Nimbus der absoluten Konsequenz, der diesen besonderen Reiz ausübt? Die Produktion von Luxusuhren ist jedenfalls untrennbar mit den Eidgenossen verbunden, von der Herstellung eines gourmettauglichen Käsefondues oder dem Alphornblasen mal ganz zu schweigen.
Zum Kreis der eidgenössischen Highend-Audio-Hersteller gehören zwei Namen, die hierzulande vielleicht noch nicht jeder auf dem Schirm hat: Dartzeel und Stenheim Audio. Dartzeel beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mit der Entwicklung von Verstärkern der audiophilen Oberliga, während Stenheim seit 2010 auf dem Markt für besonders edle Schallwandler präsent ist.
Obwohl sich die Verstärker und Lautsprecher der beiden Unternehmen vor allem in den USA und Asien prächtig verkaufen, führten nicht immer eindeutig definierte Vertriebsstrukturen wie auch der Höhenflug des Schweizer Franken dazu, dass beiden Firmen hierzulande ein eher mauerblümchenartiges Dasein beschieden war. Das könnte sich ändern, denn inzwischen kümmern sich die umtriebigen Profis von ATR – Audio Trade um die Belange der beiden Schweizer Highend-Schmieden. Und so gibt Audiotrade-Chef Markolf Heimann unserer Idee eines „Gipfeltreffens“ beider Luxus-Marken an ihren Standorten am Genfer See und im nahegelegenen Kanton Wallis mit ein paar wohlwollenden Anrufen bereitwillig den letzten, entscheidenden Anstoß. Ein paar Wochen später sitze ich im Auto und nähere mich Plan-les-Ouates vor den Toren Genfs, wohin Dartzeel, ursprünglich in der etwas nördlicher gelegenen Gemeinde Petit-Lancy beheimatet, im letzten Jahr gezogen ist.
Von Luxusuhren und Luxusohren
Als ich dort ankomme, herrscht auf den Straßen emsiges Treiben. Neben Büros entdecke ich Geschäfte und Produktionsstätten. Dreimal dürfen Sie raten, was hier vornehmlich produziert wird: richtig, Luxusuhren!
Plan-les-Ouates hat sich in den letzten Jahren zu einem Mekka der Schweizer Uhrenindustrie entwickelt. Ich lese Namen wie Rolex, Patek Philippe, Vacheron Constantin, Frédérique Constant und Harry Winston. Und mittendrin: Dartzeel Audio. Passt irgendwie, denn neben klanglichen Meriten werden Dartzeels Audiogeräte, die der Hersteller selbst gerne als „Instrumente“ bezeichnet, vor allem wegen ihrer nahezu perfekten Verarbeitung und einer besonders hohen Materialqualität geschätzt.
Firmenreport Dartzeel
Dartzeels Quartier befindet sich in einem modernen, mit großen Glasflächen versehenen Gebäude. Nachdem ich in der taghell ausgeleuchteten Tiefgarage einen der für Dartzeel reservierten Parkplätze angefahren habe, werde ich von CEO Hervé Delétraz und Sales Executive Werner Traber freundlich in Empfang genommen. Falls Sie noch rätseln sollten, was der kryptische Firmenname bedeutet: Es handelt sich um ein Anagramm aus „Delétraz“.
Ein Fahrstuhl bringt uns von der Tiefgarage in die Etage, auf der Dartzeel eine Fläche von etwa 600 lichtdurchfluteten Quadratmetern belegt. Der Gebäudekomplex mit einer Gesamtfläche von fast 100.000 Quadratmetern trägt den Namen „Espace Tourbillon“ in Anlehnung an eine spezielle Vorrichtung teurer Uhren. Als sich die Gelegenheit zum Umzug bot, brauchte Delétraz nicht lange zu überlegen. Als Hersteller der Highend-Liga passt Dartzeel gut in diese noble Umgebung und die neuen Räumlichkeiten bieten geradezu ideale Bedingungen für die Fertigungsabläufe. So befindet sich auf der unteren Ebene eine weitläufige Logistikstation mit Hochregallagern, die eine computergesteuerte Einlagerung aller zugelieferten Bauteile, wie Gehäuse oder Platinen, ermöglichen. Werden diese in der Montage benötigt, kann die EDV sie schnell lokalisieren und an den entsprechenden Arbeitsplatz bringen lassen.
