Wilson Benesch ist für HiFi-Freunde kein unbeschriebenes Blatt. Seit 1989 aktiv, hat sich das im englischen Sheffield ansässige Unternehmen einen Namen als Hersteller hochwertiger Lautsprecher und Analoglaufwerke gemacht. Das erste Produkt der Briten war ein Schallplattenspieler. Dieser Wilson-Benesch-Plattenspieler und sein A.C.T.-One-Tonarm zeichneten sich durch die Verwendung von Carbonfaserstoffen aus – damals ein ziemliches Novum bei der Konstruktion von HiFi-Geräten. Seit dieser Zeit hat sich Wilson Benesch ein Netzwerk geschaffen, das es ihnen ermöglicht, die Performance der eigenen Produkte durch den Einsatz von Hightech-Materialien und die Anwendung innovativer Techniken stets auf Top-Niveau zu halten.
Trotz betont progressiver Firmenphilosophie besitzt Wilson Benesch aber auch eine wunderbar konservative Seite: Heute wie gestern ist Wilson Benesch Ltd. ein reiner Familienbetrieb, dem Gründer Craig Milnes, unterstützt von Frau Christina und Sohn Luke, der für Marketing und Vertrieb verantwortlich zeichnet, vorstehen. In Zeiten, in denen viele einstmals große Namen der britischen HiFi-Szene von Konzernen aufgekauft und auch nur deshalb überleben konnten, keine Selbstverständlichkeit.
Nachdem es hierzulande zwischenzeitlich etwas ruhiger um den englischen Hersteller geworden war, hat sich der neue Deutschlandvertrieb IAD (Web: https://www.wilson-benesch.de/) vorgenommen, genau dies zu ändern und die technisch versierten Produkte Wilson Beneschs wieder in den Fokus der hiesigen Highend-Community zu rücken. Zu diesem Zweck lud man Ende April nach Hamburg, wo man der versammelten HiFi-Presse Lautsprecher aus Wilson Beneschs neuer Fibonacci-Serie präsentierte. Die Serie ist oberhalb der bereits ambitionierten Precision-Baureihe (siehe Test der Wilson Benesch Precision P1.0) positioniert und ersetzt die bisherige Geometry-Linie.
Fibonacci-Reihe? Klar, Sie wissen natürlich, was gemeint ist. Ich musste allerdings noch mal kurz bei Dan Brown nachschlagen, in dessen Bestseller Sakrileg den Zahlen der Fibonaccireihe eine wichtige Rolle zukommt … Falls Sie die Definition ad hoc nicht parat haben sollten, hier der entsprechende Link zur Wikipedia. Die Zahlen der Fibonaccifolge beschreiben eine Art natürliches Wachstumsgesetz und stehen im Zusammenhang mit dem sogenannten Goldenen Schnitt. Und ja, Ähnliches gilt wohl auch für die Proportionen und einzelnen Konstruktionsdetails der Wilson-Benesch-Schallwandler.
Typisch für den britischen High-End-Hersteller ist, dass auch diesmal richtig Forschung betrieben wurde, und zwar im Rahmen des sogenannten SSUCHY-Projekts. Die ungewöhnliche Abkürzung steht für „Sustainable Structural & Multifunctional Bicomposites from Hybrid Natural Fibres & Bio-Based Polymers“. An diesem von der EU mit 7,5 Millionen Euro geförderten Forschungsprojekt haben sich 13 Universitäten, verschiedene Bluechip-Konzerne und vier mittelständische Unternehmen beteiligt – eines davon: Wilson Benesch.
Das Wilson-Benesch-Event
Als Ort des Wilson-Benesch-Events wurden die großzügigen Räume von Fidelity auserkoren, einem HiFi-Händler mit Ambitionen auch in Sachen Kunst und Architektur. Hans-Joachim Acker, Geschäftsführer und Eigentümer, stellte nicht nur die geeignete Location, um die hochwertigen Lautsprecher optisch wie klanglich perfekt in Szene zu setzen, sondern erwies sich auch als Gastgeber, dem das leibliche Wohl seiner Gäste am Herzen liegt (danke dafür, Hans-Joachim!).
Wilson Beneschs Fibonacci-Serie wird, wenn die Markteinführung aller Modelle erfolgt ist, aus insgesamt sechs Lautsprechern bestehen: dem Monitorlautsprecher Discovery 3Zero mit passendem Ständer für 24.990 Euro pro Paar sowie den Standlautsprechern A.C.T. 3Zero für voraussichtlich 42.990 Euro (Markteinführung im Sommer 2022), Endeavour 3Zero für 47.990 Euro und der Resolution 3Zero für 64.990 Euro. Wilson Beneschs Top-Referenz Eminence, die bereits 2019 anlässlich des dreißigjährigen Firmenbestehens gelauncht wurde, wird künftig an der Spitze der Fibonacci-Serie stehen. Ihr Preis: 189.000 Euro. Die Lücke zwischen Eminence und der Resolution 3Zero soll die Omnium füllen, die die Briten auf der diesjährigen, nach coronabedingter Zwangspause wieder stattfindenden High End in München vorstellen wollen. Der Preis des laut Hersteller ersten vollständig nachhaltig produzierten Schallwandlers aus Sheffield wird vermutlich bei 129.000 Euro liegen.
