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Als der fränkische Analogspezialist Clearaudio (Web: https://clearaudio.de/) 2010 die technische Basis meines jetzigen Testkandidaten – schlicht „Concept“ getauft – auf den Markt brachte, war der Ansatz „spielt praktisch out of the box“ noch ungewohnt. Zumindest für jene Liebhaber des schwarzen Goldes, die es gewohnt waren, nach der Anschaffung eines neuen Plattenspielers Stunden mit dessen Montage und Justage zuzubringen.
Hauptargument des „Concept-Konzeptes“ war es – und ist es noch –, dass ein komplett vormontierter und ab Werk justierter Dreher geliefert wird, bei dem der Kunde nach dem Auspacken lediglich die Transportsicherungen entfernt, den Riemen um Subteller und Pulley legt und den Teller auf die Achse steckt – fertig! Selbst die Auflagekraft für das mitgelieferte Tonabnehmersystem sowie das Antiskating sind eingestellt. Sie schrauben das Tonarmgewicht lediglich soweit auf das Ende des Arms, bis es bündig mit einem dort platzierten Gummiring abschließt, der auch gleichzeitig als „Bremse“ für das Gewicht dient. An dieser Position ist die Auflagekraft nach Herstellerangaben ideal. Easy, oder? Und dauert, wenn Sie sich beim Auspacken Zeit lassen, 10 bis 15 Minuten. Okay, sollte der Untergrund nicht eben genug sein, legen Sie noch die – natürlich mitgelieferte – Dosenlibelle auf den Teller und richten das Chassis mit den höhenverstellbaren Füßen korrekt aus. Dann kann’s aber wirklich losgehen.
Mit dem Concept hat Clearaudio in der Welt der durchaus anspruchsvollen Vinyl-Liebhaber großen Erfolg, der Dreher verkauft sich sehr gut. Vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil das Gerät auch als Designerstück durchgeht und in seiner zeitlosen Schlichtheit einfach richtig gut aussieht. Ich erinnere mich noch an ein Gespräch mit Clearaudio-Gründer Peter Suchy. Darin bezeichnete er das Modell als „Plattenspieler für die iPhone-Generation“, womit er meiner Ansicht nach ziemlich richtig lag. Er meinte damit natürlich nicht nur das fluffig-trendige Design des Concept, sondern auch die Tatsache, dass es ihn nur als Komplettpaket inklusive Arm und System gibt – und das, wie oben beschrieben, intuitiv bedienbar ist.
Seither ist der/das „Concept“ zu einer kleinen Familie gewachsen, die sich je nach Gusto und Geldbeutel individuell, jedoch stets als Paket, zusammenstellen lässt. So passen diverse Tonarme aus dem Clearaudio-Portfolio auf die Basis, und die lassen sich wiederum mit zahlreichen Tonabnehmern – MM oder MC – bestücken. Mit dem „Concept Active“ gibt es gar eine Variante, die ihren eigenen Phonovorverstärker mitbringt. Der – überhaupt keine Frage – ebenfalls aus dem hauseigenen Sortiment stammt.
Optisch, und jetzt komme ich dann doch endlich langsam auf das eigentliche Testmodell zu sprechen, gibt es ebenfalls eine vielversprechende Auswahl: Den „Concept“ gibt es sowohl komplett schwarz oder mit einer umlaufenden, silbern lackierten Leiste – und der „Concept Wood“ besitzt eine Zarge aus Birkenholz-Multiplex statt aus MDF. In einer limitierten Auflage von weltweit je 250 Stück setzen die Erlanger ihrer Erfolgsbaureihe mit dem Sondermodell Clearaudio Concept Edition Gold/White beziehungsweise Silver/White nun die Krone auf. Zu mir kam das Sondermodell in golden-weißer Ausführung (Preis: 3.178 Euro).
