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Dezember 2016 / Frank Hakopians
Der Herbst ist traditionell Messezeit und so folgt ein Event auf das andere, während dem gehetzten Besucher kaum Zeit zum Atemholen bleibt. Würde es sich in den meisten Fällen nicht um sogenannten Eustress handeln, müsste man ernsthaft besorgt sein. So aber ist wohl keinerlei Schaden für die Gesundheit zu befürchten. Erst recht nicht, wenn das Ziel der Reise Wien und die inzwischen im Arcotel nahe der Uno City heimisch gewordenen Klangbilder sind.
Die Wiener Klangbilder 2016 wurden erneut im Arcotel Kaiserwasser ausgerichtet
Erst vor Wochenfrist sah die Szene in Warschau eine weiter wachsende Audio Video Show 2016: Polens HiFi-Großmesse, die nicht nur gleich zwei Hotels belegte, sondern inzwischen sogar das Nationalstadion nutzt, um ausreichend Flächen für die Besucherströme vorhalten zu können.
Dagegen scheint sich Wien dem ganz großen Trubel erfolgreich zu verweigern, so dass im Ernst-Happel-Stadion weiterhin sorglos gekickt werden darf. Relativ frei von hektischem Treiben kann man im Arcotel Vorführungen auf erstaunlichem Niveau beiwohnen und mit ein klein wenig Geduld lässt sich sogar ein Platz im Sweetspot ergattern. Selbstverständlich gibt es auch wieder ein umfangreiches Rahmenprogramm.
Freundlicher Empfang für die Besucher
Es werden Themen wie „Audiostreaming: Möglichkeiten und Tricks“, „Die nachhaltige Tiefenreinigung der Rille“ oder „Die zehn großen HiFi-Irrtümer“ in Workshops und Demonstrationen abgearbeitet und mit Auftritten lokaler Künstler garniert. Exemplarisch seien die bemerkenswert aparte Pianistin Anastasia Huppmann oder die vier jungen Posaunisten von Trombone Attraction genannt, deren überraschend stimmige Verquickung der Grönemeyer-Hymne „Bochum“ mit Wagners „Flug der Walküren“ aufhorchen lässt. Eher bodenständig rockig geht es zu, wenn Lokalmatador Tommy Pilat und seine Band die Bühne betreten.
Der Gastgeber: Dr. Ludwig Flich
Immer mittendrin: Der Macher der Klangbilder, Dr. Ludwig Flich, dem es im Vergleich zum Vorjahr gelungen ist, ein noch breiter gefächertes Programm auf die Beine zu stellen. Vom leckeren Wiener Gemischten Satz darf auch wieder ausgiebig gekostet werden. Ein besonderer Genuss und doch nur eine der vielen unterschiedlichen Facetten der Wiener HiFi-Messe. Ganz und gar himmlisch wäre es sicher, wenn es in Zukunft gelänge, auch einen der exzellenten Hofzuckerbäcker Wiens mit einem eigenen Stand auf die Klangbilder zu locken.
Ayon und Lumen White
Ähnliche Gefühle, allerdings mehr auf der Audioebene, überkommen höchstwahrscheinlich etliche der Besucher im Raum Vis, wo Gerhard Hirt von Living Sound (www.living-sound.com) eine große Ayon-Kette an Lautsprechern von Lumen White vorführt. Die „White Light Anniversary“ kosten 70.000 Euro und werden von Ayons kräftigen Röhrenmonos Vulcan Evo zu 30.000 Euro befeuert. In beiden Fällen handelt es sich natürlich um Paarpreise. Das Herz der Anlage ist die wahrhaft mächtige, zweiteilige Röhrenvorstufe Conquistador, deren Produktion auf jährlich fünf Stück limitiert ist. Ihr Preis ist derzeit noch nicht endgültig festgelegt, dürfte aber der anvisierten Klientel höchstwahrscheinlich nur ein müdes Schulterzucken Wert sein.
Ayon CD-35
Günstiger kommt man bei den Quellgeräten weg, denn Ayons Netzwerkspieler S-10 startet bereits bei 5.500 Euro. Den CD-Spieler CD-35, der auch DAC und Vorstufe sein kann, natives DSD beherrscht und sogar SACDs abspielt, gibt es ab 7.500 Euro. Wer die für beide Geräte angebotenen diversen Optionen wählt, zahlt natürlich etwas mehr. Besonders der CD-Spieler macht durch einen körperhaften, sehr natürlichen Klangeindruck auf sich aufmerksam, während die gesamte Kette mit exzellentem Fokus und ausgedehnter Raumabbildung, stupender Dynamik sowie ultratiefen Bässen zu überzeugen vermag. Wer auf ein wirklich beeindruckendes, ultimatives Hörerlebnis nach feinster Highend-Manier aus ist, macht hier schon mal nichts falsch.
Dipole von WLM
Aber auch anderswo finden sich schöne Töchter. Nicht weniger ultimativ als die Lumen fällt der aktive Vollbereichsdipol Franz der Wiener Lautsprechermanufaktur (wlm-audio.com) aus: Vier 30-Zentimeter-Bässe, vier 20-Zentimeter-Mitteltöner, ein 16-Zentimeter-Rundstrahler und gleich zwei Air-Motion-Transformer pro Stück machen zusammen 190 kg Lebendgewicht. Nicht gerade die unauffälligste Art das HiFi-Hobby zu betreiben. Und der Preis? Liegt irgendwo bei 100.000 Euro. Alternativ lässt es sich auch mit der gleichfalls aktiven, deutlich kleineren Schwester Sissi zu 14.900 Euro gut leben, denn die spielt ziemlich souverän auf und schreckt auch im Bass trotz des großen Hörraums keinesfalls schüchtern zurück. Vorverstärkerseitig setzt man auf den hauseigenen und blitzsauber aufgebauten Preamp Anton.
