Inhaltsverzeichnis
Da ist er, der Moment der Wahrheit: Ein Lautsprecherkabel für günstige 15 Euro pro Monometer. Fast schon Elektrogroßmarktrevier. Kann das überhaupt was können? Und wenn ja – was können mehrfach teurere Kabel denn wirklich besser? Wir schauen dem brandneuen Audioquest Rocket 11 (www.audioquest.de) mal ganz genau auf die Innenleiter.
Der Launch eines solchen Lautsprecherkabels der (nach audiophilen Maßstäben) Einsteigerklasse ist angesichts der Marktentwicklung sicherlich schon ein kleines Wagnis: Immer mehr Lautsprecher sind aktiv verstärkte, oft schon direkt aus dem Internet oder vom Endgerät streamende Modelle. Und öfter als es dem Kulturgut Stereoklang gut tun kann, sind es Mono-Böxchen, die meistens mit viel zu wenig Volumen und Membranfläche auf dicke Basshose machen. Nein, klanglich gute Küche sieht anders aus. Aber genug des Haderns mit der Konsumrealität.
Das Audioquest Rocket 11 setzt genau da an, wo junge Einsteiger in die audiophile Welt einen gedanklichen roten Strich unter ihre Lautsprecherkabelwahl ziehen dürften: Zwei mal drei Meter kosten von der Rolle unter 100 Euro. Dieses Revier haben derzeit insbesondere Hersteller wie Oehlbach, Hama und Monstercable besetzt. Zwischendrin tummeln sich noch Sommercable, Avinity oder Inakustik. In vielen Fällen besitzen die günstigeren Vertreter ihrer Art einen mittigen Steg, der die beiden Leitungswege voneinander trennt, die meist aus Kupferlitzen bestehen, also aus sehr vielen, sehr dünnen einzelnen Kupferhärchen, die zu einem Leiter verdrillt sind. Ein Inakustik LS-1102 (2 x 3 Meter um 140 Euro) dagegen besitzt bereits einen dreifach symmetrischen Aufbau, also insgesamt sechs Leiter aus sogenanntem Concentric Copper und gehört damit zu den aufwändiger designten Kabeln dieser Preisklasse. Das Audioquest Rocket 11 setzt sogar noch einen drauf: Statt Litzenkabeln besitzt es vier Semi-Solid True-Concentric-Leiter (im AQ-Jargon sind das Litzenleiter mit dank aufwändiger Verarbeitung annähernd so guten Eigenschaften wie Solidcore-Leiter) aus Long Grain Copper (LGC) mit einem Leiterquerschnitt von je 1,31 mm².
Langkorn
Audioquest ist überzeugt, dass sich LGC aufgrund seiner Struktur klanglich balancierter gibt als Kabel, die auf dem oft verwendeten OFHC (Oxygen-free-high-conductivity copper) basieren. Die LGC-Leiter sind des Weiteren nicht einfach parallel angeordnet, sondern liegen in einer Doppelspirale miteinander verdrillt in der Ummantelung. Als Ummantelung der Innenleiter dient wahlweise weißes oder schwarzes, nach UL CT3/ FT4 brandhemmendes PVC – so einfach, so gut.
Auf die leckeren (und teuren) Spezialitäten aus der Kabelküche von Audioquest muss das Nesthäkchen der Amerikaner allerdings verzichten: Weder eine Noise Dissipation Schirmung (NDS, Schutz vor elektromagnetischer Interferenz sowie Signalmodulation durch Ableitung von Hochfrequenzstörung) gibt es, noch ein Dielectric Bias System (DBS), mit dem man ein Gleichspannungsfeld erzeugt, dass die Dielektrizität und Kapazität des Kabels klangförderlich beeinflussen soll.
Selbst ist der Audiophile!
