Da wir noch reichlich Vinyl auflegten, wurde der Abend lang und länger. Irgendwie gelingt es mir am nächsten Morgen dennoch pünktlich um acht aufzubrechen. Das Ziel heißt Vétroz, eine dörfliche Gemeinde nahe der Stadt Sion, im deutschen Sprachgebrauch auch Sitten genannt. Bekannte Wintersportdestinationen wie Zermatt, Saas Fee, Verbier oder Crans-Montana sind nicht weit und die Berggipfel respekteinflößend hoch.
Hier, umgeben von Weinreben und dem Bergpanorama der Walliser Alpen, befinden sich die Fertigungsanlagen von Stenheim Audio, wo der Lautsprecherhersteller im ersten Stock eines äußerlich schlichten Zweckbaus residiert. Dort erwartet mich bereits Jean-Pascal Panchard, der seit 2013 alleiniger Eigentümer von Stenheim ist.
Kurz zur Historie: Eine aus dem Umfeld von Goldmund stammende Gründergemeinschaft hatten das Unternehmen 2010 ins Leben gerufen. 2011 debütierte man mit dem Monitorlautsprecher Alumine Two (ab 15.000 Euro/Paar), dessen Gehäuse vollständig aus Aluminium gefertigt wurde. Die Pläne für einen großen Referenzlautsprecher lagen bereits in der Schublade, da trafen die Eigentümer die Entscheidung, sich einem anderen Projekt zu widmen. Panchard, zu dieser Zeit Berater bei Nagra mit Zuständigkeit für die HiFi-Sparte und seit langem ein Verfechter von Aluminium-Kabinetten im Lautsprecherbau, nutzte die Gelegenheit und übernahm Stenheim Audio. Zunächst baut er das Programm nach oben aus, realisiert 2014 die Stenheim Reference (heute Reference Ultime Three, Preis um 250.000 Euro) und erklimmt kurz darauf mit dem Topmodell Reference Statement den Highend-Olymp, ein aus vier Säulen bestehendes System mit einem Gesamtgewicht von gut 1,2 Tonnen und eine gute halbe Million Schweizer Franken „schwer“.
In 2016 folgt die Alumine Five (ab 72.000 Euro) und zwei Jahre später deren SE-Version (83.000 Euro). Mit teuren und besseren Bauteilen versehen, kann die Signature Edition das klangliche Ergebnis weiter optimieren. 2019 ergänzt Panchard die Alumine-Serie schließlich um die wohnraumfreundlichere Alumine Three. Den erzwungenen Dornröschenschlaf während der Pandemie nutzt man zur Entwicklung der Reference Ultime Two (Preis um 180.000 Euro), mit der man sich 2021 lautstark zurückmeldet.
Im letzten Jahr stellte Stenheim zur Ergänzung der Alumine Standlautsprecher die zierlichere Alumine Two.Five auf der Münchener High End vor und verblüffte die Besucher. So viel akustisches Volumen aus einer nicht einmal einen Meter hohen und relativ schlanken Box ist nicht oft zu vernehmen. Portokassenkompatibel ist der dafür geforderte Preis allerdings nicht, immerhin 26.000 Euro sind für ein Paar Two.Five zu begleichen.
Nicht nur klanglich, auch beim Gewicht erweisen sich die handlichen Two.Five als wahre Stenheims, denn ein Paar bringt gut 100 Kilogramm auf die Waage. Klar, Stenheim baut seine Kabinette aus massiven Aluminiumplatten, was allein schon einen Großteil des stattlichen Gewichts bedingen dürfte. Dazu kommen spezielle Dämpfungstechniken wie thermoaktive, dauerelastische Klebefolien und bitumenartige Zuschnitte, die etwaigen Schwingungen den Garaus machen sollen. Aufwendige Verstrebungen und gesicherte Schraubverbindungen besorgen den Rest.
Stenheims Lautsprecher gehen grundsätzlich sehr genügsam mit der Verstärkerleistung um. Selbst die Alumine Two weist einen Wirkungsgrad von 93 dB/1W/1m auf. Die Lautsprecher der Reference Ultime bringen es sogar auf bis zu 96dB /1W/1m. Dazu gesellt sich ein gutmütiger Impedanzverlauf, der im Falle der Two 6 Ohm nicht unterschreitet. Spezifikationen, die den Betrieb selbst an nicht besonders leistungsstarker, häufig aber umso feiner aufspielender Elektronik zulassen, wobei ausdrücklich auch Röhrenverstärker in die engere Wahl einbezogen werden dürfen. Als ein Grund dafür führt der Stenheim-Chef an, dass man bestrebt sei, jedes Chassis auf seinen speziellen Einsatzbereich hin zu optimieren. Daher benötige man im Signalweg letztlich nur sehr wenige Bauteile, was elektrischen Verluste minimiere und den Wirkungsgrad nicht unnötig belaste.
Stenheim-Lautsprecher haben inzwischen so manchen internationalen Preis einheimsen können. Golden Ear, Product oft the year , Editors Choice … Zu Kopf gestiegen sind die Ehrungen den sympathischen Schweizern wohl nicht: Sicher sei man auf solche Auszeichnungen stolz, schließlich spiegeln sie wider, dass man als Marke wahrgenommen und geschätzt werde, doch sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen sei keine Option, so Panchard.