Auf der von Dartzeel genutzten Etage liegen nicht nur die Fertigungsplätze, auch Büros, ein Besprechungszimmer sowie der großzügige Hörraum sind hier zu finden. Verständlicherweise weckt der mein vordringliches Interesse und auch der Hausherr ist sofort bereit, ihn mir zu zeigen. Doch dann staune ich nicht schlecht – es sind die Schallwandler, die meine Verwunderung hervorrufen: Zum einen, weil sie ziemlich groß sind, aber vor allem, weil es sich um ein Paar Klipsch Jubilee 75th Anniversary SE handelt. Die mächtigen Hornlautsprecher (Paarpreis: 55.998 Euro), die sich der amerikanische Hersteller im letzten Jahr zum 75. Firmenjubiläum selbst verordnet hat, habe ich nun nicht im Hörraum von Dartzeel vermutet. Ich hätte eher auf etwas Großes von Wilson Audio, Magico oder natürlich von Stenheim getippt. Letzteres gibt es hier durchaus, doch im Moment steht nun mal die ultimative Steigerung eines Klipschorns im offiziellen Dartzeel-Hörraum.
Verlangt das nicht eher nach einem nicht so wattstarken Röhrenverstärker? Hervé Delétraz lächelt, denn ich bin nicht der erste, dem die Kombination mit zwei Stereoendstufen NHB-108 Model Two fragende Blicke entlockt. Zu Unrecht, wie Delétraz meint. Er selbst sei schon lange ein Freund der amerikanischen Schallwandler und liebe insbesondere deren Fähigkeit, echte Dynamik wiedergeben zu können. Da käme ihnen kaum etwas anders gleich. Und wenn er erst die originale, DSP-gesteuerte Frequenzweiche der Jubilees gegen etwas Dartzeelmäßigeres ersetzt habe, werde auch der letzte Rest der den US-Hörnern nachgesagten rustikalen Gangart verschwunden sein. Außerdem passe die organische, fast röhrensanfte Gangart der NHB-108 gut zu den Jubilees.
Zum Beweis folgt gleich eine Hörprobe: die Orgelversion des „Gnomus“ aus Mussorgskys Bilder einer Ausstellung. Sofort weiß ich, was der Dartzeel-CEO meint: Bis tiefe 18 Hertz übertragen die Klipsch im Bassbereich und das hört oder besser gesagt: fühlt man. Nicht weniger beeindruckt der Realismus, mit dem die Teakholz-furnierten Klipsch Jubilees nicht nur die wild aufspielende Orgel, sondern zugleich die ganze Kirche, die als Aufnahmeort diente, in den Dartzeel-Hörraum beamen. Ich beginne Hervé Delétraz zu verstehen: Mit einer Empfindlichkeit von 107 dB mutiert das Hornsystem an den 150 Watt der Schweizer Endstufen zu nichts weniger als einem Naturerlebnis. Röhrensanft? Das ist wohl eher Ansichtssache.
Dartzeel Audio – wie alles begann
Bevor wir zum obligatorischen Rundgang aufbrechen, möchte ich vom Firmenchef erfahren, was ihn bewogen hat, Dartzeel Audio SA zu gründen. Die Antwort kommt prompt: Schon früh spielten HiFi-Anlagen und Musik im Elternhaus von Delétraz eine Rolle, und bald wurde beides auch zu seiner Leidenschaft. Dazu gesellten sich eine große Portion Neugier, gesundes Selbstbewusstsein und ein ausgeprägtes technisches Verständnis. So kam es, dass der damals gerade zwölfjährige Hervé entschied, dass es an ihm sei, einmal den besten Verstärker der Welt zu bauen.
Das Studium der Elektrotechnik an der École d’Ingénieurs de Genève, das er 1984 abschloss, war dafür sicherlich nicht hinderlich. Doch zunächst sammelte er Erfahrungen im beruflichen Umgang mit Oszilloskopen der Firma LeCroy, die damals im Ruf standen, die weltbesten Geräte ihrer Art zu sein. Eine weitere, einträgliche Episode war der Import von Computern und deren kundenspezifische Konfiguration, bevor Hervé Delétraz schließlich bei der Gemeinde Genf anheuerte, um dort die technische Hotline der IT-Abteilung zu verantworten. Eine Aufgabe, die den jungen Ingenieur nicht wirklich auslastete, sodass er sich wieder verstärkt der Entwicklung von HiFi-Verstärkern zu widmen begann.
