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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Emotionale Transzendenz auf Italienisch

„Wer Musik macht, produziert und transportiert Emotion – einzigartig in diesem Moment und nie wieder im Original so reproduzierbar. Diese Emotion wird im Konzert unmittelbar vom Musiker zum Rezipienten übertragen und ist die wichtigste Botschaft von Musik. Jedes Element, das diesen Transport mittelbarer macht – insbesondere auch Hifi-Geräte – trägt dazu bei, die emotionale Erfahrung des Rezipienten zu schmälern. Ich versuche, mit meinen Geräten die Mittelbarkeit der Gefühlsübertragung vom Produzenten auf den Rezipienten während der Musikwiedergabe auf ein Minimum zu beschränken.“

Eigentlich ist damit schon alles über den Antrieb von Enrico Rossi – dem Inhaber und Chefentwickler von Norma Audio Electronics (deutscher Vertrieb: https://audioplan.de) –, Verstärker und digitale Quellgeräte zu bauen,  gesagt. Und doch steckt schon hinter dieser so einfach nachvollziehbaren und einleuchtenden Prämisse unendlich viel mehr, als es scheint – messtechnische Perfektion alleine jedenfalls genügt Signore Rossi nicht. Ich war neugierig, wie der Hersteller meiner privaten Vor-Endstufen-Kombination aus Norma Audio Revo SC-2/DAC und PA 160 MR Monoblöcken sich dieser Aufgabenstellung in praxi nähert und wie er sie umsetzt. Eine Reise nach Cremona, dem Firmensitz von Norma Audio, einer seit über 30 Jahre bestehenden Hifi-Firma, sollte dieser Frage Antworten gegenüberstellen – ganz effizient im Rahmen eines Urlaubs im schönsten Land der Welt, zusammen mit meiner besseren Hälfte. Denn diese Gegend des Landes besitzt nicht nur unentdeckte kulturelle und kulinarische Reize, sondern eben auch eine, sogar für viele Enthusiasten, bisher unentdeckte Perle der Hifi-Welt. Nicht umsonst haben die Verstärker von Norma Audio bereits zweimal einen fairaudio’s favourite Award einheimsen können (Norma Audio Revo Sc-2 DAC und PA-160 MR sowie Norma Audio Revo IPA 140). Nicht schlecht für einen so kleinen (neben Enrico Rossi arbeiten noch vier weitere Mitarbeiter sowie aushilfsweise einige Studenten für Norma Audio), aber gleichwohl eben besonders feinen Hersteller. Die erhofften Antworten bekam ich – wenn auch auf eine etwas andere Art und Weise kredenzt, als ich mir das vorab vorgestellt hatte …

Norma Audio Vollverstärker

Vollverstärker Norma Revo IPA 140

Norma Audio Vor-End-Kombi

Vor/Endverstärker-Kombination Norma Audio Revo SC-2 und PA 160 MR

„Wir treffen uns morgen um 10:00 Uhr in der Via Virgilio 1“, schreibt mir Enrico Rossi per Whatsapp, nachdem wir in einem wunderschönen Agriturismo am Rande von Cremona angekommen waren. Das ist aber nicht der Firmensitz von Norma Audio, denke ich, der liegt nämlich einige Kilometer nördlich von Cremona. Wo Enrico Rossi uns hinbestellt hat, ist vielmehr eine Adresse mitten in der Altstadt der kleinen Stadt in der Lombardei, gelegen etwas südlich der Achse Mailand-Verona inmitten der Po-Ebene. Trotz der überschaubaren Größe (gerademal 72.000 Einwohner zählt das Städtchen) dürfte es wohl kaum einen Musikfreund geben, der nicht schon mal davon gehört hat. Das hat zwei Hauptgründe.