Ein Hingucker ist der Dreher allemal – und er unterscheidet sich tatsächlich auch nicht nur in seinem ungewöhnlichen Look von seinen Concept-Brüdern. So handelt es sich bei der gülden lackierten Oberfläche des Chassis um eine zusätzliche Einlegeplatte aus einem nicht näher bezeichneten „Kunststein“, die die Gesamtmasse des Laufwerks steigert. Und Vinylfans wissen: Mehr Masse kann zu mehr Ruhe im Klangbild führen. Zudem erfährt das Sondermodell gleich ab Werk ein Upgrade hinsichtlich seiner Tonarm-Tonabnehmer-Bestückung.
Während die Basismodelle des Concept oft mit günstigeren Tonarm-Tonabnehmer-Kombinationen ausgeliefert werden, startet der Clearaudio Concept Edition Gold/White ausstattungsseitig in einer höheren Liga. Hier versieht der in zwei aus dem Schweizer Uhrmacherhandwerk zugelieferten Saphirlagern kardanisch aufgehängte „Satisfy Kardan“ (solo für 1.500 Euro zu haben) seinen Dienst. Clearaudio verweist unter anderem auf die Direktverkabelung vom Headshell durchs Aluminium-Armrohr in einen externen Phono-Pre. Der Tonabnehmer „Performer V2“ (Einzelpreis: 390 Euro) ist ebenfalls bereits ein ambitionierterer Vertreter des fränkischen MM-Abtaster-Sortiments und ist umhüllt von einem Gehäuse aus handpoliertem Ebenholz.
Während beim Basismodell der Teller aus mattschwarzem Polyoxymethylen (POM) besteht, setzt Clearaudio bei seinem Sondermodell einen Acrylteller auf die – selbstverständlich bereits im Werk vorgeölte – Achse. Das Tellerlager besteht aus einer Bronzebuchse mit Teflonspiegel. Keine Raketenwissenschaft, aber spielfrei, hochwertig und langlebig. Dieser drei Zentimeter hohe „Acryldiskus“ liegt auf einem Subteller aus Aluminium.
Neben dem Subteller ist der entkoppelt montierte Gleichstrommotor untergebracht, der in drei Geschwindigkeiten läuft. Neben 33 1/3 und 45 U/min beherrscht der hübsche Franke auch das „Schelllackplattentempo“ 78 U/min. Wofür es allerdings einen speziellen Abtaster mit breiterer Nadel braucht. Ein normales MM- oder MC-System würde in den breiteren Rillen einer Schelllackplatte ziemlich haltlos umherschlackern, und das möchte niemand.
Clearaudio Concept Edition Gold/White im Hörtest
Wie bereits erwähnt, ist Clearaudios Concept für mich keine unbekannte Größe. Was mich an dem stylischen Dreher bereits bei früheren Begegnungen begeistert hatte, findet mit dem goldweißen Sondermodell seine konsequente Fortsetzung: ein mitreißend-lebendiges, druckvolles und farbenfrohes Klangbild. Die durch gezielte Materialeingriffe optimierte „Edition“ hebt den Concept auf ein noch höheres Niveau. Deklinieren wir es doch einmal durch …
Schön knorrig
„Demon Fire“ aus AC/DCs Erfolgsalbum Power Up dübelt sich mit einer zupackend treibenden Bass-Schlagzeug-Fraktion ins Ohr und bestätigt meinen bei den günstigeren Geschwistern gewonnenen Eindruck eines schlackenlos-knochentrocken strukturierten Bassbereichs aufs Beste – der E-Bass knarzt und pluckert so sehnig, dass man mitunter glaubt, die Spannung der Saiten erspüren zu können. Der Clearaudio Concept Edition kann das noch einen Ticken griffiger herausarbeiten als sein Bruder „Wood“, der aber auch schön knorrig – ohne ein Gramm Fett zu viel – antritt.
