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Selwyn Birchwood – Living In a Burning House

Die Zukunft des Blues ist gesichert – solange es Musiker wie Selwyn Birchwood gibt. Dieser junge Gitarrist, Sänger, Bandleader und Songwriter ehrt die große Tradition des Blues und verpasst ihr mit viel Geschick und Humor eine Frischzellenkur. Was für einen Riesenspaß das beim Zuhören macht, zeigt sein neues Album Living In a Burning House. Auch klanglich ist die bei Alligator Records erschienene Platte mit ihrem druckvollen und kristallklaren Sound allererste Sahne.

Cover_Birchwoord

Birchwood gehört mit Marcus King, Gary Clark Jr. oder Larkin Poe zu den jungen Erneurern, die den Blues mit Elementen aus Funk, Soul, Rock oder auch Hip-Hop anreichern. So kommen neue, frische Farben in den Bluesrock, doch hier passiert mehr. Birchwood schöpft aus seinem ganz eigenen „Farbkasten“ und verleiht den 13 Songs absolute Eigenständigkeit. Living In a Burning House wirkt so, als hätte der gutgelaunte Lockenkopf den Blues in seine Einzelbestandteile zerlegt, um diese dann mit viel Witz und noch mehr Können und Geschmack neu zusammenzubasteln. Was sich daraus ergibt, nennt Birchwood „electric swamp funkin‘ blues“.

© Ivy Neville

Er hätte noch andere Stile nennen können, denn allein schon der rockige Titelsong wartet mit jeder Menge Funk auf und schmuggelt in den Blues noch eine Prise Reggae. Grandios gelingt Birchwoods Revitalisierung des Blues mit dezidierten Südstaatengewürzen in dem köstlichen „Mama Knows Best“. Die unterschiedlichen Sprecherrollen von Sohn und Mutter sind musikalisch gedoppelt: Funky groovender Swamp-Blues untermalt den Sohn, in Mamas Antworten liegt soulgrundierte Gospelurkraft. Diunna Greenleaf gibt als Souldiva mit stimmlicher Virtuosität die altkluge Mutter. Birchwood beweist viel Humor, der in wortspielerischen Wendungen seine Texte prägt.

© Ivy Neville

In genau der richtigen Körnung raut die Schleifpapierstimme des Bandleaders die Songs auf; daneben hat Birchwood aber auch mit frischen, einfallsreichen Licks und Soli auf E-Gitarre und E-Lapsteel-Gitarre einiges zu bieten. Was allerdings entscheidend dazu beiträgt, dass dieses Album wie Hölle groovt, ist Birchwoods erstklassige Band. Saxophonist Regi Oliver holt mal den Jazzer raus („She’s a Dime“), mal gibt er den Baritonsax-Einheizer, der Bassist Donald Wright hat nicht nur klanglich richtig Pepp, sondern ist der brodelnde Urgrund für den funky Sound des Albums.

Selwyn Birchwood Band, Funky Biscuit 1/26/18

© Jay Skolnick

Den Vogel allerdings schießt Drummer Philip Walker ab. Immer wieder betont er nach Lust und Laune synkopierte Schläge. Das erinnert an übermotivierte Streetband-Schlagwerker aus New Orleans, die an allen möglichen Stellen rund um den Grundschlag ihre Akzente setzen. Zu Birchwoods funkigem Blues passt dieses launische Drumming wunderbar, etwa in „I Got Drunk, Laid and Stoned“. Mit Living In a Burning House ist dieser überragenden Band ein Volltreffer gelungen.

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Soen – Imperial

Cover_Soen

Auch bei der schwedischen Metalband Soen nimmt das Schlagzeug eine prominente Stelle ein. Drummer Martín López ist der Fixstern, um dessen einfallsreiches, vertrackt-virtuoses Spiel die kristalline Stimme von Joel Ekelöf ihre melancholischen Bahnen zieht und eine unvergessliche Hookline nach der anderen veredelt. Soen hat die Mischung aus deftigem Progmetal-Riffing, Ekelöfs schwerelosem Klargesang, aus Härte und elegischen Mollmelodien zu seinem Markenzeichen gemacht und auf dem letzten Album Lotus (2019) zu einem (vorläufigen?) Höhepunkt gebracht. Zwischenzeitlich nutzte das Quintett die coronabedingte Bühnenauszeit, um intensiv am Nachfolger Imperial zu arbeiten.