Nummer eins: Giuseppe Verdi, einer der bedeutendsten Komponisten des 19. Jahrhunderts, wurde unweit von Cremona in einem Dorf namens Busseto geboren und lebte auch in der Gegend – dazu später mehr. Nummer zwei und die eigentliche Legende: Cremona ist die Geburts- und war die Wirkungsstätte von Antonio Stradivari, des wohl berühmtesten Violinenbauers aller Zeiten. Und nicht nur er stammt aus Cremona, auch der kaum weniger bekannte Guarneri de Gesù sowie Nicolò Amati haben cremonesische Wurzeln und bauten ihre Instrumente ebenda. Diese Tradition hat sich bis heute erhalten und Cremona zum inoffiziellen Zentrum der europäischen Instrumentenbaukunst werden lassen – mit weitreichenden Implikationen für das Kulturleben der Stadt. Auch dazu später noch mehr.

Norma Audio – not your normal company portrait

Norma Audio Firmenbericht Enrico Rossi

Instrumentenbau und Hifi-Entwicklung: Daniele Scolare und Enrico Rossi (rechts)

Nun aber erst mal zurück zur Via Virgilio 1 und einer für einen Firmenbericht vielleicht ungewöhnlichen, nichtsdestotrotz notwendigen Ouvertüre – ich bin mir sicher, Sie werden es nicht bereuen, mich auf dieser ungewöhnlichen Reise nicht nur zu einer Firma, sondern zu den ganz ureigenen Antrieben ihres Lenkers und Vordenkers, Enrico Rossi, zu begleiten.

Ein unscheinbares Tor ohne für den vorbeischlendernden Passanten erkennbares Firmenschild öffnet sich in einen schattigen und kühlen Hofgang, dessen Kopfsteinpflaster uns zu einer weiteren kleinen Tür führt. Man muss schon wissen, wonach man sucht, um diesen Ort zu finden … „Buona sera!“ – „Guten Abend!“ schallt es uns aus einer angenehm nach Holz, Leim und Firnis riechenden Werkstatt entgegen, ungeachtet der frühen Tageszeit. Das sei hier eben so, belehrt mich meine fließend italienisch sprechende Freundin. Ah ja. Der freundlich-fröhliche Empfang ist auf Daniele Scolare zurückzuführen, einen krauslockigen Anfang-Fünfziger in Poloshirt und dunkler Schürze. Er ist, so klärt sich schnell auf, einer derjenigen, die das Werk Stradivaris und Guarneris in der heutigen Zeit fortsetzen. In seiner kleinen Werkstatt mit dem dicht mit Pflanzen bewachsenen kleinen Innenhof entstehen Violinen, Violas und Violoncelli für Musiker aus aller Welt – handgemacht, versteht sich. Zwischen erstaunlich günstigen 150 Euro (hier natürlich mit einem hohen Anteil an vorgefertigten Bauteilen) und bis hin zu 20.000 Euro für aufwändig verzierte Modelle lassen seine Kunden sich die Instrumente von Daniele Scolari kosten.

Norma Audio Firmenbericht Korpus

Der Korpus einer Viola im Rohzustand

Norma Audio Firmenbericht Werkzeuge

MIt diesen Schabern werden Boden und Decke des Korpus auf die richtige Dicke gebracht

Kein Wunder, dass er auch als Lehrer an der „Scuola Internazionale di Liuteria“, der angesehenen Schule für Saiteninstrumentenbau in Cremona, tätig ist. Seine handgefertigten Instrumente sind in der Tat faszinierend: Die Liebe zum Detail ebenso wie der Aufwand, der in die Bearbeitung der scheinbar unwichtigsten Teile einfließt, sind offensichtlich. „Klar sind handgemachte Instrumente teurer und langwieriger herzustellen als maschinengefertigte. Und das, was man als Vorteil der Maschinenfertigung bezeichnen kann, nämlich eine sehr geringe Serienstreuung, ist für mich einer ihrer größten Nachteile“, sagt Daniele Scolari.