In der Folge kam es zu einer intensiven Korrespondenz mit der finnischen Entwicklerlegende Professor Matti Otala, der in seinen Arbeiten die klangschädliche Wirkung exzessiver Gegenkopplung von Audioverstärkern belegt hatte. Auch Delétraz befürwortete den weitgehenden Verzicht auf Über-alles-Gegenkopplung und entwickelte ein Schaltungslayout, das maximal puristisch ausfiel, da er alles seiner Ansicht nach nicht essenziell für die Funktion eines HiFi-Verstärkers Notwendige kurzerhand wegließ. Daraus resultierte eine Schaltung mit extrem kurzem Signalweg, für die er nicht nur erfolgreich ein Patent anmelden, sondern die zugleich Basis für die Stereoendstufe Dartzeel NHB-108 Model One werden sollte – dem ersten kommerziellen Verstärker Dartzeels. „NHB“ steht dabei selbstbewusst für „Nothing Heard Before“.
Der NHB-108 debütierte 2002 auf der „The Home Entertainment“-Audio-Show im New Yorker Hilton Hotel. Das ungewöhnliche Design – goldene Front, rote Kühlkörper und ein Glasdeckel, der das meist in einem dunklen Blau gehaltene Innenleben erkennen lässt – sichert Dartzeel bis heute einen hohen Wiedererkennungswert. Allerdings war es vor allem der natürliche und für einen Transistorverstärker ungewohnt fließende, kohärente Klangcharakter, der die Besucher der Messe aufhorchen ließ. Dazu erwies sich die schmucke Endstufe, mit 2 x 100 Watt an 8 Ohm nominell nicht übermäßig muskulös, ausreichend stabil, um selbst Lautsprecher vom Schlage einer Wilson X-1 Grand Slamm munter anzutreiben. Kurzum, die Geschichte nahm gehörig Fahrt auf und Dartzeel wurde zu einer bekannten Größe im Highend-Audio.
Der Stereoendstufe folgten der Vorverstärker NHB-18NS (65.000 Euro) und ein Vollverstärker, aktuell der CTH-8550 MkII (42.000 Euro). „CTH“ übersetzt sich dabei mit „Close To Heaven“ … 2018 wurde die Stereoendstufe überarbeitet, wobei das markante Äußere weitgehend erhalten blieb. Inzwischen sorgen zwei statt nur ein Paar bipolarer Transistoren für die Verstärkung, weshalb die NHB-108 Model Two nun auch 2 x 150 Watt/8 Ohm leistet und sich vor allem durch gesteigerten Grip im Bassbereich vom Vorgänger abheben soll. Der Preis für das Dartzeels Model Two beträgt aktuell 65.000 Euro.
An der Spitze des Portfolios stehen die Monoverstärker NHB-468, die nicht zuletzt „dank“ der Stärke des Schweizer Franken respektable 265.000 Euro pro Paar kosten. Sie leisten 465 Watt RMS an 8 Ohm und 625 Watt RMS an 4 Ohm und bringen stückweise 70 Kilogramm auf die Waage. Die Verarbeitung ist bei Dartzeel grundsätzlich vom Feinsten, doch die Monos sind diesbezüglich nochmal eine Klasse für sich. Der raffinierte Schliff der Frontplatte macht sie zu regelrechten Schmuckstücken.
Ungewöhnlicher Aufwand wurde auch bei der Kapselung der Trafos getrieben, die in Gehäusen im Stil des Art déco stecken. Allein ihre Entwicklung hat knapp zwei Jahre benötigt, erst dann war Delétraz mit Design und Materialanmutung zufrieden.
Der Einstieg bei Dartzeel beginnt mit einer All-in-One-Lösung, so würden es zumindest andere Hersteller bezeichnen. Bei Dartzeel hört dieser analoge Vollverstärker mit integriertem DAC und Streamingfunktion auf den poetischen Namen „Little Heaven Corner“, oder LHC-208. Inzwischen gibt es auch ihn in einer 27.000 Euro teuren MkII-Version. Fünf analoge und sechs digitale Eingänge, ein dedizierter Kopfhörerverstärker, Verarbeitung digitaler Kost bis DSD256 und PCM 24/384 und 2 x 200 Watt an 8 Ohm sorgen für ausreichende Flexibilität. Die Integration von Tidal und Qobuz sind natürlich Standard. Die Zertifizierung als Roon-Endgerät wird dieser Tage erwartet. Eine interessante Alternative sei es, so berichtet mir Produktionsleiter Loïs Gonnon, den LHC-208 MkII über den Line-Ausgang als digitales Quellgerät zu nutzen. Man habe in letzter Zeit häufiger beobachtet, dass selbst Besitzer aufwendigster und entsprechend teurer Digitalelektronik auf den LHC umgestiegen seien. Tatsächlich werde ich mich später noch von der Stichhaltigkeit dieser Aussage überzeugen können.
