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Mittlerweile habe ich verstanden, dass Enrico Rossi seine Hifi-Geräte nicht einfach nur entwickelt, sondern in den kleinsten Nuancen erforscht und vor allem dabei immer wieder hört, hört, hört. Bis das Gebotene dem nahekommt, was man wohl musikalisch-emotionale Transparenz nennen kann. Warum aber also nicht der Weg zum Musiker in einem hochklassigen Orchester, sondern zum Entwickler und Hersteller von High-End-Geräten.
„Eigentlich habe ich in der Schule etwas ganz anderes gemacht. Mein Vater war einfacher Bauarbeiter, und ich sollte Vermessungstechniker werden. Doch in den letzten Schuljahren merkte ich, dass mein Herz an der Elektrotechnik hing – und an der Musik. Während meine Klassenkameraden unter den Tischen Nacktheftchen austauschten, blätterte ich in Hifi-Magazinen.“ Und wie kam’s dazu, frage ich natürlich prompt angesichts solcher ungewöhnlicher Vorgänge. „Ich bekam zu meinem zehnten Geburtstag einen Kassettenrecorder geschenkt, den ich dann gleich mal modifiziert habe. Ich habe für die Aufnahme und das Abspielen die Bandgeschwindigkeit von 4,75 Zentimeter pro Sekunde auf 9,5 Zentimeter pro Sekunde verdoppelt. Damit es – so meine Theorie – weniger Rauschen gibt.“ Und wann und wo kam die Musik und die Liebe dazu konkret ins Spiel? Wie aus der Pistole geschossen antwortet Enrico: „Mein erster Besuch im Konzertsaal als Kind. Ich saß im allerobersten Balkon und hörte ein Konzert mit Piano und Violine – ich war wie verzaubert!“
Von da an war der Weg quasi vorgezeichnet. An die Schulzeit in Cremona knüpft sich das Studium der Elektronik in Mailand an – und im Jahr 1987 kam Enrico Rossi schließlich zurück in seine Heimatstadt. Dort ist ein gewisser Dr. Emilio Farina, seines Zeichens Chefarzt der Psychiatrie im städtischen Klinikum, gerade dabei, seine Herzensangelegenheit HiFi zum zweiten Standbein zu machen und gründet im selben Jahr die Firma Norma Audio Electronics. Von Beginn an hilft Enrico Rossi beim Design der Geräte mit, allerdings eher als externer Berater. Erst 1991 steigt er voll bei Norma Audio ein, zeitgleich mit dem Kauf der Firma durch Opal Electronics – und dann steht erst mal die Produktion für sechs Jahre still. „Wir haben uns lange Zeit genommen, zu entwickeln, zu hören und immer wieder zu modifizieren, bis wir genau den Klang und die emotionale Transparenz erreicht hatten, die wir uns wünschten.“ 1997 kommen dann die Vorstufe SC-1 und die Endstufe 7.1 (nein, keine Multikanalendstufe, die 7.1 bezieht sich auf die Höhe der Front in Zentimeter) unter dem Markennamen Norma Audio Electronics auf den Markt und finden in der Heimat großen Zuspruch.
Im Laufe der beiden darauffolgenden Jahre übernimmt Enrico Rossi die Firmenführung komplett, da Dr. Farina immer stärker mit seiner Arbeit im Klinikum ausgelastet ist und ihm schlichtweg die Zeit fehlt, sich um seine Gründung zu kümmern. Seitdem läuft Norma Audio quasi als Familienbetrieb – und das sehr gut, denn die Produkte aus Cremona werden heute in 18 Ländern vertrieben.
Was nun, Norma?
