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MIDI, Sampling & Co

Inhaltsverzeichnis

  1. 3 MIDI, Sampling & Co

Eine Technologie namens MIDI trat in den 1980er Jahren auf den Plan und revolutionierte weite Teile der Musiktechnik. Fortan war es möglich – besonders im Bereich der Tasteninstrumente – nur die reinen Steuerdaten aufzuzeichnen statt des tatsächlichen Klanges. Einfach gesprochen zeichnet hier ein sogenannter Sequenzer die Information auf, wann welche Taste wie stark gedrückt wurde – dies sind pro Tastendruck einfach nur Zahlen. Für die Tonhöhe beispielsweise steht ein Wertevorrat von 128 zur Verfügung, es können also dementsprechend viele unterschiedliche Tonhöhen dargestellt werden. Hier wird übrigens eine Restriktion deutlich: Ein Posaunist beispielsweise kann sich lang nach dem Anregen des Tons entscheiden, auf welcher Tonhöhe er landen will – und hat zumindest theoretisch unendlich viele Tonhöhen zur Verfügung, da die Tonhöhe nicht wie beim Klavier „gerastert“ ist. Außerdem ist es so gut wie unmöglich, derartige MIDI-Informationen aus dem Posaunenspiel verlässlich zu generieren.

Durch MIDI ist es aber möglich, eine versehentlich zu tief angeschlagene Taste im ansonsten hervorragenden Solo einfach auf ihre angedachte Tonhöhe zu schubsen – das ist in Sequenzer-Programmen wirklich nur ein einziger Mausklick. Gleiches gilt für die Anschlagstärke, diese ist nur ein Wert von 1-127. Und es geht noch weiter: Der Sequenzer merkt sich den Zeitpunkt eines Befehls als „musikalische Zeit“. Dadurch sind sehr umfangreiche Veränderungen möglich. Natürlich lässt sich einfach eine angeschlagene Taste vor- oder zurückschieben, doch lässt sich auch im Bereich Groove einiges regeln:

Nicht immer ist das genaue, eiserne Spiel auf den jeweiligen Zählzeiten das, was ein Song benötigt, vielmehr ist es das leichte Vorziehen und Verschleppen, was im Zusammenspiel mit Anschlagstärken das ausmacht, was wir als Groove bezeichnen. Es lassen sich sogar eingespielte Spuren eines Instruments als Groove-Referenz nutzen und auf andere „stempeln“. Und ist der Song etwas zu langsam oder zu schnell, benötigt zum Refrain hin eine gewisse Steigerung, oder ist die Grundtonart für die Sängerin unpassend: Kein Problem, das wird geändert.

midi editor

Die eigentlichen Daten (in der List als solche erkennbar) sind mit verschiedenen Editoren bequem zu bearbeiten

library

Bei Bedarf lassen sich fertige Instrumentenparts zu Songs hinzufügen – es werden teilweise ganze Musikstücke auf diese Art und Weise aufgebaut!

Die Klangerzeugung freilich kann im Falle der MIDI-Nutzung nicht mehr natürlich sein, doch sind heute derart hochwertige und leistungsfähige Systeme verfügbar, dass es selbst manchen Instrumentalisten und Tontechnikern schwerfällt, echte von „artifiziellen“ Aufnahmen zu unterscheiden. Die üblicherweise für natürlich wirkende Klänge verwendete Technik ist übrigens nicht die reine Errechnung des Klanges auf Basis irgendwelcher Modelle, sondern die tatsächliche Aufnahme in einzelnen Tönen, Artikulationen, Anschlagstärken und dergleichen. Diese „Sampling“ genannte Technik macht beispielsweise einen Bösendorfer Flügel in einem hervorragenden Raum mit einer hochwertigen Aufnahmekette verfügbar.

Praktisch: Sampler sind üblicherweise gar keine externen Geräte mehr, sondern stehen gleich als Plug-Ins bereit, das heißt als kleine Progrämmchen, die innerhalb einer großen Musiksoftware laufen. Von Sampling-Instrumenten wird aus nachvollziehbaren Gründen häufiger Gebrauch gemacht als man vielleicht denkt. Ich kann sie aber beruhigen: Ihre Klassikaufnahme wird konventionell aufgezeichnet sein, bei Filmmusik lohnt aber ein Blick ins Kleingedruckte: Ein Hollywood-Scoring mit echtem Orchester verschlingt gerne mehr Budget als für einen ganzen deutschen Kinofilm zur Verfügung steht. Musikproduktion geht teilweise sogar so weit, dass nach dem Baukastenprinzip einfach nur vorgefertigte Bestandteile zusammengesteckt werden, also sich wiederholende Phrasen diverser Instrumente, ja sogar Vocals. Musik ist manchmal doch zu sehr eine Ware, als dass die romantische Vorstellung des detailverliebten Genies ständige Realität sein könnte.