„Nur die Handfertigung macht jedes Instrument zum Einzelstück mit Seele und eigenem Charakter. Zudem ist die Bearbeitung mit Maschinen Stress fürs Holz, und das schlägt sich im Klang nieder. Daher bearbeiten wir die Oberflächen der Hölzer hier meist von Hand.“

Norma Audio Firmenbericht Instrument

Hier ein grob „beschabter“ Cello-Boden

Gerade die Arbeit an kunstvollen Intarsien sei für ihn eine Freude, auch wenn so ein Instrument dann schnell mal das Doppelte seines unverzierten Pendants koste. Drei Monate Arbeit steckten zum Beispiel in einem Instrument wie dem im Bild unten gezeigten. Dieser Nachbau einer Viola aus dem Orchester des Hofes von Louis XIV. sei das letzte Modell dieser Art, das er gefertigt habe, so Scolare. Währenddessen scheint Norma-Chef Enrico Rossi geradezu in diese Welt der Instrumente versunken zu sein – andachtsvoll und geradezu zärtlich hält er die besagte Viola in seinen Händen, bewundert das Finish und die Intarsien und lässt die Seiten leise erklingen.

Norma Audio Firmenbericht fertige Violine

Daniele Scolari (links) und Enrico Rossi (rechts) im Gespräch mit der Autorenbegleitung (links außerhalb des Bildes)

Der Lack seiner Instrumente sei alkoholbasiert (Spiritus), so wie bei allen Instrumentenbauern in Cremona, sagt Daniele Scolari. Woanders arbeite man oft noch mit ölbasierten Lacken, doch der Alkohol bringe den Vorteil mit sich, dass er ohne zusätzliche Wärmeeinwirkung und innerhalb kürzerer Zeit trockne und das Holz so nebenbei auch noch schone. Und „weicher“ seien ölbasierte Lacke sowieso nicht. Übrigens ist historisch nicht eindeutig belegt und nachweisbar, welche Lackart die alten Meister aus Cremona benutzt hatten – soweit habe ich mich im Nachhinein schlau gemacht. Wie so oft ist hier die Legendenbildung wohl eher dem Marketing-USP (Unique Selling Point) und dem Markenkern geschuldet.

Norma Audio Firmenbericht Lack

Der Instrumentenlack auf Alkoholbasis wird von Hand aufgetragen

Als einen der wichtigsten Bestandteile der Violine zeigt uns Daniele Scolare die „Anima“, die Seele der Violine. Dieses unscheinbare, länglich-zylinderförmige Bauteil sei besonders wichtig für die Stabilität des Gehäuses der Violine (bis zu 18 kg Druck muss sie zwischen Boden und Decke sitzend aushalten können), aber auch bestimmend für den Klang der Violine. Schon ein halber Millimeter vor oder zurück auf dem stabilitätsgebenden Steg im Inneren der Violine könne das Resonanzverhalten des Instruments maßgeblich verändern. Das Zusammenspiel von Anima und der Dicke des Holzes in Decke und Boden gebe demnach den größten klanglichen Ausschlag, so Scolari. Enricos Augen blitzen auf: „Ist das nicht erstaunlich? So geht es mir mit einzelnen elektronischen Komponenten, dem Platinenlayout, aber natürlich auch mit den Gehäusen: Alles macht einen Unterschied, selbst die Position von Gehäuseschrauben!“

Norma Audio Firmenbericht Prüfung

Genauso wichtig wie das Instrument selbst sei auch der Bogen, mit dem die Saiten gestrichen werden. Der im Bild gezeigte Bogen wiegt gerade mal 67 Gramm! Immer noch sei Rosshaar das Material der Wahl für den Saitenkontakt.

Norma Audio Firmenbericht Enrico Rossi mit Bogen

Sinn und Zweck

Warum Enrico mir das zeigt, frage ich ihn auf der Fahrt von Cremona nach Busseto beziehungsweise erst mal zur Villa Verdi in Sant’ Agata, dem ehemaligen Wohnsitz Giuseppe Verdis. Nun, so seine Antwort, um zu verstehen, was ihn antreibe, woher seine Faszination für Musik und ihre Wiedergabe kommt, müsse man auch verstehen, in welcher Stadt er geboren und aufgewachsen sei, und welchen Einfluss die Tradition Cremonas als Stadt der Musik auf ihn gehabt habe. Die Liebe zum Detail, das Wissen zum Ursprung von musikalischer Emotion beizutragen und die Besessenheit der Instrumentenbaumeister, dem Musiker dazu die bestmöglichen Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, seien die größten Inspirationen für ihn als Mittler zwischen originaler Produktion und der Rezeption beim Hörer zu Hause. Seine Aufgabe sei es, seinen Geräten die perfekte „Anima“ mitzugeben – dazu seien Ausprobieren, Hören und Messen oft in monatelangen Prozessen notwendig. So wie sich die Anima kritisch für den Klang der Violine zeige, so sei die Auswahl der richtigen Komponenten und der jeweiligen Schaltungstopologie entscheidend für Hifi-Geräte.

