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Musikproduktion heute, Teil 2: Recording und Editing

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Musikproduktion heute, Teil 2: Recording und Editing

April 2014 / Nick Mavridis

In Teil 1 dieser Serie hatte ich besonders das „Einfangen“ von Musik im Studio dargestellt und vor allem von den dafür notwendigen Mikrofonen und den Standard-Mikrofonierungstechniken berichtet.

Es ist naheliegend, dass es essentiell ist, in einer möglichst guten Abhörsituation beurteilen zu können, was die Mikrofone aufzeichnen. Dazu ist ein separater Raum notwendig, die sogenannte Regie, in welcher später auch gemischt wird. Die Bauakustik wird in seltenen Fällen sogar so weit getrieben, dass Aufnahme- und Regieraum auf separaten Fundamenten(!) stehen, üblicherweise begnügt man sich aber mit einer ordentlichen Entkoppelung, was besonders bei der gewünschten Herstellung von Sichtkontakt durch Scheiben schon Herausforderung genug ist.

Die Lautsprechersysteme in Regieräumen werden meist „Monitore” genannt, was deren Aufgabe recht treffend beschreibt. Hier geht es in erster Linie darum, beurteilen zu können, so dass alle Anforderungen an eine „analytische“ Hörsituation, wie sie im HiFi oft ebenfalls gewünscht ist, vorhanden sind. Nicht gewünscht sind Schönfärbereien jeglicher Art oder sonstige Eigenschaften, die das Auffinden von Problemen oder das Erkennen bestimmter klanglicher Nuancen erschweren oder gar verhindern könnten.

gitarre

An dieser Stelle muss allerdings zugegeben werden, dass im so manchen auch etwas größeren Tonstudio die Abhörsituation alles andere als optimal ist. Allzu oft stehen Arbeitsergonomie (es wollen schließlich viele Geräte, vor allem ein Computer- und/oder bisweilen riesige Mischpultsystem untergebracht und bedient werden), schlechte räumliche Grundvoraussetzungen, ein zu kleines Budget oder sogar das Desinteresse an dieser Thematik der besten Lösung entgegen. Nicht selten wird optisch ansprechenderen Lösungen der Vorzug gegeben. Allerdings sind auch schon unter eigentlich katastrophalen Voraussetzungen hervorragende Aufnahmen entstanden, denn sehr wichtig ist die Erfahrung des Tontechnikers in seiner Hörsituation – diese ist mehr wert als jede noch so ideale Monitoringsituation.

Mit mehreren Mikrofonen wurde schon recht früh gearbeitet. Eine einfache Multimikrofon-Aufnahme wird unter Zuhilfenahme eines analogen Mischpultes erstellt, welches seines Namens waltet und die verschiedenen Signale zusammenführt – natürlich mit unterschiedlichen Pegelanteilen und teilweise nach einer Signalbearbeitung. Mischpulte benennt man unter anderem nach der Anzahl der Kanäle. Grob gesprochen ist der Kanal die Möglichkeit, ein Signal zu führen, ein 24-Kanal-Mischpult kann also 24 verschiedene Mikrofon- oder andere Signale zusammenmixen. Dieses zusammengemischte Signal wurde früher auf eine Mono- und später Stereo-Bandmaschine geschrieben und nach weiteren Bearbeitungsschritten auf Vinyl gepresst.

Prinzipiell ist diese Vorgehensweise auch heute noch möglich, doch hat sich schon vor fünfzig Jahren eine Entwicklung ergeben, auf deren Praktikabilität man heute eigentlich nie verzichten will: das Mehrspurverfahren. Dieses Multitracking ermöglicht es, früher vier, acht, sechzehn, vierundzwanzig und heute eigentlich unbegrenzt viele Spuren aufzunehmen. Früher waren es Magnetbandmaschinen, auf die aufgezeichnet wurde, die heute aufgrund hoher Betriebskosten, vor allem aber aufgrund ihrer Restriktionen meist obsolet geworden sind (aber gleichzeitig beginnt man, ihre spezifischen Klangeigenschaften zu vermissen).

studio: monitore und computer

Typisches Studio-Setup im SAE Institute Köln: Mischpult, Abhörmonitore für Stereo und Surround, Monitore der DAW (rechts im Bild)

Heutzutage ist es fast immer die Computerfestplatte, auf die aufgenommen wird. Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch die Massenproduktion gibt’s preiswerten Speicherplatz, die Zugriffe sind einfach, ein Großteil der Software- und Hardwarestruktur muss nicht von spezifischen Audio-Unternehmen bereitgestellt werden, da die Systeme auf die vorhandenen Hardwareschnittstellen und die Betriebssysteme aufsetzen können. Außerdem sind durch die dann „Digital Audio Workstation“ (kurz: DAW) genannten Systeme so einige Tricks und Kniffe möglich, ohne die die meisten Produktionen jüngeren Datums nicht mehr auskommen würden. Im zweiten Teil dieses Grundlagenartikels werde ich mich in erster Linie diesen Möglichkeiten widmen – so umfangreich und wichtig sind sie mittlerweile geworden!