Bassmäßig ein Brett, selbst wenn man den Song aufgrund seiner übermäßigen Präsenz im Radio manchmal kaum mehr hören möchte, ist „Dani California“ von den Red Hot Chili Peppers, worin Kultbassist Flea mit seinem funky Fingertapping zur Höchstform aufläuft. Wunderbar, wie flink und präzise der Erlanger Dreher den Bassläufen folgt und wie erdig er sie aus der Gemengelage herauslöst. Das knorpelt so trocken, dass des Testers Mund ausdörrt – in diesem Fall im positiven Sinn. Ein beherzt bedientes Drumset schnalzt ebenso trocken und sehr druckvoll von der virtuellen Bühne, wenngleich – um einen Vergleich zu ziehen – ein ähnlich gepreister Transrotor Jupiter in den tiefen Lagen massiver, grobdynamisch sozusagen mit schwererem Hammer, hinlangt und tiefer gestimmte Bassgitarren noch ein Treppchen weiter nach unten begleitet. Mit Kickbässen massiert der Player aus dem Hause Räke das Zwerchfell seiner Zuhörer ein wenig intensiver, sein Bassfundament scheint etwas stabiler und dabei tiefer zu gehen. Der Clearaudio Concept Edition lotet mit seinem „punchy“ Bass nicht unbedingt die allertiefsten Lagen aus – diese Gangart lässt ihn aber gleichzeitig sehr knackig und schnell auftreten. Was einem hier besser gefällt, ist reine Geschmackssache.
Mitten & Höhen
Die Mitten bieten eine sehr feingliedrige und plastisch-griffige Darstellung von Gesang und Naturinstrumenten und reichern sie mit einem ganz leichten – nie effektheischenden, vielmehr sehr charmanten – Schuss Wärme an. Intensiv und nahbar-plastisch schlängelt sich die raue Stimme des Element of Crime-Frontmannes Sven Regener im Klassiker „I long for you“ von 1990 (Album: Crime Pays; auf Amazon anhören) in die Hirnwindungen. Das Reibeisenorgan offenbart hörbar alle Narben eines abwechslungsreichen Musikerlebens und stellt Nacken- wie Unterarmhaare auf. Über allem liegt dieser zart-warme Schmelz, der fast wie ein „Flussmittel“ wirkt. Womit der Gesang noch tiefer unter die Haut geht.
Selbiges passiert beim sensationellen „Sinnerman“ der Jazzikone Nina Simone (Album: Das Beste – Hits und Klassiker). Das Stück stammt von 1965 und „dremelt“ sich geradezu in meine Ohren. Facettenreich, körperhaft, ja, fast dreidimensional singt sich die Simone in Rage. Transrotors Jupiter bewegt sich, was mich nicht wundert, tonal in ähnlichen, wenngleich etwas neutraler gehaltenen Gefilden, „bügelt“ die Stimmbänder von Nina Simone und Sven Regener indes etwas glatter. Die typische Rauheit der Stimmen kommt mit dem Clearaudio noch etwas griffiger zu Gehör und berührt mich deshalb mehr, was aber – zugegeben – ebenfalls in die Kategorie „persönlicher Geschmack“ einzuordnen ist.
Dem Markennamen „Clearaudio“ – wenn man diesen einmal als Wortspiel begreift – wird der goldene Sonderling dahingehend gerecht, als dass seine charmante Note in den Mitten keinesfalls auf Kosten der Durchhörbarkeit geht und auch die Höhenlagen nicht abgesoftet rüberkommen. Unbedingt „durchhörbar“ muss es auch sein, wenn Marillions aktueller Longplayer An Hour before it’s dark auf dem Teller liegt. Schon der Opener „Be hard on yourself“ würde keinen Spaß machen – und by the way musikalisch auch nicht verstanden werden –, könnte ein Abtastsystem (und damit meine ich in diesem Fall das Komplettpaket aus Laufwerk, Arm und Tonabnehmer) nicht unter die Oberfläche der vielschichtig-komplexen Strukturen der Songs tauchen. Das kann die etwas einfacher ausgeführte Tonarm-System-Kombination des „Basis-Concept“ zwar auch schon ziemlich überzeugend, die des „Concept Edition“ aber bleibt noch unmittelbarer an den Details, folgt den verschachtelten Melodiebögen der britischen Progrocker noch dichter und feinfühliger.