Norma Audio Firmenbericht Schlüssel

(An dieser Stelle wird Enrico philosophisch: „Wir stehen als Musikfans im Spannungsfeld zwischen zwei Welten, die sich einer gleichermaßen konkreten wie abstrakten Sache – der Musik – annehmen. Konkret deshalb, weil sie eben existiert, abstrakt deshalb, weil sie eine Wirkung besitzt, indem sie Gefühle evoziert. Die beiden Welten der Musik nun sind auf der einen Seite die Musikinstrumente, und auf der anderen unsere Hifi-Geräte. Beide dienen dazu, Musik erklingen zu lassen, also konkret zu sein. Das Musikinstrument ist dabei ein unmittelbar verständliches Resultat von Manufakturarbeit, dessen Handhabung sichtbar und nachvollziehbar ist, weil es im Diskurs mit seinem Spieler oder seiner Spielerin musikalischen Sinn entfaltet. Dies hat unmittelbaren Einfluss auf den abstrakten Teil der Musik, die Wirkung – aber eben nur in der Präsenz des originalen Schöpfungsmoments, der Konkretisierung durch das Spielen. Das Hifi-Gerät, insbesondere wenn es rein digital oder nur mit Transistoren arbeitet, bietet im täglichen Umgang weder das Manufaktur-Feeling noch den Diskurs mit einem beseelten und beseelenden Animator, also dem Menschen und seinem Instrument, in der Situation der Konkretisierung von Musik.“ Er überlegt kurz. „Vielleicht sind deshalb Röhren und Plattenspieler bei vielen Musikliebhabern so beliebt? Denn mit Röhren und Vinylabtastung kann man dem Eindruck erliegen, die Prozesse der Transzendenz vom Konkreten zum Abstrakten, die Beseelung der Technologie, besser beobachten zu können – aber es gibt keinen solchen Einblick in einen Solid-State-Verstärker oder D/A-Wandler. Wir sehen und erkennen daher nicht, oder nur sehr selten, die Verbindung zwischen diesen beiden Welten, dem transistorbasierten Gerät und dem Instrument, auch wenn sie derselben Sache dienen.“

Warum er denn dann in seinen Geräten keine Röhren einsetze, ist natürlich meine Frage. „Mit Röhren ist es nicht allzu schwierig, ein Gerät auf einen klanglich ordentlichen Level zu bringen“, führt er aus. „Röhren klingen meistens gut, aber so gut wie nie wirklich exzellent. Mit Solid-State-Verstärkern wiederum ist es nicht ganz so einfach, mit geringem Aufwand klanglich gute Ergebnisse zu erzielen, dafür ist der maximal erreichbare Qualitätslevel deutlich höher. Das liegt unter anderem daran, dass in Röhrenkonstruktionen sehr viele klangbeeinflussende Komponenten zwingend erforderlich sind, die man in Transistor-Verstärkern einfach weglassen kann; Ausgangstrafos, Kondensatoren und – für mich sehr wichtig – die symmetrische Schaltungstopologie.“ Wer sich an den Test der Revo-Komponenten erinnert (oder ihn nachliest) weiß, dass Enrico Rossi voll auf unsymmetrische Schaltungen auch bei seinen Topmodellen setzt.