Da zur Verwendung von Audiodaten auf einem Computersystem diese in digitalisierter Form vorliegen müssen, fällt dem Converter eine besondere Rolle zu. Wie der in HiFi-Kreisen bekannte DA-Wandler ist es im Recording der AD-Wandler, dem die wichtige Übersetzungsaufgabe zufällt (nur eben in die andere Richtung) – und die er eher schlecht oder auch sehr gut bewerkstelligen kann. Hochwertige Wandlersysteme sind oft deswegen kostspielig, weil ja nicht nur ein Stereosignal, sondern meist 16 oder mehr simultan gewandelt werden müssen.

Anders als bei Stereo- oder vielleicht Surround-DA-Systemen ist es aufnahmeseitig schon eine zu diskutierende Frage, ob hohe Samplerates wirklich in jeder Situation sein müssen: Schließlich muss man das Mehr an Daten nicht nur speichern, sondern auch über Schnittstellen jagen und an vielen Stellen digitales Signalprocessing betreiben, was eine entsprechende Hardware voraussetzt.

Schon zu Zeiten der mehrspurigen Magnetbandmaschine war es möglich, Spuren eben nicht einfach alle gleichzeitig aufzunehmen, also live einzuspielen, sondern nacheinander. Im sogenannten Playback- oder Overdub-Verfahren können Instrumente hintereinander gespielt werden, was zum Beispiel verhindert, dass komplett neu angesetzt werden muss, sobald sich einer der Musiker verspielt. Soll ein zusätzlicher Schellenkranz vom Trommler gespielt werden oder eine Gitarre gedoppelt werden, um einen dichteren, tieferen Klang zu erhalten, vielleicht aber auch in der zweiten Strophe der Sänger eine Spur im Terzabstand hinzufügen, ist all dies möglich und wird stellenweise exzessiv genutzt.

So ist es keine Seltenheit, wenn für eine aktuelle Pop-Produktion eine dreistellige Spurenzahl verwendet wird und trotz nur dreiminütiger Songdauer mehrere hundert „Spurminuten“ zusammenkommen. Dass unter diesen Voraussetzungen die Bearbeitung und der Mixdown nicht gerade leicht sind, ist naheliegend. Natürlich kann durch das Ausbleiben der musikalischen Kommunikation im Jetzt auch einiges auf der Strecke bleiben: Die meisten E-Musik-Produktionen sind auf diese Art kaum denkbar, ähnliches gilt für Jazz, aber auch beispielsweise Punkrock, der seine Energie ja aus seiner Spontaneität bezieht.

takefolder
Aus verschiedenen Takes wird die später zu hörende Linie (oben) zusammengeschnitten

Das Playbackprinzip stellt natürlich besondere Ansprüche an die Infrastruktur im Studio. Hier kommt das Mischpult wieder ins Spiel, denn der Aufnehmende muss ja das hören können, was sich bereits auf Band befindet. Auch in vielen „volldigitalen“ Studios ohne analoges Mischpult ist die Sektion, die den individuellen Kopfhörermix für den Musiker bereitstellt, analog, denn digitale Systeme erzeugen immer eine „Latenz“, also Verzögerung des eigenen Signals auf dem Kopfhörer. Wie störend das ist, kennen wir eventuell von Reflexionen der eigenen Stimme beim Telefonieren mit Mobiltelefonen.

Auch wenn es das Klischee vielleicht anders will: Ein Schlagzeuger trommelt ungern zum Metronom stumpf vor sich hin: Für ihn wird oft ein „Guide Track“ aufgenommen mit Klavier oder Gitarre und Gesang. Je nach Instrument muss auch nicht eine gesamte Spur am Stück gespielt werden. Mit sogenannten Drops kann spontan oder auch an einer vorbestimmten Stelle von der Wiedergabe in die Aufnahme gewechselt werden, um etwa Fehler auszubügeln, genug Zeit zum Umgreifen oder Atmen zu haben oder einen anderen Sound zu wählen. Besonders Gesang wird oft in vielen einzelnen Talkes aufgenommen, später wird dann beispielsweise aus den 34 aufgenommenen ersten beiden Zeilen der zweiten Strophe der beste Take ausgewählt. Ein solches Flickwerk findet man auch bei Aufnahmen, bei denen man eigentlich nicht damit rechnen würde, so wird auch in der Klassik zusammengeschnitten. In diesen Fällen werden allerdings weiterhin alle Signale gemeinsam aufgenommen, einzelne Instrumente werden nur in Ausnahmefällen per Overdub hinzugefügt.

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