Die folgende Führung über die gut 800 Quadratmeter der Etage beinhaltet auch das umfangreiche Teilelager, das infolge der Erfahrungen in der Pandemie zuletzt deutlich erweitert wurde. Damit sollen sich Lieferengpässe, wie sie nach der Pandemie nicht nur die HiFi-Branche beklagte, zukünftig weitgehend vermeiden lassen.
Unterwegs lerne ich Stenheims Commercial Director Christoph Savioz und den CTO Dario Biner kennen. Ersterer hat zuvor für einen Schweizer Uhrenhersteller viele Jahre in Japan gearbeitet und soll nun vor allem den wichtigen asiatischen Markt im Auge behalten. Der für Technik und Entwicklung verantwortliche Biner ist ein junger Ingenieur, dem man seine Begeisterung für Highend-Audio sofort abnimmt. Er entlastet Panchard bei vielen konstruktiven Aufgaben und ermöglicht dem CEO so, ausreichend Zeit für organisatorisches, aber auch visionäres Schaffen zur Verfügung zu haben. Ein Luxus, der in den letzten Jahren oft zu kurz gekommen sei, wie Planchard bemerkt.
Stenheim Audio – es darf gehört werden
Selbstverständlich existiert auch bei Stenheim ein dedizierter Hörraum, akustisch behandelt und geeignet, alten und neuen Modellen gehörig auf den Zahn zu fühlen. Ich schätze den wohnlich gestalteten Raum auf etwa 60 Quadratmeter, wobei die stattliche Höhe für ein nicht zu knappes Raumvolumen sorgt. Für die größeren Schallwandler aus der Ultime-Serie reiche es dennoch nicht aus, erklärt mir Jean-Pascal Panchard. Die Referenz-Lautsprecher würden daher im großzügigeren Studio eines befreundeten Tonmeisters aufgebaut und getestet.
Die hier versammelte Elektronik dürfte die Herzen der meisten Audiophilen höherschlagen lassen. Neben Amps von Dartzeel finden sich auch solche von Nagra, CH Precision und Neukomm. Das Laufwerk stammt aus der Werkstatt von Thales, deren Eigentümer, der Schweizer Analogspezialist Micha Huber, kürzlich nicht nur EMT unter seine Fittiche genommen hat, sondern auch dabei ist, mit seinen X-quisite-Tonabnehmern den Markt hochpreisiger Systeme ins Visier zu nehmen.
Wir entscheiden uns für Dartzeels Integrierten CTH-8550 und streamen über den LHC-208 MkII, der sich im Verlauf als ernstzunehmende digitale Quelle beweisen kann (Chapeau Lorin!). Die Hörsession beginnt mit den Stenheim Two.Five, die mit tonaler Akkuratesse, solidem Grundton und für ihr Format durchaus nennenswertem Tiefgang aufwarten. Man mag kaum glauben, dass die handlich wirkenden Schallwandler, denen ich im optionalen Bicolor-Outfit alle Chancen einräume, auch die weibliche Zuhörerschaft für sich einzunehmen, zu dieser souveränen Vorstellung fähig sind.
Dass es noch besser geht, wird deutlich, nachdem auf die beiden größeren Modelle der Alumine Line, Model Three und Model Five SE, gewechselt wird. Die Alumine Three dürfen sich sogar als meine persönlichen Preis-Leistungssieger betrachten, denn ihr Bass kommt am besten mit dem Hörraum zurecht, wobei sie dynamisch ähnlich munter wie ihre größeren Pendants zur Sache gehen und mit einer wunderbar weiträumiger Bühnenabbildung beeindrucken. Man merkt zwar, dass die Stenheim Five SE alles noch ein wenig lässiger und selbstverständlicher draufhaben und zudem den gewaltigsten Tiefgang der drei Modelle aufbieten, doch das könnte – je nach Hörraum natürlich! – am Ende aber sogar eine Spur zu viel des Guten sein.
Letztlich sind die hier versammelten Stenheims allesamt exzellente Schallwandler, die fähig sind, sämtliche Schokoladenseiten der angeschlossenen Verstärkerelektronik auszuspielen. Die Alumine Three möchte ich nach der gelungenen Demo im Stenheim-Hörraum am liebsten direkt einpacken, doch leider ist mein Vorhaben nicht allein wegen des Gewichts der eleganten, immerhin 40.000 Euro teuren Speaker zum Scheitern verurteilt …
Zurück vom Olymp
Auf der Rückfahrt am nächsten Tag habe ich Zeit, meine Gedanken zu ordnen. Auch nüchtern betrachtet lassen sich Hersteller wie Stenheim und Dartzeel mit Rennställen der Formel 1 vergleichen. Hier wie dort dürfte Geld allein kaum die einzige und in der Regel auch nicht die wichtigste Triebfeder sein. Ob es Sinn ergibt, Lautsprecher und Verstärker zu bauen, deren Wert leicht eine Million Euro übersteigt? Wohl eher, als in einem einsitzigen Auto ohne Kofferraum möglichst schnell über eine Rennstrecke zu rasen … Dennoch oder gerade deshalb: Von solchen Szenarien geht eine Faszination aus, die nicht wenige in ihren Bann zieht. Man spürt einfach, dass hier Menschen am Werk sind, die bereit sind, für ihre Vision alles zu geben. Menschen wie Hervé Delétraz und Jean-Pascal Panchard.
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Firmenbericht: Dartzeel und Stenheim Audio