Meine Frage nach den für ihn wichtigsten klanglichen Aspekten bei der Entwicklung seiner Geräte beantwortet Enrico Rossi mit einem sehr langen Schweigen. „Komplexe technische Abläufe, zum Beispiel einen Raketenstart, in seinen Einzelheiten zu beschreiben, ist zwar ein langwieriges Unterfangen, aber mit dem richtigen Sachverstand problemlos machbar, denn alles in diesem Prozess ist objektiv parametrisierbar und strukturiert. Leben, Gefühle oder eben Klang zu beschreiben – das alles ist es nicht. Zumindest fällt es uns sehr viel schwerer, die richtigen Worte zur Charakterisierung und Wirkungsbeschreibung zu finden. Musik ist Wirkung und Klang eine Beschreibungsmöglichkeit davon. Alle Einzeldisziplinen, die wir uns dann zur Parametrisierung von Klang vorstellen und herauspicken, sind Deduktionen des emotionalen Erlebnisses eines einzelnen Individuums, und selbst objektivierbare Messgrößen wirken auf verschiedene Menschen unterschiedlich“, so Rossi. „Daher kann und will ich mich nicht auf einzelne Parameter fokussieren, sondern ziele mit meinen Designs vielmehr darauf ab, das originale Schöpfungserlebnis von Musik, das bei der Live-Rezeption direkt vom Musiker auf den Zuhörer übertragen wird, auch in der Reproduktion zu vermitteln. So gut es irgendwie geht.“

Der Heilige Giuseppe

Während wir über diese Dinge plaudern, hat sich die lombardische Sonne ihrem Zenit genähert und scheint voller Urkraft auf das nun erreichte, idyllische Anwesen Giuseppe Verdis herab, flutet den üppigen Garten mit warm-gelben Licht und vertreibt das letzte Frösteln der Vortage (sage bloß keiner mehr, Nordwest-Italien sei im Mai bereits richtig warm!). Die resolute Dame, die das ehemalige Domizil des Komponisten verwaltet, weist uns allerdings erst mal unmissverständlich auf zwei Dinge hin: Alles im Haus befände sich noch im Originalzustand, von der Möblierung über die Bilder an der Wand bis hin zur Bettwäsche. Und das Fotografieren in den Räumen sei strengstens verboten. Ja, auch für journalistische Zwecke, das wollen die Erben so, und da seien ja auch die ganzen Überwachungskameras, die das kontrollieren, deshalb möge ich bitte Verständnis haben dafür … Ja ja, okay. Dennoch – oder gerade deswegen – mutet es geradezu magisch an, in denselben Räumen zu sein und um dieselben Klaviere zu wandeln, in und an denen der Meister selbst komponierte. Auf der Terrasse steht sogar noch die originale Sitzgruppe, die Verdi zum Frischeluftschnappen bei Tee und Gebäck an warmen Sommernachmittagen (so stelle ich mir das jedenfalls vor) diente.

Norma Audio Firmenbericht Firmensitz

Giuseppe-Verdi-Haus

Norma Audio Firmenbericht Verdi-Haus

Die Statue von Giuseppe Verdi in seinem Geburtsort, vor dem Konzerthaus von Busseto

Verdi war, das lerne ich schnell, nicht nur ein begnadeter Komponist und Organist, sondern auch ein herzensguter Mensch. Nachdem er selbst, als Sohn einer mittellosen Familie aus Busseto, im Alter von zehn Jahren von einem reichen Gönner namens Antonio Barezzi entdeckt und sein Talent gefördert wurde, scheint es, dass er den Wohlfahrtsgedanken verinnerlichte und selbst für nicht wenige Menschen zum Heilsstifter wurde.

Auch wenn seine erste Ehe von Unheil überschattet war (seine erste Frau und beide mit ihr gezeugten Kinder starben früh), ließ er sich selbst davon nicht beirren, dass seine später Liaison mit der Sängerin Giuseppa Strepponi in seiner Heimatstadt Busseto despektierlich betrachtet wurde – was ihn zum Umzug nach Sant’ Agata bewegte. Dort musste er miterleben, wie ein Feldarbeiter bei einem Unfall schwer verletzt wurde und verstarb, weil der Weg ins nächste Krankenhaus zu weit war. Flugs beschloss Verdi, ein Krankenhaus direkt an den Feldern zu bauen, das übrigens bis heute existiert. Nach seinem Tod hinterließ er das Anwesen in Sant’ Agata seiner Familie, allerdings mit der Auflage, in seinem Wohnbereich alles unverändert zu belassen und es der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Jeder seiner Angestellten erhielt 4.000 Lira aus seinem Nachlass – damals genug, um vier Häuser zu bauen.

