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fairaudio Musik-Rezension: Yael Naim (Seite 2 von 2)

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 fairaudio Musik-Rezension: Yael Naim (Seite 2 von 2)

Hoffnungsvolle Melancholiker: die einzelnen Tracks

Dem Opener Paris folgt Too Long, ein am besten als „Mellow Indie Folk“ zu beschreibender Song, der mit genau dem richtigen Maß an Elektro-Geschnassel-Veredelung im Hintergrund aufwartet, um trotz aller Singer-Songwriter-Attitüde höchst zeitgemäß zu erscheinen. Melancholisch auf eine poetische und zugleich leichte Art, auf welche sich unsere französischen Nachbarn meisterhaft verstehen, getragen von der elfenhaften Stimme einer hochsensiblen Sängerin.

Yael Naim und David Donatien

Wohl unvermeidlich platzt danach New Soul in das sich soeben der vollkommenen Entspannung hingebende Gemüt und will sich so gar nicht in dieses schöne Album einfügen, obgleich es ein toller Song ist, nur eben so vollkommen anders als das Album.

Track 4 jedoch versöhnt den Träumer wieder, lässt ihn zurück in seine wohlige Trance gleiten und sich ganz dem samtigen Sound hingeben. Hingabe scheint ohnehin das zentrale Moment der naim’schen Musik. Und nur ganz selten bilden Sprache und Musik eine solch vollendete Harmonie wie hier auf Levater, dem zudem ein durch das Hebräische für unsere Ohren ganz besonderer Klang zukommt. Irgendjemand hat einmal gesagt, Hebräisch hören macht glücklich, auch wenn man es nicht versteht. Nun, in diesem Falle zumindest soll sich das bewahrheiten.

Yael Naim und David Donatien

Ebenfalls orientalisch angehaucht erweist sich der Beginn des Folgetracks Shelcha, doch wird auch dieser sich zu einem ätherischen Chanson wandeln. Track 7 hingegen könnte ob seines leichten Southern Touchs auch aus der Feder von Folk-Rock-Diva Sheryl Crow stammen, passt sich aber hervorragend in das Gesamtgefüge des Albums an, das hauptsächlich von Naims eindringlicher Stimme zusammengehalten wird. Lässt sich normalerweise davon ausgehen, dass Plattenfirmen in den sogenannten Waschzetteln, die sie ihren Veröffentlichungen zur Journalisten-Info beilegen, stets maßlos übertreiben, kommt selbst der erfindungs- und kenntnisreichste Kritiker nicht umhin, der Formulierung für ihre hundertprozentige Passgenauigkeit Bewunderung zu zollen, wenn es bei Warner heißt, Yael Naims Stimme bewege sich „irgendwo zwischen der Schwerelosigkeit eines Engels und der Geschmeidigkeit einer Katze“.

Nichtsdestotrotz fällt das Album mit Track 8 etwas ab: ein belangloser Akustikgitarrenschrammel-Song, aufgepeppt mit Vogelgezwitscher. Einzig der Gesang auch hier berauschend. Dasselbe gilt für die nächsten Tracks 7 Baboker und Lachlom, die sich wohl am freundlichsten mit „ganz nett“ beschreiben lassen.

Erst mit Track 11 erholt sich das Album wieder, dann aber richtig! Yael Naims Version von Toxic wurde wohl nicht ohne Grund schon 2007 als Single veröffentlicht: Musik wie Bauhaus, jedes Ornament ein Verbrechen, jeder Schnörkel ein Affront, die dem Ganzen eine völlig unerwartete Intensität verleiht – so etwas gelang bislang nur noch Lisa Bassenge mit Kylie Minogues I Just Can’t Get You Out Of My Head oder Cassandra Wilson mit Tina Turners I Can’t Stand The Rain. In jedem Falle haben Britney-Spears-Hasser nichts zu befürchten, der Gesang Naims erinnert in keiner Weise an das eher flache Original; und auch der schwülstig-erotische Text bekommt hier eine ungekannte Glaubwürdigkeit: It’s getting late to give you up/I took a sip from my devil’s cup/Slowly, it’s taking over me/Too high, can’t come down/It’s in the air and it’s all around/Can you feel me now.

Yael Naim und David Donatien

Die solcherart aufgeladene Atmosphäre gleichsam wieder behutsam beruhigend, folgen die kaskadierenden Pianostreicheleinheiten des Titels Pachad, die an Aziza Mustafa Zadeh erinnern. Ebenso wie die aserbaidschanische Tastenvirtuosin kann auch Yael Naim auf eine Klavierausbildung am Konservatorium zurückblicken, und das kann man hören! Ihr Klavierspiel und ihr sphärischer Gesang gehen hier mit einem knisternden Electro-Programming und einem dezenten Cello-Arrangement eine vollkommene Symbiose ein.

Nun aber der Schlusstrack! Ein wachrüttelndes Varieté-Potpourri, das sich in eine Endlosspirale des Wahnsinns steigert, soundüberladene Klang-Cluster klappen übereinander, überlappen sich, ein Nebeneinander gibt es nicht … Es schwindelt den Hörer, der sich spontan die Lalala-Einfachheit von New Soul zurückwünscht.

Kurzum: Nahezu jedes einzelne Lied dieses wundervollen Albums ist eine Perle, nahezu jedes für sich passt perfekt zu einer bestimmten Stimmungslage und öffnet eine ganz eigene Welt, in welcher man sich getrost verlieren kann. Wer sich dem gesamten Album in einem Durchlauf aussetzen möchte (und es wird nicht gelingen, da die Aufforderung zum Berühren des Repeat-Knopfes dieser Musik gewissermaßen innewohnt), sollte sich auf eine Reise durch sämtliche Gefühlslagen von hell bis dunkel gefasst machen. Am besten an einem Sonntag ausprobieren, wenn man Zeit und Muße hat, mit sich selbst allein zu sein.

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Plattenkritik: Yael Naim

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