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In dem eigentlich kleineren Hotel spielt sich alles auf der Ebene der Konferenzsäle ab, und die bieten teilweise eine recht ansehnliche Fläche. Das fällt optisch vor allem im Raum Tulip 1 auf. Sven Boenicke (http://boenicke-audio.ch/) bespielt ihn zwar mit seinem größten Lautsprecher, der W13, doch der teilaktive Drei-Wege-Standlautsprecher ist mit einer Scheitelhöhe von 105 Zentimetern wirklich kein Riese.
Akustisch straft die W13 allerdings die Physis Lügen. Von zwei Accuphase A-250 Monos befeuert, klingt es stets satt und substanziell. Sogar richtig fiesen Tiefbass lässt die Kombi hören. Da sieht sich manch ein Besucher nach einem oder mehreren versteckten Subwoofer um, was auch Sven Boenicke mit einem Schmunzeln zu bemerken scheint.
Nebenan hat Gerhart Hirt wieder sein Quartier aufgeschlagen. Beim Betreten des Saales drängt sich unweigerlich der Eindruck eines Konzertes auf. Das Publikum ist zahlreich erschienen und lauscht ungemein konzentriert. Das „Orchester“ besteht aus Ayons (Vertrieb: https://audium.com/) neuester Lautsprecherschöpfung Black Crane, Ayons Röhrenmomos Epsilon und dem großen Röhrenvorverstärker Conquestador. Hirt spielt CDs oder streamt ausgesuchte Stücke, wobei er stets Wert auf hervorragende Aufnahmetechnik legt. Die ist für ihn essenziell, wichtiger noch als das Medium oder die Frage, ob HiRes oder nur CD-Qualität.
Atemberaubende Dynamik und fast hyperrealistische Klänge sind es dann auch, mit denen der Ayon-Chef sein Publikum verwöhnt. Am Ende der Vorführung gibt es natürlich auch Applaus, eben wie im Konzert. Wer ein Pärchen Black Crane gleich bestellen möchte, muss sich wegen des Preises noch ein wenig gedulden. Der Schallwandler ist so neu, dass die Kalkulation noch nicht endgültig abgeschlossen ist. Mit gut 50.000 Euro darf aber gerechnet werden.
Auch das Nationalstadion ist am Samstag wieder einmal sehr gut besucht. Kein Wunder, denn hier gibt es für HiFi-Freunde so einiges zu bestaunen. Video und Fernsehinstallationen sind ebenfalls dabei, aber, ich bitte um Nachsicht, nicht ganz unser Thema.
Die kleine, aber besonders feine Kette von Gryphon (www.gryphonaudiodesign.de) aus Dänemark trifft da schon eher ins Schwarze. Insbesondere, da die Mojo S am integrierten Vollverstärker Diablo 300 (15.499 Euro) sehr feinfühlig und sensibel agiert. Dies fällt besonders ins Gewicht, da bei Gryphon auch Klassik zum Vorführrepertoire gehört. So vermag der Lautsprecher eine Violine mit Strahlkraft, aber auch mit ihrer typischen Knarzigkeit zu reproduzieren. Ein Sonderangebot ist die aufwendigst konstruierte Mojo S mit gut 24.000 Euro/Paar allerdings nicht, doch dass sie ihren Preis tatsächlich rechtfertigt, wird nach der Vorführung kaum jemand bezweifeln.
Fyne Audio (Vertrieb: www.tad-audiovertrieb.de) aus Schottland ist mir bereits auf den Süddeutschen HiFi-Tagen aufgefallen. Dort hinterließen schon die günstigeren Modelle einen guten Eindruck. Hier kommt nun das Top-Model F 1-10 zu Gehör. Dem 250 mm-Koaxialtreiber der F1-10 wurde ein 3 Zoll großer Titan-Hochtöner ins Zentrum implantiert. Damit wird der Treiber der Fyne im Prinzip zur Punktschallquelle, was die F1-10 auch mit einer besonders guten Ortungsschärfe und geradezu dreidimensionaler Abbildungsfähigkeit unterstreicht. Solche Qualität ist leider nicht umsonst zu haben. Der Preis der Fyne F1-10 liegt bei 25.000 Euro.
