Razorlight – Olympus Sleeping
Der Britpop ist immer noch da. Zehn Jahre nach ihrem letzten Album bringen Razorlight eine neue Platte auf den Markt. Obwohl man denken könnte, dass so langsam die Luft raus sein sollte aus dem Genre, das seine Blüte in den 90er Jahren mit Oasis hatte, ist Sänger und Gitarrist Johnny Borrell immer noch in der Lage, auf Olympus Sleeping eine besondere Energie zu übertragen. Den zweiten Track des Albums „Got to Let the Good Times Back into your Life“ sollte man in der Hinsicht wörtlich nehmen.
Wenn man den Britpop noch gut in Erinnerung hat und vielleicht sogar vermisst, lässt er sich mit diesem Song wieder ins Jetzt holen. Der typische Rock-Sound lässt jedes Instrument glänzen: Sei es der reduzierte, aber brummende Bass in der ersten Strophe, der kecke Gesang darüber, die stürmische Gitarre samt des kurzen, aber intensiven Solos sowie das kraftvolle Schlagzeug. Ja, Razorlight weiß, wie man gut rockt. „Brighton Pier“ ist ein weiteres Exempel für die Songwriter-Qualitäten der Band. Sei es der lockere Anschlag der Gitarre oder der erzählende Gesang – Borrell weckt mit seiner Energie Gefühle von Sorglosigkeit. Und Live dürfte der Song noch überzeugender sein als er es auf Platte schon ist. Die Tour ist schon geplant und steht im nächsten Jahr an. Und obwohl mittlerweile eine Dekade seit Razorlights letzter Veröffentlichung vergangen ist, heißt das nicht, dass die Band aus der Übung geraten ist.
Frontman Borrell hat die Band-Pause zum Beispiel genutzt, um Soloalben zu veröffentlichen. Durch die überschaubaren Verkaufszahlen seiner ersten Veröffentlichung 2013 entstand daraus aber keine wirkliche Solokarriere. Er half außerdem, eine Band für – ebenfalls aufgewachsen in der Londoner Musikszene – Florence + the Machine zusammenzustellen und spielte dort Keyboards. Aber auch andere Namen treten in seiner Biografie immer wieder auf den Plan – mit Pete Doherty verband ihn schon früh eine Freundschaft, die durch dessen Band The Libertines schließlich dazu führte, dass Borrell 2002 seine eigene Formation zusammenstellte. Gut, dass der Musiker auch 16 Jahre später immer noch auf das Projekt zurückgreift.
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Thom Yorke – Suspiria
Thom Yorke – der Frontman von Radiohead – hat schon immer nebenbei seine eigenen Musik-Projekte verfolgt. Dabei wurde es in seinen Solo-Veröffentlichungen elektronischer als mit seiner gitarrenlastigen Band. Für die Neuverfilmung des italienischen Horrorfilms „Suspiria“ komponierte Thom Yorke nun die Musik. Damit hat er ein schweres Erbe angetreten, denn der Original-Soundtrack wurde von der italienischen Progressive-Rock-Band Goblin geschrieben und gilt inzwischen als legendär.
Man kann annehmen, dass er einige Titel wie etwa „Suspirium“ an den Goblin-Soundtrack anlehnt. Dort hieß das Titelstück „Suspiria“: Es baut sich mit einem Tasteninstrument am Anfang zum Prog-Stück auf, bei dem die Band ab Songmitte in voller Besetzung spielt. Musikalisch ist das bei Thom Yorke allerdings ganz anders, „Suspirium“ ist mit seinem Gesang und ruhiger, raumfüllender Klavierbegleitung unaufgeregter. Thom Yorkes hohe Stimme ist markant und berührt durch die zurückgenommene Begleitung, in die sich manchmal Flötentöne mischen. Auf dem Soundtrack verschwimmen die einzelnen Songs und man kann sich durch die unterschiedlichen Stimmungen, die Yorke erzeugt, gut vorstellen, dass sie in einen bildgewaltigen Horrorfilm passen. Er bedient sich kosmischen Klängen, die an Meditationsmusik aus Klöstern erinnern und Spannung aufbauen. In „Has Ended“ setzt in diese atmosphärischen Klänge schließlich ein Schlagzeug-Beat ein und Yorke singt aus der Ferne und mehrstimmig darüber. Besonders schön ist dabei die Bass-Begleitung, die das Stück in hüpfenden Läufen auflockert.
Dass Yorke auf dem Soundtrack nicht ganz so elektronisch klingt, wie auf seinen vorherigen Solo-Veröffentlichungen und Instrumente wie Gitarre, Klavier, Bass, Schlagzeug, aber auch ein Kirchenchor („Sabbath Incantation“) zum Zuge kommen, ist angenehm und mit Seitenblick auf den Original-Soundtrack angemessen. Zwar gibt’s viel Synthesizer, gleichwohl könnte die Musik auch aus dem Jahr 1977 stammen. Die 25 Tracks, von denen einige nur knapp eine Minute gehen, funktionieren deshalb als bereichernde Musik, die eine unheimliche, schaurige und bezaubernde Suspiria-Atmosphäre in die eigenen vier Wände transportiert.
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Charles Bradley – Black Velvet
Der Screaming Eagle of Soul schreit auf Black Velvet noch ein letztes Mal – Charles Bradley, der wegen seiner markanten Stimme unter dem Namen des schreienden Adlers bekannt wurde, verstarb im Herbst letzten Jahres. Für das neue Album Black Velvet wählte man Songs aus, die zu Lebzeiten während Bradleys Aufnahmen für seine ersten drei Alben entstanden. Die Stimmungen auf den Soul-Nummern sind durch die verschiedenen Studio-Sessions, aus denen sie stammen, abwechslungsreich und die Arrangements der Menahan Street Band unterschiedlich. Manchmal mischt sich ein Cover wie Nirvanas „Stay Away“ oder ein Duett in die Songauswahl.
Der Track „Luv Jones“ ist zum Beispiel ein schnittiges Funk-Duett mit LaRose Jackson, mit der Bradley im Jahr 2014 aufnahm. Hier wird die Besonderheit von Bradleys Stimme ganz deutlich: Wenn er nach der Hälfte des Vier-Minuten Songs einsetzt, durchdringt einen seine kratzige und hohe Stimme förmlich. Bradley schafft es mit seinem charakteristischen Gesang, Schmerz und Hoffnung zugleich einzufangen. Das schwungvolle Lied mit explosiven Bläsern ist eines der Highlights des Albums, das in den letzten Tracks etwas an Energie verliert.
Was jedoch immer beeindruckt, ist Bradleys Stimme. Beim Hören der Songs kann man gar nicht glauben, dass Bradleys Erfolg erst so spät einsetzte. Jahrzehntelang kochte er oder performte nachts als James Brown Double in Brooklyns Bars, wo er schließlich von einem Agenten von Daptone Records entdeckt wurde. Das Label ist immer noch die Adresse für Retro-Soul-Musik und feierte seinen größten Erfolg mit Songs wie „Rehab“ von Amy Winehouse, die sie im Daptone-Records-Studio aufnahm. Bradley kam erst nach Winehouses Erfolg ins richtige Musikgeschäft und veröffentlichte 2011 mit 62 Jahren sein Debutalbum. Er wurde schnell zum Soul-Star und begann sein neues Leben auf Tour. Selbst während seiner Krankheit stand er auf der Bühne, bis es nicht mehr ging. Diesen November wäre er 70 Jahre alt geworden.
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