„Funky Blasmusik“ titelten wir vor drei Jahren angesichts des gutgelaunten Debüts eines jungen Blechblassextetts aus Erpfenhausen, dessen Heimatort Namensgeber der Genrekreation „Erpfensound“ ist – einer Kombination aus Funkgrooves mit traditioneller Blasmusik. Diese unkonventionelle Mixtur ist mindestens genauso mitreißend wild, überwältigend komisch und schreiend kunterbunt wie die Anzüge, die das bevorzugte Bühnenoutfit der Kapelle sind. Und was solcherart auf Hart Verzwungen Vol. 1 seinen Anfang nahm, findet auf Vol. 2 konsequent Fortsetzung, feingeschliffen durch fünfhundert weitere Auftritte, die sogar bis nach Indien führten und den Bandsound mit Popklängen und Balkanbeats anreicherten – wie auch mit Gastmusiker Tómas Pérez, der im wirklichen Leben eine Professur für Percussion an der Hochschule für Musik in Würzburg innehat.
Hart Verzwungen Vol. 2 startet dank dem sinnigerweise als „Opener“ betitelten Opener mit einem Paukenschlag, der den Startschuss zu einem smoothen Wohlfühlgroove mit überraschend knackigem, funky Sechzehntel ablieferndem Bläsersatz abgibt, der bezeichnend für den Rest der Platte sein soll. Mancherlei Solieren und Wiederzusammenfinden, zu dem sich die Gasttrompete des bigbanderprobten Claus Löhr gesellt, sowie ein höchst einprägsames Motiv machen glauben, man lausche einer Samstagnachtshowbegleitband – wäre da nicht diese halb folkloristisch, halb humoristisch vor sich hinbrummende Tuba!
Auf dem Folgetrack dagegen erinnern die Bläser mal an „Shaft“, mal gar an den „Final Countdown“, als unternähme die Band, inklusive der schon auf dem Vorgängeralbum goutierten, knochentrockenen Funkgitarre, einen gemütlichen Spaziergang quer durch die Popgeschichte. Egal wo man hinhört, überall scheinen tausend Zitate zu lauern! Tatsächlich haben wir es hier mit dem anspielungsreichen Neuarrangement von Bill Contis Rocky-Thema „Gonna Fly Now“ zu tun, während „Pisa“ zunächst mit der Klangkulisse einer eleganten Cocktailparty besticht, bis auch hier ein legerer Hängemattengroove übernimmt, verstärkt noch durch den lässigen Gesang Jan Jägers, der an den Soulpop von ebene b denken lässt, sich manchmal aber auch gefährlich nah entlang der sogenannten Deutschpoeten wie Tim Bendzko, Clueso oder Philipp Poisel (Verweislink gibt’s aus gutem Grund nicht) bewegt.
Da lob ich mir lieber den „Samba de Cidra“, der mich vom Schreibtisch an die Copacabana versetzt, alldieweil der Black Eyed Peas-Hit „I Gotta Feeling“ hier im semiweihnachtlichen Klingglöckchensound daherkommt. Funky, aber durch das lockere, geradezu wie unbeabsichtigt wirkende Gepfeife auch wieder sehr, sehr entspannt klingt das vorab als Single veröffentlichte „Wirklich“ mit Bassist und Komponist Andreas Schmid an den Vocals. Und doch werde ich mit diesen Deutschpopnummern nicht wirklich warm – denke ich während der Strophe, aber dann kommt auch schon der Ohrwurmrefrain und packt mich mit Gewalt. Im Geiste höre ich ihn sommers aus allen Cabrios schallen, aus den urbanen Strandbars und Straßencafés, denn genau da gehört er hin.
Wem poppige Sommerhits zu weichgespült dünken, wird von „Sneaky“ regelrecht angebrüllt: Nimm diesen geslappten Marcus-Miller-Gedächtnisbass! Und ja, den nehmen wir gern, vor allem, wenn er als Intro zu einer Nummer dient, die alles hat, was Balkansounds so unwiderstehlich macht: den dezent nahöstlichen Karawanengroove, das Überbordende in Moll, die verstimmten Bläsersätze und nicht zuletzt eine zum Heulen schöne Melodie. Die erhitzten Gemüter beruhigen sich bei der epischen Brass-Ballade „Maté Is Gone“, wohingegen auf „Olé Olé“ wieder ein bisschen „Shaft“ durchscheint. Gepaart mit einem Quäntchen Latinjazz, zu dem Special Guest Alex Schultz seine Gitarre aufheulen lässt, kann man sich den Gesang von Jan Jäger durchaus gefallen lassen, denn das hier ist kein Deutschpop, das ist Deutschfunk!
Mit Michael Jacksons hymnischen „Earth Song“ kann man ohnehin wenig falsch machen – wobei auf das Glöckchen beim Chorus-Auftakt gern hätte verzichtet werden können, streift es doch – wie ohnehin der von Neuschlagzeuger Alexander Parzhuber hier fabrizierte Groove – schon arg die Kitschgrenze. Der Bonustrack „Brennberg“ versöhnt derweil wieder als alpine Humoreske in Triobesetzung mit Trompete, Posaune und Tuba. Alle Stücke der Platte stammen aus der Feder von Bassist Andreas Schmid, bis auf die drei Cover-Songs – und dieses hier, das im Sinne einer Hommage auf eine bekannte Komposition des verstorbenen Volksmusikers Peter Zauner zurückgeht.
Ein Schmankerl sind die beiden Hidden Tracks, die vom Soundtrack des brandneuen schwäbischen Kinofilms „Laible & Frisch – Do goht dr Doig“ („Da geht der Teig“) stammen, in welchem die Band sogar ein Gastspiel gibt. Während „Frisch’s Theme“ als fröhlicher Rausschmeißer – wie schon „Halbe rein“ auf dem Vorgängeralbum – dienen könnte, zaubert „Genossenschaft“ mit seinen Akustikgitarrenklängen und den sich später hinzugesellenden Streichern eine Art Kammererpfensound. Doch wenn sich die Band nicht gerade in stimmungsmalerischer Filmmusik ergeht, gilt auch für dieses Album: Blasmusik aus Erpfenhausen ist vor allem immer noch eins: funky.
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