JBLs (www.jblsynthesis.com) Neuauflage der legendären L 100 läuft in Warschau, dank Zugehörigkeit beider Marken zum Harman-Konzern, an der edlen Elektronik von Mark Levinson. Der pro Stück 2.600 Euro teure Schallwandler kann allerdings nicht so richtig verbergen, dass High End nicht sein Ding ist. Mittenortung, Raumdarstellung und Feinzeichnung sind anderswo zu diesem Preis vermutlich auf höherem Niveau zu bekommen. Dafür aber ist die JBL ein Spaß- und Partylautsprecher der Luxusklasse. Für die private Disco dürfte sich kaum etwas Besseres finden lassen. Die JBL L-100 punktet nicht nur mit dem Vintage-Charme ihres orangefarbenen Grills aus Quadrex-Schaumstoff, sondern auch mit exzellenter Dynamik, gewaltigem Bumms im Tieftonkeller und enormer Pegelfestigkeit.
Zum besonderen Vergnügen auf HiFi-Messen wie dieser gehört es, den „großen Jungs“ beim Spielen zusehen, oder vielmehr zuhören zu können.
Neu im Kreis der „Großen“ ist die Fenestria von PMC (Vertrieb: www.audioconcept.eu). Der Top-Schallwandler nutzt als echtes PMC-Design natürlich das Transmissionline-Prinzip für die Basswiedergabe. Den wichtigen Mittenbereich vertrauen die Engländer einer 75 mm großen Kalotte an, die, wie auch der Hochtöner, in einen aus dem vollen gefrästen Aluminiumrahmen eingesetzt ist. Angetrieben von Esoteric Grandioso-Monoblöcken gibt’s viel profunden Bass, aber auch feine Mitten und einen luftigen, fast delikaten Hochtonbereich zu vermelden. Sicher ein würdiger Top-of-the-Range-Lautsprecher. Interessenten sollten 54.000 Euro bereithalten.
Damit lassen sich bei MBLs (http://www.mbl.de/) Top Anlage, deren Herzstück das Lautsprechersystem MBL 101 X-treme ist, vielleicht ein Paar Endstufen bezahlen, denn allein die mit den typischen Radialstrahlern ausgestatteten Schallwandler kosten gut und gerne 150.000 Euro. Die gesamte Anlage dürfte sogar einen Wert von etwa 400.000 Euro repräsentieren. Doch auf einer HiFi-Show sind so profane Dinge wie Geld und Preise sowieso sehr relativ. Was zählt, ist vor allem die Performance und da setzt eine so perfekt aufeinander abgestimmte Kette wie die von MBL naturgemäß Maßstäbe.
Jürgen Reis, Chefentwickler des Berliner Herstellers, führt durch das Programm, von dem mir besonders Kraftwerks Hit „Wir sind die Roboter“ in Erinnerung bleiben wird. Impulsverarbeitung, Schnelligkeit und Attacke liegen auf einem astronomischen Niveau. Ein solches System ist ohne Frage das Lebenswerk von HiFi-Besessenen. Das merkt man bei jedem Stück.
Zwei ebenfalls positiv Besessene habe ich noch in der Hinterhand. David Wilson, der leider in diesem Jahr verstorben Gründer und Chef von Wilson Audio (Vertrieb: www.audio-components.de), und Dan D’Agostino (Vertrieb: https://audio-reference.de/), ehemals Mastermind bei Krell, der inzwischen mit der Firma, die seinen Namen trägt, sehr erfolgreich ist. Stellvertretend für diese beiden haben sich Wilson Audios Alexx und die Top-Amps aus D’Agostinos Momentum-Serie eingefunden. Quellseitig ist eine große Digital-Kombi von DCS und das Analoglaufwerk Thunder aus dem Hause Acoustic Signature am Start. Doch die Blicke der meisten Besucher richten sich auf die eindrucksvollen Relentless Monoblöcke D’Agostinos. Die 250.000 Euro-Brummer dürften der Kette auch maßgeblich ihre Signatur aufdrücken.
So projizieren die beiden Alexx überlebensgroße Klanggebirge in den bis auf den letzten Platz gefüllten Raum. Und doch spricht die Musik den Hörer auf so persönliche, fast intime Art und Weise an, dass man sich ihrer Wirkung nicht entziehen kann. Selten haben Komponenten tiefere Einblicke in die innerste Struktur der Klänge zugelassen wie diese auf Hochglanz polierten Boliden. Wobei selbstredend der Anteil von Wilsons Alexx als kongeniale Mittler dieses audiophilen Ereignisses nicht geschmälert werden soll. Riesengroßes Tennis, das man einmal gehört haben sollte!
Messebericht: Audio Video Show Warschau 2018