Was steht denn so als nächstes auf dem Plan von Norma Audio? Enrico scheint sich nicht ganz sicher, mit welchen Infos er schon herausrücken mag, wird dann aber zumindest halbkonkret: „Einerseits möchten wir die kompakte HS-Serie komplettieren, also eine Endstufe und perspektivisch auch einen CD-Player im Halbformatgehäuse anbieten. Andererseits träume ich schon seit langem von einer ‚Absoluten Digitalquelle’, die sowohl DSD- als auch PCM-Dateien ohne Kompromisse wiedergeben kann. Es darf dabei keinen DSD/PCM-Konverter geben. Ich möchte also – analog zur Fotografie – einen Apparat, der schwarz-weiß ebenso gut wie Farbbilder machen kann, ohne dass die Schwarz-Weiß-Fotos nur die Bilder ohne Farbinformationen sind.“
Aber sind denn CD-Player in der Klasse um (geschätzte) 2.000 Euro eigentlich noch eine sinnvolle Entwicklung? „Es gibt Länder, in denen CD-Spieler nach wie vor stark nachgefragt werden und in denen wir auch einen Großteil unseres Absatzes realisieren: China, die USA, Korea, und nicht zuletzt auch in Italien selbst.“
Und Streaming ist kein Thema? „Im Prinzip schon, die Nachfrage spüren wir und die Technologie dazu ist nicht wirklich komplex oder schwierig zu handhaben. Allerdings gibt es dabei für mich zwei Gründe, diesen Schritt (noch) nicht zu gehen. Auf der einen Seite sind da die horrenden Lizenzgebühren für alle möglichen Formate sowie die Updates, die wir natürlich zur Verfügung stellen müssten, um wettbewerbsfähig zu sein. Nicht zu vergessen ist natürlich der damit verbundene, notwendig werdende intensivere Customer Service, denn erfahrungsgemäß haben viele Kunden noch immer Probleme beim Betrieb und der Inbetriebnahme von Streaminglösungen. Das wäre für eine Firma wie Norma Audio eine Investition, die wir lieber anderweitig einsetzen wollen.“ Und er fährt fort: „Denn auf der anderen Seite gehen in unseren Hörtests die CD-Spieler regelmäßig als Gewinner im direkten Vergleich mit dem Streaming im 44,1-kHz/16-Bit-Format hervor. Allerdings sehe ich auch viele der sogenannten High-Res-Files durchaus kritisch. Oft handelt es sich ja nur um hochgesampelte Redbook-Aufnahmen, und ich kann sie daher meist nicht als musikalisch ansprechender empfinden als die CD. Nehmen wir zum Beispiel mal „The Girl from Ipanema“: Nach wie vor klingt die originale CD-Ausgabe am besten, selbst im Vergleich zu der SACD-Ausgabe oder HighRes-Downloads im PCM-Format. Die Praxis widerlegt die Theorie in diesem Fall, insbesondere, wenn es um die räumliche Abbildung des Geschehens auf der virtuellen Bühne geht.“
Krönender Abschluss
Normalerweise geht mit dem verabschiedenden Händedruck der Besuch bei einem Hersteller zu Ende. Nicht so bei Enrico Rossi und Norma Audio. „Ich habe Karten für ein Konzert im Museo del Violini heute Abend. Ihr kommt doch mit?“ Wie könnten wir nein sagen! Schließlich ist das Giovanni Arvedi Auditorium meines Erachtens einer der schönsten modernen Säle der Welt. Die geschwungenen Formen der Tribünen, die geradezu willkürlich anmutende Anordnung der Sitzreihen, die Kombination zwischen alter und neuer Bausubstanz, die leicht trockene, aber dafür unglaublich unmittelbare Akustik – was für ein Raum! Zudem stehen an diesem Abend Vivaldi, Händel und Pergolesi auf dem Programm, besetzt mit Cembalo, Laute, vier Violinen, Viola, Cello und Kontrabass sowie Gesang. Nicht vergessen zu erwähnen darf ich, dass wir Plätze in der Mitte der zweiten Reihe haben. Und liebe Leser, ich kann nicht anders als ein Tränchen verdrücken, wenn ich an diesen wunderbaren, bezaubernden, magischen, höchst emotionalen Abend mit unglaublich passionierten Musikern und einem wahnsinnig begeisterungsfähigen Publikum zurückdenke. Dieser Abschluss eines denkwürdigen Tages, einer Reise nicht nur nach Cremona, nach Italien, sondern auch in die Geschichte von Cremona, von Giuseppe Verdi und dem UNESCO-Weltkulturerbe der cremoneser Instrumentenbaukunst („Saperi e saper fare liutario della tradizione cremonese“) zu den emotionalen Wurzeln des Musizierens und Musikhörens sowie in letzter Konsequenz auch einer Reise in die Leidenschaft des Entwicklers und Musikliebhabers Enrico Rossi. Dieser Abschluss wird mir sehr, sehr lange im Gedächtnis bleiben. Und nicht nur mir. Ich möchte daher nicht mit meinen eigenen Worten schließen, sondern mit einer Nachricht, die meine Freundin nach unserer Reise an Enrico richtete: „Enrico, thank you for the beautiful day, it was one of the most meaningful experiences I had in my life!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ansprechpartner/Vertrieb für Norma Audio in Deutschland:
AUDIOPLAN Thomas Kühn e.K.
Goethestraße 27 | 76316 Malsch
Telefon: 07246 – 1751
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Web: www.audioplan.de
Firmenbericht: Besuch bei Norma Audio in Cremona