Fertig konfektioniert ab Werk gibt es das Audioquest Rocket 11 übrigens nicht, so dass man auch auf weitere Audioquest‘sche Ab-Werk-Tuningmaßnahmen wie das Kaltschweißverfahren (Cold Welding) verzichten muss. Bei den fertig konfektionierten Modellen werde mithilfe eines Drucks von mehreren Tonnen laut Audioquest eine fast perfekte Verbindungen hergestellt, welche die strukturelle Integrität von Leitern und Stecker vollständig erhalten soll – ohne die schädlichen Einwirkungen von Hitze. Ich denke, mit einem guten Silberlot oder einer Crimpzange werden begabte Hobbybastler oder der Hifi-Dealer Ihres Vertrauens auch so eine ordentliche Konfektionierung hinkriegen. Eine mehr als genügend große Auswahl an entsprechenden Steckermodellen und Montagehilfen bietet Audioquest ja auch an. Im Falle des mir vorliegenden Drei-Meter-Pärchens Rocket 11 war der Vertrieb so nett, mir die Arbeit abzunehmen und hat direkt die passenden Endhülsen (das Vierer-Set für 13,50 Euro) und SureGrip-Bananas (acht Stück kosten 39,50 Euro) angebracht – insgesamt also kommen wir auf einen Gegenwert von 143 Euro für das vorliegende Kabelset, wenn man denn selbst Hand anlegen mag. Das ist weniger, als so mancher meiner Bekannten für einen einzelnen Unterstellfuß ausgibt. Aber dann muss man ja auch wiederum die Einsatzszenarien bedenken: So ein 150-Euro-Kabel dürfte sein Revier in Ketten finden, die in etwa das zehn- bis zwanzigfache kosten, also zwischen 1500 und 3000 Euro liegen – komplett. Oder geht da etwa noch mehr …?
Audioquest Rocket 11: Klang und Vergleiche
Das Audioquest-Einsteigerkabel macht zuallererst mal mit einem erstaunlich tief in den Keller reichenden Bass auf sich aufmerksam, der ein erstes Ausrufezeichen setzt – denn nicht nur ist die Frequenzausdehnung nach unten hin für ein Kabel dieser Klasse richtig klasse, das Audioquest Rocket 11 verkneift sich auch den Fehler, diese Kompetenz mit einem dicklich-weichen Charakter in dieser Frequenzregionen zu bezahlen.
Stattdessen bleibt es schön agil und trocken, aber nicht mager. Im Vergleich zum preisgleichen Fastaudio Black Science kreiert das Audioquest Rocket 11 eine bessere Definition und Durchzeichnung allertiefster Frequenzen. Dadurch empfinde ich den Bassbereich als nachvollziehbarer und gleichzeitig physisch packender – Bassdrums besitzen konzentriertere, dynamisch anspringendere Kicks, Tiefbassimpulse wie in Yellos „Fat Cry“ (Album: Zebra; auf Amazon anhören) wirken tighter und physisch spürbarer schon bei geringeren Lautstärken.
Besteht in dieser Disziplin denn überhaupt noch ein Unterschied zum Audioquest Rocket 88? Ganz ehrlich: Kaum noch. Letzteres schaufelt noch einen Tick mehr Energie in die tiefsten Register, wirkt damit aber auch irgendwie behäbiger und deckt damit den Oberbass gefühlt etwas zu. Auch der Tiefbass in Yellos „Kiss the Cloud“ (Album: Toy; auf Amazon anhören), der gerade auf günstigeren Anlagen oft nur wie ein in der Tonhöhe seltsam undefinierter Teppich rüberkommt, mutet mit dem Rocket 11 einen Hauch facettierter, profilierter an als mit meinem Fastaudio Black Science.
Und besonders spannend werden E-Bass-Passagen, die mit dem Fastaudio-Kabel im Mix fast schon ein wenig untergehen. Nicht nur arbeitet das Audioquest Rocket 11 sie besser heraus, es erlaubt dem Hörer wiederum besser, die Tonhöhenverläufe und damit verbunden die Klangfarbenschattierungen zu bewundern.
Aber bitte mit Sahnecreme
Über diesen beweglichen und Tonhöhenverläufe bestens definierenden Bass schließt sich nahtlos ein transparenter, aber härtefreier Mittelton an. Zusammen mit dem federnden Tieftonbereich wirken das ganze Klangbild und das musikalische Geschehen sehr fluide und beweglich, zumal das Audioquest Rocket 11 nuanciertere feindynamische Abstufungen zeitigt als etwa das erwähnte Black Science. Ich bin geneigt zu sagen, dass Transienten vom AudioQuest Rocket 11 in allen Frequenzbereichen quasi einen nachdrücklichen Identitätsbonus erhalten, auch dank besagter Transparenz des Mitteltons. Zum Beispiel treten Bongos sehr impulsiv und zeitlich präzise modelliert aus dem Mix heraus. Das wirkt insgesamt etwas zackiger und trockener in der Ansprache als mit dem Black Science, das im Gegenzug etwas sattere Klangfarben einbringen kann.