Hier in Hamburg gab es neben der kompakten Discovery 3Zero auch die Resolution 3Zero zu bestaunen und zu hören. Und natürlich die knapp zwei Meter hohe und 145 Kilogramm schwere Wilson Benesch Eminence.
Am Beispiel des Top-Models verdeutlichte der eigens angereiste Luke Milnes, welch enormer konstruktiver Aufwand in den Modellen der Fibonacci-Linie steckt. Viele der Konstruktionsdetails des Referenzmodels finden sich auch bei den anderen Schallwandlern der Fibonacci-Serie wieder. So verfügt beispielsweise schon das kleinste Model der neuen Serie, die Discovery 3Zero, über dieselben Treiber, die in der großen Eminence verbaut werden. Wobei der Terminus „klein“ schnell in die Irre führen kann, denn der monitorartige Lautsprecher schlägt, wie bereits erwähnt, mit 24.990 Euro zu Buche. Gegenüber der Eminence wirkt das dennoch fast wie ein Schnäppchen.
Die Lautsprecher der Fibonacci-Serie gehören zweifellos zu den kostspieligen Exemplaren der Gattung – aber man sollte sich hüten, die „Fibonaccis“ vorschnell als überteuert abzutun. Hightech-Werkstoffe und proprietäre technische Lösungen kosten schließlich nicht nur in der HiFi-Branche richtig Geld.
So ein Fall ist sicherlich auch der aus einem 100-Kilo-Aluminiumblock gefräste und resonanztechnisch optimierte, 38 Kilogramm schwere Standfuß der Eminence. Optisch wie haptisch eine Meisterleistung. Zur genauen Ausrichtung dienen Spikes mit einem Durchmesser von satten 28 Millimetern und massiven Drehknebeln, wie man sie woanders kaum je zu Gesicht bekommt.
Die Konstruktion des Gehäuses, das bei Wilson Benesch als „A.C.T. 3ZERO Monocoque“ bezeichnet wird, steht diesem Aufwand nicht nach: Supersteife Schalen aus Carbonfasern und Dämpfungsmaterial aus Bio-Composit, einem direkten Ableger des SSUCHY-Projekts, sollen zusammen mit integrierten Stahlklammern der Lautsprecherbehausung auch die letzten Resonanzen austreiben, während – quasi im Wortsinn – die „Stealth-Haube“ der Eminence die Krone aufsetzt. Das aufwendig aus Carbon gefertigte Bauteil, das in einfacherer Form bereits die Vorgängermodelle Cardinal und Bishop zierte, dient neben effektiver Dämpfung auch der Vermeidung stehender Wellen innerhalb des Gehäuses.
Der 2,5-Wege-Lautsprecher Eminence kann zur Wiedergabe tiefster Frequenzen auf das von den Briten bereits zuvor propagierte Isobaric-Drive-Antriebssystem zurückgreifen. Pro Seite kommen bei der Eminence jeweils vier Isobaric-Systeme zum Einsatz, in denen je zwei 17-Zentimeter-Tactic-II-Treiber verbaut werden. Damit schafft die Eminence echten Tiefbass mit einer unteren Grenzfrequenz von 24 Hertz bei -2 dB.
Auch in den sich anschließenden Frequenzbereichen setzt Wilson Benesch auf Treiber mit 17 Zentimeter großen Polypropylenmembranen. Die ursprünglich eigens für die Eminence entwickelte, nun in sämtlichen Modellen der Fibonacci-Serie eingesetzte Antriebseinheit „Tactic 3.0“ verfügt über ein spezielles, 3-D-gedrucktes „Fibonacci-Element“ aus einem Kohlefaser-Polymer-Verbundstoff, wodurch sich der Einsatzbereich bis etwa 4 Kilohertz ausdehnt. Wegen eines vorgeblich perfekten mechanischen Roll-offs erfolgt der Übergang zu den Hochtönern frequenzweichenlos, was eine direkte Kopplung an den Verstärker ermöglicht. Hierdurch verspricht sich der Hersteller eine besonders akkurate Feindynamik.
Der Fibonacci-Hochtöner wiederum besitzt eine Seiden-Kohlefaser-Verbundstoffkalotte, die in der Lage ist, die besonderen Anforderungen an Dämpfung und Steifigkeit zu erfüllen. Die Frontplatte trägt einen geometrisch optimierten Wellenleiter aus Carbonwerkstoff, dessen Design den Grundsätzen der Fibonaccireihe folgt. Damit sei für bestes Abstrahlverhalten und eine ideale Frequenz- und Timing-Integration des Hochtöners mit der Tactic-3.0-Mitteltoneinheit gesorgt. Der Übertragungsbereich des Hochtöners reicht bis etwa 30 Kilohertz. Auf einen Supertweeter verzichtet man bei Wilson Benesch.