Auf den Werkbänken stehen etliche Dartzeel NHB-468 und NHB-108 Model Two, auch einige CTH-8550 warten auf ihre Vollendung. Ein wenig schwindelt mir, als ich mal eben den Wert der hier aufgereihten Verstärker überschlage. Im hinteren Bereich des Raumes steht modernstes Messequipment für Entwicklung, Updates und Reparaturen sowie die finale Prüfung der Verstärkerpretiosen bereit. Sämtliche Verstärker werden zudem an der hauseigenen Anlage gehört und müssen sich Delétraz kritischen Ohren stellen, bevor sie Plan-les-Ouates verlassen dürfen.
Zurück kehren sie selten und wenn, dann meist für ein Update. Reparaturen sind Ausnahmefälle. Ein Dartzeel NHB-108 Model Two beispielsweise sei auf eine Standzeit von gut vierzig Jahre hin konstruiert. Das, so versichert Monsieur Delétraz, schließe auch die Kondensatoren mit ein, deren Austausch bei ähnlich leistungsfähigen Verstärkern üblicherweise ja deutlich früher anstünde.
Über alle ausgelieferten Geräte wird akribisch Buch geführt. Alter, Updates oder auch Reparaturen wären damit jederzeit nachvollziehbar und transparent. Dies sei, erklärt mir Sales-Director Werner Traber, auch eine Absicherung für Käufer und Verkäufer, denn schließlich kursierten auf dem Gebrauchtmarkt nicht wenige Fakes und Repliken, von denen die Mehrzahl aus dem asiatischen Raum stammten. Dann tritt der CEO hinzu und bemerkt lächelnd, dass Dartzeels Kunden ihre „Instrumente“ aber nur sehr selten verkaufen, in der Regel würden sie vererbt.
Was noch kommt
Am Nachmittag verlassen wir Plan-les-Ouates und fahren zu Hervé Delétraz nahegelegenem Privathaus. Nicht ohne Grund, denn im Keller hat er sich seinen über die Jahre akustisch optimierten Hörraum eingerichtet. Dass wir kurz darauf vor zwei Klipschhörnern stehen, überrascht mich inzwischen nicht mehr. Wohl aber, dass der Hausherr die Basshörner mit künstlichen Ecken versehen hat, wodurch sie ganz normal im Raum positioniert werden können. Zwecks vertikalem Bi-Amping sind auch sie mit zwei Dartzeel NHB-108 Model Two verkabelt. Die Vorverstärkung obliegt einer NHB-18NS.
Wir sind hier, weil der Dartzeel-Chef mir seine neueste Kreation vorführen will. Nach dem digitalkompetenten LHC-208 MkII folgt nun, der analogen DNA Dartzeels verhaftet, ein MC-Tonabnehmer Step 1. Das selbstverständlich in der Schweiz gefertigte System soll mitsamt maßgeschneidertem Phonoentzerrer angeboten werden und höchste audiophilen Ansprüche erfüllen. Dass dieser Spaß seinen Preis haben wird, steht außer Frage. Delétraz avisiert einen VK nahe 50.000 Euro. Das ist mal eine Hausnummer, denke ich, als sich der Diamant des Edel-Tonabnehmers ins Vinyl versenkt.
La fabuleuse histoire de Mister Swing ist die live aufgenommene Scheibe des französischen Barden Michel Jonasz betitelt, eine handelsübliche Pressung wird mir versichert. Was ich allerdings sofort in Zweifel ziehe, denn Bläsersätze, Gitarrenriffs und Schlagzeug werden mit solch dynamischer Vehemenz in den Hörraum projiziert, dass man viel eher an eine perfekte Masterbandkopie glauben mag, mindestens aber an eine exklusive 45er-Pressung. „Nein, nein, wirklich nichts Audiophiles, eine ganz normale LP“, beharrt Delétraz, während Chansonier Jonasz berückend emotional ins Mikro schmachtet. Was für eine intensive Bühnenpräsenz … Dabei benutzt Delétraz gar kein megateures Weltklasselaufwerke, sondern einen modifizierten Thorens TD 124 mit EMT-Tonarm.
Für weniger betuchte Analogfreunde wird es später auch Systeme unterhalb des Top-MCs geben sowie eine kleinere Phonostufe, die einen Großteil der von der Spitzenkombi demonstrierten Tugenden mit dieser teilen sollen, so der Dartzeel-Chef. Das lässt hoffen! Und jetzt auf nach Stenheim …
Firmenbericht: Dartzeel und Stenheim Audio