Angenehm zurückhaltend
Im allerhöchsten Hochton schließlich erscheint mir das Audioquest Rocket 11 im Vergleich zu Top-Kabeln wie dem Graditech Lumi 3 oder auch meinem gerade neu eingetroffenen Gutwire Chime 3 eher zurückhaltend und gefühlt auch irgendwann gedeckelt, was aber auch nicht anders zu erwarten war. Noch mehr Ausdehnung nach oben hin wäre schon eher erstaunlich gewesen, zumal es in dieser Sache nur minimal hinter dem großen Bruder Rocket 88 zurückbleibt. Im mittleren und oberen Hochton, also zwischen etwa 3.500 und 10.000 Hz, gibt sich das Rocket 11 zwar ebenfalls zivilisiert, gleichwohl für die Preisklasse recht schnell, differenziert und – das eigentlich Bemerkenswerte – mit einer geradezu sanften Textur des Klangbildes, die häufig nur wesentlich teurere Kabel und Komponenten leisten. Aber wenn es um absolute Analytik geht, zeigt ihm dann das Rocket 88 die Grenzen auf, ohne jedoch die angenehme und härtefreie Darstellung von Schlagzeugbecken oder Wiedergabe von Sibilanten zu bieten, die das Rocket 11 meiner Meinung nach in dieser Preisklasse fast als Alleinstellungsmerkmal mitbringt.
Die Abbildung des Audioquest Rocket 11 gerät horizontal und vertikal weiträumig, staffelt aber im Verbund mit meinen Lautsprechern hORNS Mummy nicht allzu sehr in die Tiefe hinter die Lautsprecherebene. Und die dreidimensionale Darstellung geht zwar in Ordnung, ich würde sie aber auch nicht gerade holografisch nennen, das Rocket 11 platziert Akteure und Instrumente etwas diffuser auf die virtuelle Bühne als etwa das Rocket 88, das in dieser Disziplin die größten Punktgewinne erzielt.
Angesichts der Preisklasse des 11ers und der Fähigkeiten der wahrscheinlich zum Zuge kommenden Elektronik und Lautsprecher, wäre alles andere aber auch eher die Kür als die Pflicht. Entscheidend ist vielmehr, dass Audioquest bei seinem Einstiegsmodell das Augenmerk auf eine dynamisch und tonal tadellose Vorstellung mit hoher musikalischer Spannung legt.
Übrigens habe ich mich nicht davor gescheut, mal 12,50 Euro in die Hand zu nehmen, um mir im Baumarkt sechs Meter Standardstrippe (4 mm²) zu kaufen und direkt nach dem Hörgenuss mit dem Rocket 11 an meine Mummys anzuschließen – man muss auch Opfer bringen können! Das Resultat kann ich kurzfassen: Vergleichsweise undefiniert, belegt, diffus tönt das, was dann aus den Treibern kommt; seltsam ungelenk und inhomogen. Es ist also wirklich erstaunlich, wie signifikant man schon mit so einer relativ günstigen Option klanglich weiterkommen kann.
Test-Fazit: AudioQuest Rocket 11
Angenehm feinsinnig, transparent, auch untenrum druckvoll – aber nicht bassbetont – und im Hochton seidig-zurückhaltend, ohne dass es dadurch tonal zu dunkel würde: Das AudioQuest Rocket 11 gibt sich tadellos ausbalanciert. Einen genussbetonten Charakter hat das kleine 11er gleichwohl, was mich ein wenig an die klangliche Signatur von Norma-Audio-Verstärkern erinnert. Die federnde, losgelöste, unangestrengte Gangart des Audioquest Rocket 11 und seine Musikalität sind in dieser Preisklasse außerordentlich hoch zu bewerten, die leichten Schwächen in der Tiefenstaffelung und plastischen Abbildung dagegen verschmerzbar.
Während Abbildungsfanatiker also wahrscheinlich etwas tiefer in die Tasche greifen müssen, um ihr Traumkabel zu finden, werden Fans dynamisch betonter Musikgenres mit dem Rocket 11 bestens bedient. Aufgrund der insgesamt sehr kultivierten und „unstressigen“ Gangart würde ich das Audioquest Rocket 11 insbesondere an Anlagen sehen, die eine Tendenz zur nüchternen Analytik besitzen, und denen ein langzeittauglicher Hochton und dynamisch involvierende Musikalität im Bass und Mittelton gut tun könnten. Also: Das kann was!
Fakten:
- Modell: Audioquest Rocket 11
- Konzept: Lautsprecherkabel „von der Rolle“
- Preis: 15 Euro/Monometer
- Sonstiges: LGC (Long Grain Copper), Querschnitt: 4 x 1,31 mm2 , Doppelhelix, PVC-Ummantelung
- Garantie: 2 Jahre
Vertrieb:
AudioQuest
Hoge Bergen 10 | 4704 Roosendaal
Telefon: 0800-1815284 (deutschsprachig, gebührenfrei)
E-Mail: info@audioquest.nl
Web: www.audioquest.de
Test: Audioquest Rocket 11 | Lautsprecherkabel