Was ich seinerzeit in einem früheren Test des Clearaudio Concept bereits vermutete, bestätigt die Sonderedition: Das „Konzept“ konnte und kann klanglich noch weiter ausgereizt werden. Wie ausdifferenziert Rockmusik produziert sein kann – wer das hören möchte, wird hier sehr gut bedient. Dabei lässt der Erlanger Dreher aber niemals außer Acht, dass selbst komplex strukturierte Arrangements immer ein schlüssiges Ganzes sein müssen.
Gibt es ein „elegantes“ Hochtonspektrum? Zumindest fällt mir dieses Attribut ein, wenn ich dem goldweißen Franken bei der Darstellung der oberen Frequenzlagen zuhöre. Ein paar Zeilen weiter oben beschrieb ich das Hochtonspektrum bereits als „nicht abgesoftet“, was allerdings nicht bedeutet, dass der Clearaudio zu viel des Guten täte. Erst einmal ist „alles“ da, was es „da oben“ an Informationen braucht, um ein Musikstück vollständig wahrzunehmen – im Grunde ist das neutral. Es tönt sehr klar und rein. Subinformationen – etwa über den Raum – transportiert der Clearaudio mit einer selbstverständlichen Noblesse, als wäre es eine der leichtesten Übungen, die ein Plattenspieler zu absolvieren habe. Mitunter können ihm „S-Laute“ zwar auch vorwitzig geraten, was aber nie in wirklich nerviges Zischen oder Britzeln umschlägt und meistens eher an grenzwertig abgemischter Musik oder einer unsauberen Oberfläche der Schallplatte liegt als an ihm. Merke: Immer hübsch sauberes Vinyl auflegen, dann strahlen die hohen Frequenzen ohne Reue.
Raumdarstellung
Die Raumdarstellung gelingt dem Clearaudio Concept Edition großzügig-realistisch. Er bildet vor allem in die Tiefe ein Quäntchen luftiger ab als seine günstigeren Geschwister. Es scheint zudem, dass sich die Musiker auf der Bühne ein wenig freier und gelassener bewegen können, was dem Höreindruck insgesamt zuträglich ist. Die Dimensionen der virtuellen Bühne werden in allen Größenordnungen und Relationen nachvollziehbar und realistisch dargestellt. Angenehm auch: Obwohl der Clearaudio auf der lebendig-mitreißenden Seite zu verorten ist, setzt er dem Publikum seine Darbietung nicht auf den Schoß, sondern wahrt von der gedachten vorderen Bühnenkante eine respektvolle Distanz zum Auditorium. Er bewegt sich sozusagen auf der „Ideallinie“ – der Stereobasis zwischen den Lautsprechern –, nicht zu weit entfernt, aber eben auch nicht aufdringlich nah.
Dynamik
Zupackend und mit unmittelbarer Attacke absolviert der Clearaudio Concept Edition Leise-Laut-Passagen, etwa in den ersten Sekunden von „If not for you“ von Tremonti (Album: Marching in Time; auf Amazon anhören) im Moment, in dem das Schlagzeug und die Band brachial einsetzen. Das kommt mit Wucht und Nachdruck, bei entsprechender Lautstärke kann man sich gefühlt die Haare föhnen lassen. Grobdynamik bietet der Erlanger auch bei Elektrobeats wie „Feels right“ des deutschen Nachwuchs-DJs Roosevelt (Album: Polydans), wo sich dynamisch-quirlige mit ruhigen Passagen bruchlos abwechseln. Da ist Leben in der Bude.
Natürlich beherrscht er aber auch das „zerbrechlichere Besteck“ – vulgo: leisere Töne, kleinere Pegelunterschiede – treffsicher. Greg Holden’s „The Lost Boy“ (Album: I don’t believe you; auf Amazon anhören) vermittelt intimes Kaminfeuerfeeling. Hier findet der Clearaudio eine ganz vornehme, feinsinnige Ansprache. Der genannte Transrotor kann sich grobdynamisch tatsächlich leichte Vorteile herausspielen und ist auch ein feindynamisches Talent – doch im Vergleich transportiert der Clearaudio Concept Edition Greg Holdens Gesang dann doch noch etwas feingliedriger und abgestufter.
Test: Clearaudio Concept Edition Gold/White | Plattenspieler