HD-Player von DAS
Neben einer analogen Tonbandmaschine, debütieren quellseitig die neuen HD-Player des Wiener Spezialisten Digitale Audio Systeme (DAS, www.digital-audio-systems.com). Diese übernehmen auf Wunsch auch die Funktion eines DAC und werden voraussichtlich noch die Fähigkeit zum Streaming mitbringen, wenn sie demnächst, je nach Ausstattung, zu Preisen zwischen 4.499 und 8.999 Euro geordert werden können. Der Einstiegspreis bezieht sich übrigens auf das Model 4, welches ohne Bildschirm auskommt und per App zu steuern sein wird. Die enormen Möglichkeiten des Computers, gepaart mit der einfachen Bedienung eines CD-Spielers und dem Klang eines Highend-Laufwerks? Da könnte ernsthaft etwas dran sein.
iTree der Schreinerei Lenz
Die Wiener Ausstellung hält jedes Jahr einige Skurrilitäten bereit und so schießt ein „Typisch“ durch meinen Kopf, während ich fast über einen musizierenden Baumstamm stolpere. Mit Elektronik von Pro-Ject und rückwärtig eingelassenen Lautsprechern macht der Baumstamm aus Kirschholz so mancher Wohnzimmeranlage Konkurrenz. Doch der iTree der Tischlerei Lenz (www.tischlerei-lenz.at) strebt nach Höherem, was auch sein Preis von etwa 8.300 Euro untermauert. Man trifft ihn eher in diversen Firmenzentralen und auf Chefetagen, wo er für musikalische Untermalung sorgt, indem er sein Programm idealerweise über eine rückwärtige Wand abgestrahlt zu Gehör bringt und ansonsten schick ausschaut. Nicht ganz verwunderlich: die Schreinerei Lenz ist auch für den österreichischen Lautsprecherhersteller Trenner und Friedel tätig.
Nessie Vinylcleaner von Draabe
Dann gibt es ein Wiedersehen mit Herrn Draabe (www.vinyl-master.de) und seiner Plattenwaschmaschine, der Nessie Vinylmaster (1.890 Euro). Mit dabei ist auch der neue, kleinere Vinylcleaner, der sich prinzipiell die Technik mit dem großen Modell teilt, ergo genauso leise und gründlich absaugt. Da die Anschaffungskosten des Nessie Vinylcleaners mit 989 Euro auch noch deutlich günstiger sind, fallen mir ab sofort noch weniger Gründe ein, seine Schallplatten nicht standesgemäß mit einer professionellen Maschine zu reinigen.
Lansche Audio an Neukomm Audio
Vom Bodensee ist Rüdiger Lansche angereist und hat seine kleinen Standlautsprecher No.3.1 mitgebracht. Wie alle Schallwandler von Lansche Audio (www.lansche-audio.com) bedienen sich auch die 19.500 Euro teuren No.3.1 eines Ionenhochtöners. Entsprechend luftig und fein klingt es dann bei den hohen Frequenzen und auch eine ausnehmend großzügige Räumlichkeit kann den Lansche 3.1 bescheinigt werden. Absolut nachvollziehbar, warum fairaudio-Kollege Michael Bruß so Feuer und (Plasma)Flamme für die No.3.1 war, als er sich im Februar letzten Jahres mit ihr intensiver beschäftigen durfte.
Hans-Rudolf Neukomm von Neukomm Audio
Für die Verstärkung ist diesmal Elektronik von Neukomm Audio Systems (www.neukomm.com) aus der Schweiz zuständig, deren Vorzüge mir Inhaber und Physiker Hans-Rudolf Neukomm sogleich persönlich erläutert. Seit 1990 entstehen im Schweizer Thalwil am Zürichsee die schnörkellos-eleganten Produkte, die einem reinen, der Neutralität verpflichteten Klangprofil folgen. Neukomms Master Series darf man zutrauen, dank dezenter 35-cm-Fronten und mutmaßlich hohem WAF den Sprung in die allermeisten Wohnzimmer zu schaffen. Ein sprichwörtliches Sonderangebot ist die Schweizer Präzisionstechnik allerdings nicht. Für den Vorverstärker LA125 werden 6.300 Euro fällig, während man für die runter bis 1 Ohm stabilen und 400 Watt starken, dennoch eher kompakten Monos 6.900 Euro in die Alpenrepublik überweisen darf. Auch nicht schwächlich: Neukomms neuer Integrierter Vollverstärker CPA 155S mit 2×160 Watt.
Klipsch Heresy III und Pro-Ject Record Master
Eine nette Impression ganz in Walnuss ist die Kombination der im Mittel und Hochtonbereich mit Hörnern ausgestatteten Klipsch Heresy III und Pro-Jects Brettspieler Record Master für 499 Euro, der im selben Holz furniert wurde. Als ehemaliger Besitzer einer Heresey II staune ich nicht schlecht, in welchem Ausmaß Klipsch die Verarbeitungsqualität der auch amtlichen Partys gewachsenen Speaker steigern konnte. Selbiges gilt auch für den Preis des Klassikers von aktuell 2.400 Euro pro Paar.
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Messebericht: Klangbilder 2016