Warum ich nun das alles erzähle? Nun, die Faszination, die dieser Giuseppe Verdi auf Enrico Rossi ausübt, ist kaum zu übersehen. Nicht nur das Werk des Komponisten berührt den Entwickler, auch sein Leben, sein Charakter und die Botschaft, die er damit hinterlässt. Ganz beiläufig sichert er der Hausverwalterin zu, dass er dem Haus seine Elektronik zur Verfügung stellen werde, um die Musik Verdis in seinen ehemaligen Räumen gebührend wiedergeben zu können. Großartig! 

Una festa italiana

Die folgenden Stunden beim Mittagessen im weltbesten Antipasti-Restaurant überspringe ich, ich möchte Sie nicht neidisch machen, und das hier ist ja auch nicht das Feinschmecker-Magazin – ganz verkneifen kann ich mir jedoch nicht, Ihnen einen Einblick in die lombardische Spezialitätenwelt zu geben. Bilder sagen mehr als tausend Worte …

Norma Audio Firmenbericht RestaurantNorma Audio Firmenbericht Antipasti

Nachdem wir uns auf dem Rückweg aus Busseto nach Cremona zum Nachtisch mit Kirschen aus der von Enrico so getauften „Avenida Cigliese“ (Kirschenstraße) eingedeckt haben, erreichen wir das Hauptquartier von Norma Audio. Und damit auch das Geburts- und Wohnhaus von Enrico Rossi und seiner Familie. Von außen deutet auch hier nichts darauf hin, dass im Inneren einige der feinsten Verstärker Italiens entwickelt und zusammengebaut werden. Die Produktion der Platinen an sich findet einige Dutzend Kilometer südlich statt. In Persico Dosimo, fünf Kilometer nördlich von Cremona, sorgen Enricos Sohn Fabio und zwei weitere Mitarbeiter schließlich dafür, dass diese Boards final bestückt und in die Gehäuse eingesetzt werden. Daran ist nichts Mystisches oder Spektakuläres – alles richtet sich nach dem alleinigen Zweck, die in langen Hörtests eruierten Komponenten zu selektieren und perfekt auf die Platinen zu bringen, um diese anschließend in fast schon militärischer Präzision in die Norma-Geräte einzubauen. Wer schon mal in ein solches geschaut hat, weiß, dass es kaum ein Produkt in dieser Branche gibt, bei dem der Stereotyp vom italienischen Schlendrian weniger zutrifft als in einem Norma-Audio-Verstärker, Wandler oder CD-Spieler. Und zwar egal, ob in der kleineren HS-Serie oder in der Revo-Familie.

Norma Audio Firmenbericht HandarbeitNorma Audio Firmenbericht PlatinenNorma Audio Firmenbericht MessenNorma Audio Firmenbericht Technik

Das, sagen wir mal, bescheidene Büro von Enrico Rossi grenzt direkt an den Hörraum an, dessen Einrichtung recht schlicht ausfällt. Als Abhörlautsprecher stehen Rossi ein Paar Sonus Faber „Il Cremonese“ als Vollbereichs-Standlautsprecher und ein Paar Diapason Astera als Kompaktmonitore zur Verfügung. Beide Hersteller sitzen übrigens im Umkreis von etwa 100 Kilometer um Cremona – die Verbundenheit mit der Heimat scheint also auch ganz praktisch einen maßgeblichen Einfluss auf das Schaffen von Enrico Rossi und Norma Audio zu haben. Zur akustischen Dämmung befinden sich neben Teppich und Sofa nur einige schmucklose Absorber im Raum. Neben hunderten Vinylplatten und noch mehr CDs finde ich auch recht viele Blu-rays im Hörraum – will man denn etwa in den Heimkinobereich einsteigen? „Nein, ich schaue aber sehr gerne Filme, und das kann ich hier im Hörraum am besten tun“, antwortet Enrico nicht ganz ohne Augenzwinkern.

Norma Audio Firmenbericht Platten

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Nubert nuZeo-Lautsprecher

Firmenbericht: Besuch bei Norma Audio in Cremona

  1. 1 Emotionale Transzendenz auf Italienisch