Da die üblichen OEM-Zulieferer die Anforderungen nicht mit der geforderten Güte und Präzision erfüllen konnten, werden sämtliche Chassis inzwischen vollständig im eigenen Haus gefertigt. Gerade dies sei für die überragenden klanglichen Leistungen ein wesentlicher Faktor, führt Luke Milnes nicht ohne Stolz aus.
Die Hörsession
Dass er dazu allen Grund hat, ließ sich bei den anschließenden Hörsessions durchaus nachempfinden. Bereits die Discovery 3Zero zeigte mit enorm detaillierter, punktgenauer Abbildung, wohin der Hase läuft. Zwar fehlte es der nagelneuen und völlig uneingespielten kleinen „Fibonacci“ noch etwas an Druck in den unteren Lagen, doch fiel es den Anwesenden nicht schwer, das vorhandene Potenzial einzuschätzen. Wer kein wirklich ausladendes Wohnzimmer sein Eigen nennt, aber Wert auf ein großzügiges, mit beeindruckender Tiefenstaffelung aufwartendes Klangbild legt, sollte sich die Discovery 3Zero einmal anhören.
Die deutlich größere Resolution 3Zero wurde von Lumins in klassischem Class-A/B werkelnden Stereoverstärker befeuert. Nicht weniger detailliert und räumlich überzeugend als die kleine Schwester, packte der einen Meter und sechzig hohe, mit 90 Kilogramm schon ordentlich schwere Schallwandler nicht nur im Bass eine kräftige Schippe drauf. Denn nicht allein Tiefgang, auch die superbe Souveränität, mit der die Resolution etwa beim Feuervogel von Strawinsky (Sir Simon Rattle mit den City of Birmingham Symphony Orchestra) den Anschein erwecken konnte, endlich wieder in einem Konzertsaal zu sitzen, wussten zu gefallen. Tonal gab sie sich mit einer neutralen, aber keinesfalls emotionslosen Gangart als reinrassiges Mitglied der Wilson-Benesch-Familie zu erkennen, während ihre dynamischen Grenzen mit den 2×160 Watt/8 Ohm des Lumin-Amp sicher nicht vollständig ausgelotet werden konnten. Da geht vermutlich noch einiges mehr.
Wenn es eine große Wilson Benesch sein soll, wäre die Resolution 3Zero wohl mein „Lautsprecher der Vernunft“, zumindest wenn die Bereitschaft besteht, die Ausgabe von 65.000 Euro für ein Paar Lautsprecher als vernünftig anzusehen … Falls nicht, könnte die Resolution möglicherweise der Schallwandler sein, der an dieser Einstellung zu rütteln vermag.
Okay, und jetzt vergessen wir mal jede Zurückhaltung und geben uns den beiden Wilson Benesch Eminence im großen Hörraum von Fidelity hin. Konnte die Resolution bereits in nahezu allen Disziplinen Zufriedenheit verbreiten, dann spielte das Top-of-the-range-Modell noch mal in einer anderen Liga. Müßig, einzelne Disziplinen wie etwa den antrittsstarken, ausgezeichnet konturierten und sehr tiefreichenden Bass, die wunderbar durchhörbaren, bestens artikulierten Mitten oder den kräftigen, superklaren und trotzdem stets stressfreien Hochton herauszugreifen. Eher sollte die schlafwandlerische Sicherheit und Präzision, mit der die Eminence Größenverhältnisse stimmig abzubilden wussten, erwähnt werden, oder dass … nein, egal, was hier zählt, ist das Gesamterlebnis. Einmal mehr schien die Summe aller Teile so viel mehr zu sein als ihre reine Addition.
Nehmen wir wieder den Feuervogel: Den Konzertsaal in Birmingham habe ich in seiner räumlichen Anmutung noch nie so lebensecht empfunden. Das tiefe Grollen der großen Trommeln noch nie so bedrohlich erlebt. Oder Fleetwood Macs „The Chain“ (Album: Rumours; auf Amazon anhören) – das klang über die Wilson Beneschs nicht wie eine olle Kamelle aus den Siebzigern, sondern so frisch, als habe Mick Fleetwood das Ding am letzten Wochenende gerade erst geschrieben. Und auch der allseits bekannte Helikopter aus Pink Floyds Opus The Wall drehte im Hörraum überzeugend seine Runden. Es machte einfach höllisch Freude, jedwede Art von Musik über die Eminence zu hören. Sicherlich können Sie mit ihnen Klänge auch ganz akademisch sezieren und bis in die letzte Pore einer Aufnahme vordringen. Aber wozu?
Der Wilson-Benesch-Vertrieb hat übrigens bestätigt, dass die Eminence auch in München auf der High End zu hören sein werden. Und weil sie bis dahin vermutlich richtig gut eingespielt sein werden, dürfen Sie sich auf etwas gefasst machen. Ich jedenfalls werde mir das nicht entgehen lassen.
Vertrieb:
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Web: https://www.wilson-benesch.de/
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