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Juni 2013 / Ralph Werner
Mundorf – die Marke kennt wohl jeder, der auch nur drei HiFi-Testberichte in seinem Leben gelesen hat. Welcher Hersteller elektronischer Bauteile ist schon bekannter? Gerade wenn es um Lautsprecher-Frequenzweichen geht, scheint der Name fast schon omnipräsent zu sein.
Vielleicht ist diese Wahrnehmung aber auch etwas „deutschlandzentiert“, weil wir Journalisten in unseren Berichten Marken aus heimischen Gefilden besonders gerne anführen – und Leser sich dergleichen auch gerne merken? Mag sein. Aber sei’s drum, das „Made in Germany“ gilt bei Mundorf (www.mundorf.com) jedenfalls.
Herr Raimund Mundorf, Inhaber und Chefentwickler des Unternehmens
Frau Angela Filke, Prokuristin der Mundorf EB GmbH und verantwortlich für Personal und Finanzen
Von den 25 Mitarbeitern, die die Firma beschäftigt, arbeiten 24 in Köln – und einer in China, nämlich Norbert Mundorf. Der steht dort aber nun keiner Produktion vor, sondern kümmert sich im Gegenteil um den Aufbau des Vertriebs in Asien. Fernost hat heute schon einen Umsatzanteil von 25 % inne (und damit einen nur etwas geringeren Stellenwert als die deutsche Heimat).
Das Mundorf-Team auf dem Sommerfest
Wir sind nicht nach China, sondern ins Rheinland gereist und trafen dort Raimund Mundorf – Inhaber, Geschäftsführer und Chefentwickler des Unternehmens in Personalunion und Bruder des oben genannten. In unserem Gespräch ging’s natürlich nicht nur um Spulen und Kondensatoren, Kabel und Air Motion Transformer, sondern auch um die Geschichte dieses Kölner Familienunternehmens:
fairaudio: Hallo Herr Mundorf! Seit über 25 Jahren produziert Ihre Firma elektronische Bauteile – inzwischen geht Ihr Name in der HiFi-Szene glatt als Synonym für hochwertige Spulen und Kondensatoren durch. Wie fing das alles eigentlich an? Was war der Beweggrund, sich ausgerechnet in diesem Geschäftsfeld selbstständig zu machen?
Raimund Mundorf: Nun, da muss ich etwas ausholen … Sowohl meine beiden älteren Brüder wie auch viele meiner Freunde haben sich in den 1970ern mit Boxenselbstbau beschäftigt. Ich selbst natürlich auch. Damals konstruierte ich beispielsweise eine akustische Linse für einen Isophon-Druckkammertreiber. Allerdings habe ich mich auch intensiv mit Fischertechnik und Elektronik beschäftigt, der Geruch von sterbenden Halbleitern ist mir sehr vertraut. (lacht)
Herr Junior Nsoa finanziert sein BWL-Studium mit dem Wickeln von Mundorf-Spulen
Einem Freund, der für seine Lautsprecher sogar die Spulen von Hand selbst gewickelt hat, bot ich an, einen digital gesteuerten Wickelautomaten zu bauen – wenn er das Material dafür bezahlt. Die Steuerung für den Automaten bestand aus einer Unzahl sogenannter TTL-ICs, die Zähler, Vergleicher und andere logische Funktionen bereitstellten. Alle Platinen flach nebeneinander montiert, nahmen die ICs einen halben Quadratmeter ein! Die Mechanik des ersten Modells bestand tatsächlich aus Fischertechnik – damit ließ sich natürlich nur die Funktion der Steuerung überprüfen, nicht wirklich wickeln. Aber die Steuerung funktionierte im Großen und Ganzen tatsächlich wie geplant.
Um die gewünschte hohe Präzision zu erreichen, ist beim …
Im Rahmen meines Elektrotechnik-Studiums absolvierte ich dann unter anderem ein dreimonatiges Praktikum im Bereich Metallbearbeitung. Das muss so um 1984 gewesen sein … Da hatte ich die Möglichkeit, die Mechanik für meinen Wickelautomaten aus Stahl neu aufzubauen. Den Antrieb der Wickelachse übernahm zunächst ein Lkw-Scheibenwischermotor vom Schrottplatz, den für die Drahtverlegeeinheit ein Motor aus dem Modellbau.
… Spulenwickeln nach wie vor viel Handarbeit nötig
Okay … das klingt aber alles noch sehr nach DIY-Leidenschaft. Da muss ja nicht zwangsläufig ein Unternehmen draus werden …
Muss nicht, aber wie es manchmal so läuft: Als die Maschine fertig war, kam ein Freund von meinem Freund und sagte mir, dass er dem Besitzer eines Boxenselbstbauladens von meinem Wickelautomaten erzählt habe – und dass dieser an den Spulen interessiert sei. So wurde Adrian Bankewitz – heute weltberühmt dank seiner Accuton-Keramik- und Diamant-Chassis (www.accuton.de) und damals gerade am Anfang seiner Karriere mit einer der führenden Selbstbauboxen-Schmieden Kölns – mein erster echter Kunde!
Die Drahtzuführung der Wickelmaschine …
Sieh einer an, so klein ist die HiFi-Welt … aber warum wollte der Herr Bankewitz Ihre Spulen, was war an denen denn so besonders?
Ich konnte engere Toleranzen garantieren als andere Anbieter und zudem jeden Zwischenwert liefern, damals keine Selbstverständlichkeit. Später kamen dann unsere besonders hochwertigen Kernmaterialien hinzu – und das Vakuumimprägnieren.
Ihr Bruder Norbert Mundorf war zu der Zeit – Mitte der Achtziger – ja auch Mitbesitzer eines Kölner HiFi-Studios …
Richtig, und dadurch ergaben sich weitere wesentliche Impulse für mein Geschäft. Neben dem Studium jobbte ich im HiFi-Laden meines Bruders. Ich übernahm dort Dinge wie die Herstellung einer Lichtsteuerung für die Ladeneinrichtung und so Sachen.
„Geschka und Mundorf“ war damals eine der ersten Adressen für hochwertiges HiFi in Köln. So wurde ich mit vielen Produkten meiner späteren Kunden vertraut. Und ich lernte höchste Ansprüche an Qualität und Service als etwas völlig Selbstverständliches kennen. Auf die Idee, weniger als alles zu geben, wäre hier niemand gekommen. Das schien uns ganz normal zu sein, sozusagen eine Frage der Ehre.
Aber wie auch immer. Durch den Laden ergab sich jedenfalls ein Kontakt zum damaligen Importeur der Scan-Speak-Chassis – Herrn Grube –, und damit die Möglichkeit, in dessen Messeraum eine Vitrine mit meinen Produkten aufzustellen …
… und die Spindel, auf die gewickelt wird
Nett von ihm …
… und um einen schönen, knackigen Slogan zu haben, wurde eine bestimmte Art sehr niederohmiger Bassspule von mir kurzerhand „Null-Ohm-Spule“ getauft. Dieser Begriff hatte offensichtlich echte „Ohrwurm“-Qualität! (lacht)
Den einen blieb er im Gedächtnis, weil sie genau wussten, dass der Begriff physikalischer Unsinn ist – null Ohm gibt es, wenn überhaupt, nur bei Supraleitern –, den anderen, weil sie schon lange nach so etwas gesucht hatten.
Jedenfalls blieb die „Null-Ohm-Spule“ über Jahre eng mit der Firma Mundorf verbunden – nicht zuletzt auch deshalb, weil das damals gerade gegründete Selbstbau-Magazin „Klang & Ton“ schon bald nach der Messe darüber berichtete …
Interview: Raimund Mundorf