SOEN_c_Inaki Marconi

© Inaki Marconi

Auch diesmal erkennt man Soen bereits nach wenigen Sekunden. Alle bekannten Trademarks sind bis hin zu den etablierten Ein-Wort-Songtiteln da – aber doch ist das Ergebnis diesmal anders. Der Opener „Lumerian“ holt die Metalheads ab und packt sie mit aggressiven Staccati bei der Gurgel, ehe Ekelöfs Melodien verschattete Stimmungen verbreiten. Aber viel mehr als früher macht der Sänger Druck und nähert sich mitunter dem Metalshouter. Nach diesem von der Studiotechnik aufgemotzten Anfang klingt „Deceiver“, das mit etwas seichten Ingredienzen auf die Zustimmung feiernder Mähnenschwinger schielt, irritierend stumpf. Überhaupt ist es eigenartig, dass die Songs sehr unterschiedlich produziert sind und manchmal Schlagzeug und Stimme stark in den Vordergrund rücken. Auch die als Hallraum der Melancholie verwendeten Echos auf der Stimme sind etwas inflationär eingesetzt.

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© Ola Lewitschnik

Die progressiven Ausflüge, die Soen sich in der Vergangenheit gönnten, weichen auf Imperial deutlich kompakteren Arrangements. Auch die modal gefärbte Harmonik früherer Alben ist etwas eingeebnet. Ein Schaden ist das nicht, denn die sozialkritischen, gegenwartsorientierten Songs haben auch in ihrer kompakten Form noch genug Substanz, vor allem jene ab dem dritten Track „Monarch“, der in seiner gelungenen Verschmelzung von Eingängigkeit und fein gesetzten, abwechslungsreichen Details im Arrangement beispielhaft ist. Ein Song wie „Modesty“ nimmt mit geradezu melodisch ausgearbeitetem Drumming gefangen und hat mit irregulären Rhythmen genug Reiz für Proggies. Ein mindestens ebenso starkes Argument ist aber wieder Joel Ekelöfs eindringliche Stimme und seine melodischen Erfindungen, die leicht in die Ohrmuschel hineinkriechen, aber kaum mehr heraus. Während allerdings der Vorgänger Lotus die gesamte Band auf den audiophilen Präsentierteller holte und die Platte zu einem Soundleckerbissen im Metalbereich macht, hat der neue Produzent Iñaki Marconi (Mix: Kane Churko) für jeden Song eine eigene klangliche Vorstellung verwirklicht. Das muss man mögen. Ein überzeugender Wurf ist Imperial trotzdem, auch wenn es Lotus nicht überflügeln kann.

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Kai Strauss – In My Prime

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Auch Kai Strauss, einer der tonangebenden Bluesgitarristen (nicht nur) hierzulande, hat in seinen musikalischen Kosmos frischen Wind gebracht. In My Prime, sein neues Album, ist durchweht von funkigen Südstaaten-Grooves. Dass der vielfach ausgezeichnete Musiker zusammen mit seiner Band The Electric Blues Allstars zu den besten seiner Zunft gehört, unterstreicht er mit diesem Topalbum.

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© Karo Achten

Seine Gleichung „Gefühl = Timing x Ton“ geht auch hier wunderbar auf. Wie schon auf der vorangegangenen Liveplatte erweist sich Kai Strauss als Meister der perfekt gesetzten Töne, als Rubato-Magier der alten Schule, der bedeutsame Zwischenstationen seiner Soli um Nuancen neben den Grundschlag setzt und so Lebendigkeit und Intensität erzeugt. Dieses untrügliche Feeling macht auch den warmen, vollen Ton des bekennenden Strat-Fans aus. Man kann von Glück sagen, dass Kai Strauss auch als sein eigener Produzent eine glänzende Figur macht. Alles klingt so direkt und echt, als spielte die Band im selben Raum. Man braucht nur die filigran zischelnden Hi-Hat-Triolen in „You’re Killing My Love“ nehmen, den schlank-griffigen, treibenden Bass in „Guest In the House of the Blues“ oder das Zusammenspiel von Gitarre, Bass, Schlagzeug, Tasten und Bläsern im ideal positionierten Eingangsstück „Going to London“.

Kai Strauss

© Manfred Pollert

Die mit viel Luft für alle Beteiligten angelegten Arrangements sind klanglich mit Gespür eingefangen. Schade, dass auf der LP-Version solche packende Slowburner wie „Put That Bottle Down“ oder „Keep Your Happy Home“ keinen Platz gefunden haben. Dafür lässt die Vinyl-Fassung in Sachen Räumlichkeit keine Wünsche offen. Und dass die fulminanten Soli von Kai Strauss vor Emotionalität glühen, braucht man wohl nicht extra zu betonen. In My Prime ist eine Visitenkarte für den Blues-Olymp.

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