Was mit dem Tonbandschnitt begonnen hat, ist natürlich ebenfalls die Evolutionsleiter hinaufgeklettert: Die angesprochenen DAW-Systeme ermöglichen schon eine ganze Weile die non-lineare und non-destruktive Arbeit mit aufgezeichnetem Audiomaterial. Dies bedeutet, dass ein Schnitt nicht am Original stattfindet (welches dann im Zweifel zerstört ist), sondern dass die eigentlich aufgenommene Datei unversehrt bleibt. In der DAW werden lediglich Anweisungen gegeben, wann und wo welcher Teil dieser Audiodatei wiedergegeben wird. Dadurch ist es natürlich auch möglich, den schwierigen Akkordwechsel nur einmal vernünftig hinbekommen zu müssen – er wird im Song einfach mehrfach verwendet. Mit ein wenig Übung erkennt man in mancher Musik, ob der Instrumentalist nun ganz besonders exakt wiederholt hat, oder ob es sich um eine Kopie handelt. Achten sie beim nächsten Hörabend vielleicht einmal darauf!

song arrangement

In diesem Song erkennt man einige Schnitte im Material – die oberen Spuren sind Schlagzeugsignale, ganz unten die Vocals

Ebenfalls achten kann man auf hörbare Schnitte. Was bei manchen Radiobeiträgen aus Zeitmangel und Kurzlebigkeit eines Beitrags hingenommen werden muss und toleriert werden kann, ist bei manchen Musikproduktionen ärgerlich. Die wundervolle Aufnahme von „Nobody’s Fault But Mine“ der englischen Sängerin Beth Rowley etwa leidet immens unter den Schnittknacksern im Bereich des Solos. So mancher Spielfehler wäre vielleicht sogar sympathisch gewesen, aber auf diese Art wird man doch schnell daran erinnert, dass zwischen der künstlerischen Tätigkeit und dem Hörgenuss doch eine Menge Technik steckt.

Um gelungene, also nicht hörbare Schnitte zu erhalten, muss das zusammengeschnittene Material an den entsprechenden Stellen zueinander passen (häufig hört man im Radio unnatürliche Veränderungen der Satzmelodie), oft muss dazu ein wenig tiefer in die Trickkiste gegriffen werden. Verbreitet ist der Crossfade, bei welchem über eine Zeit von manchmal nur wenigen Millisekunden der erste Teil leiser und der daran angesetzte Teil lauter gemacht wird. Die Position, die Länge und insbesondere die Kurvenform der Fades ist dabei mitunter eine diffizile Arbeit.

crossfade

Die zwei Teile sind nicht „auf Stoß“ angesetzt, sondern gehen mit einem Crossfade (grau) sanft ineinander über, um Knackser und Klangfarbensprünge zu vermeiden

Die Vorteile von MIDI bezüglich des recht sorglosen Umgangs mit Tonhöhe und Zeit blieben echten Audio-Aufnahmen lange verwehrt. Allerdings ist in den letzten zehn Jahren deutlich Bewegung in die Sache gekommen: Heute ist es beispielsweise möglich, etwas schief gesungenen Tönen recht unauffällig wieder auf ihre angedachte Tonhöhe zu verhelfen. Mehr noch: Selbst Personen, die überhaupt nicht zu intonieren vermögen, können ihren Namen unter eine Aufnahme setzen, ohne dabei zu lügen (und erstaunlicherweise auch, ohne sich zu schämen: „Dafür ist die Tontechnik doch da, oder?“).

Der berühmt-berüchtigte Cher-Effekt übrigens ist eigentlich eine derartige Tonhöhenkorrektur. Anstatt sie jedoch verhalten einzusetzen, wurde hier bewusst extrem übertrieben. Achten Sie mal in anderen Stücken (vornehmlich aus dem Pop-Bereich) darauf, ob sie erkennen, wo weniger plakativ von diesem Effekt Gebrauch gemacht wurde – oft klingen gehaltene Töne durch den Effekt etwas starr und nach Synthesizer, Vibratos dagegen gerne mechanisch-wiederholend. Übrigens: Auch in mehrstimmigen Instrumentensignalen nur einzelne Töne in der Tonhöhe zu verändern, wird mit zunehmend besserer Qualität möglich!

Was mit Tonhöhe geht, geht auch mit Zeitpunkten. Eierte der Trommler in früheren Zeiten im wichtigen Fill-In etwas, musste man entweder neu aufnehmen oder damit leben. Mit den DAWs kam die einfachere Möglichkeit zum Schnitt hinzu, doch kann ich berichten, dass es eine mehr als nervenaufreibende Angelegenheit war, mit einzelnen Schnitten einem kränkelnden Groove auf die Sprünge zu helfen oder mehrere Spielfehler auszumerzen. Ich kann allerdings glücklicherweise genauso berichten, dass mittlerweile die Abspielgeschwindigkeiten einzelner Audiofiles auf kleinster Ebene verändert werden können – ohne dabei wie beim Magnetband gleichzeitig die Tonhöhe zu beeinflussen.

Somit ist es etwa möglich, einen etwas verzogenen Akkord der Gitarre wieder nach vorne zu befördern, oder gar in einem Raster die Schlagzeugsignale des kompletten Songs zu begradigen. Allerdings gibt es auch hier Grenzen: Erwischt beispielsweise ein Trommler eines von drei eigentlich simultan zu spielenden Instrumenten seines Sets zu früh oder zu spät, sind dessen Signale natürlich auf allen Mikrofonen – und diese dort davon schnell und ohne starke Qualitätseinbußen entfernen zu können, wird wohl noch eine Weile dauern.

warp

Das ging bis zur Jahrtausendwende im Grunde nur mit MIDI-Daten, heute auch mit Audio: Mit den Markierungen in der Zeitleiste lassen sich die Schläge an der Zeitleiste ein wenig nach vorne oder hinten verschieben

Nun hoffe ich natürlich, nicht den ein oder anderen unter ihnen desillusioniert zu haben. Es gibt auch noch sehr viele Produktionen, die bewusst auf viele der Techniken verzichten, oder – und das ist dann meist der schönste Fall – bei denen nichts dergleichen notwendig ist. Die Schlagzeugspuren eines Vinnie Colaiuta beispielsweise muss man eigentlich nie schneiden und so manche Vokaldarbietung entfaltet ihre magische Wirkung erst durch ihre eben nicht perfekte Intonation. Als Beispiel sei hier vielleicht Beth Gibbons von Portishead angeführt.

Bislang habe ich über Aufnahme und Editierung gesprochen, im nächsten, letzten Teil dieser Serie widme ich mich dem Mixing und dem Mastering – denn erst dadurch entsteht das finale Produkt.

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IOTAVX SA40

Musikproduktion: Musikproduktion heute, Teil 2: Recording und Editing

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Über die Autorin / den Autor

Equipment

Analoge Quellen: Laufwerk: Thorens TD-316 MkII mit Nagaoka MP-110

Digitale Quellen: D/A-Wandler: Lavry DA-11, Merging Technologies HAPI (AD/DA-Wandler) CD-Player: Rega Apollo

Vollverstärker: Rega Mira

Endstufen: Abacus Electronics 60-120D Dolifet

Lautsprecher: Harbeth Super HL5 Plus XD, Genelec 8010A, JBL Control 1C, Piega TMicro 5, Vogel Custom Blue, Vogel Custom White

Kopfhörer: Stax SRS-2170, Focal Celestee, AKG K240DF, Beyerdynamic DT150, Beyerdynamic Custom One, Beyerdynamic Free Byrd, Sony MD-7506, KOSS Porta Pro

Kopfhörerverstärker: integrierte Lösungen im Lavry DA-11, Merging Technologies HAPI, Harrison-Mischpult

Mobiles HiFi: iFi iDSD nano

All-In-One: Arcam Solo Mini DAB+

Kabel: Lautsprecherkabel: Oehlbach Ultrastream NF-Kabel: Vovox Link, Vovox Sonorus

Größe des Hörraumes: Grundfläche: 51 m² und 12 m² Höhe: 2,3 m und 2,1-2,6 m