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Zu den Rahmenbedingungen: Gehört habe ich überwiegend mit den MCs Ortofon Rondo und Denon DL-103, phonovorverstärkungsseitig kamen SACs symmetrische Gamma und der entsprechende Eingang der Octave 300 HP-Vorstufe zum Einsatz. Die nach meinem Geschmack beste Mischung lieferte der VPI Classic zusammen mit dem Ortofon und dem Octave ab. Warum? Nun, das Rondo ist einfach besser als das 103er – während SACs Phonopre vom Gesamt-Klangprofil dem Classic in mancher Hinsicht ähnlich kommt und die Ansicht, Gleich und Gleich geselle sich gern zwar seine Berechtigung haben mag, ich den etwas substantielleren Oberbass/Grundton des Octave aber durchaus ganz angenehm empfand … Okay, wir sind hier schon bei einer recht individuellen audiophilen Abschmeckerei, kommen wir erstmal zu den Grundzutaten des Rezepts namens VPI Classic.
Zu diesen gehören zweifellos Dynamik und Raumdarstellung. Damit spielte sich schon der kleinere Scout in mein Ohr, und der Classic tut’s erst recht – wenn auch etwas anders. Zur Zutatenliste gehört natürlich auch die tonale Gesamtperspektive, aber die zieht von sich aus nicht die Aufmerksamkeit auf sich. Sie ist sozusagen das Wasser in der Suppe – also unerlässlicher Bestandteil, aber interessanter bleiben Einlage und Salz …
Weniger poetisch formuliert: Der VPI Classic geht grundsätzlich neutral zu Werke. Der Hochton ist weder ausnehmend glänzend – noch in irgendeiner Weise verhangen; im Tiefbass gibt er sich alles andere als schüchtern – aber auch nicht angeschwollen; die Mitten besitzen Substanz – und sind gleichzeitig transparent nach oben ausgebaut. Neutral halt. Okay, er wurde mit eher sportiv-drahtigen, im Zweifel schlanker gehaltenen oberen Bässen / unteren Mitten versehen, während er Richtung unterste Oktaven wunderbar substantiell und definiert durchzieht – jedenfalls tönt er nicht wie der kleinere VPI Scout, dessen kräftigerer (unterer) Grundton einer dünneren Tiefbass-Performance gegenübersteht. Aber dieser wenig saftig-ausladende, allerdings schnelle Oberbass ist schon die einzige kleine tonale Tendenz eines ansonsten in dieser Hinsicht ziemlich tendenzlosen Drehers.
Der Classic legt immer direkt, trocken und ohne Umschweife los. Beim Wechsel von meinem Acoustic Solid MPX zu ihm tönt’s, als hätte man ein wenig die Geschwindigkeit hochgedreht. Sein exaktes Timing, die Unmittelbarkeit bei Impulsen (vor allem können die auch unmittelbar aufhören) erzeugt eine sehr lebhafte Ansprache. Eine „fettfreie“ zudem, als schwelgerischer Genießertyp geht er kaum durch, eher als sprintstark und austrainiert. Seine Gangart im Bass ist ein Beispiel dafür: Wenn es um Kontur, Tempo, Gripp, Durchzeichnung etc. geht, könnte es schwer werden, zu dem Kurs Vergleichbares zu finden. Es ist einfach großartig, was der Classic im Subbereich an Informationen offenlegt – ganz nach dem Geschmack des kritisch-nachhorchenden Audiophilen.
Ach ja, wo wir gerade dabei sind: Der kleinere VPI Scout kann dem Classic weder qualitativ noch quantitativ im (Tief)Bass das Wasser reichen. Gut ist es also, wenn man auf dieses bisschen Bassperformance verzichten kann, denn so lassen sich im Grunde genommen 1.200 Euro sparen.
Tja, als wäre es so einfach. Das „kleine Bisschen“ zeitigt ja nicht nur eine leicht andere Tonalität, sondern mindestens noch zwei weitere ganz nette Nebeneffekte. Grobdynamisch versteht es der Classic nämlich beherzter zuzulangen; wenn aus den Nichts ein Bassdrum-Doublekick kommt, dann kommt der wirklich: unverzittert, trocken, fein nachschwingend, physisch erlebbar – die ganze Show; und auch wenn der Bassbereich nicht unmittelbar im Fokus steht, herrscht mit dem Classic stets das Gefühl hoher dynamischer Souveränität: Ein Orchester, das zum Tutti ansetzt, wird da nicht einfach nur lauter, sondern der ganze Klangapparat größer und umfassender. Solche Dinge kann er.
Souverän gerät auch die Bühnendarstellung – zum einen aufgrund der schieren Ausmaße: tief und sehr breit wird das Panorama aufgezogen. Zum andern, weil sie etwas zwingend-bodenständiges an sich hat, es wird das Gefühl vermittelt, als sei die Bühne als großer Raum auch dann noch „da“, wenn die Musik gerade nicht spielt. Wer mit Kompaktlautsprechern hört und diese schon mal (erfolgreich) mit einem Subwoofer verbandelt hat, kennt vielleicht das Gefühl eines großen Raums, der auf einmal da ist … Nun, will ich den Classic nicht als Sub bezeichnen … und auch nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das alles nur über den Tiefbass zu erklären sei.
Nun, jedenfalls holt der VPI Classic einen sehr großen Raum ins Zimmer, ohne dass man dessen Ausmaße quasi nur durch die Abstände der einzelnen Klänge zueinander erfahren würde: nein, der Raum ist schon da, und in ihm dann die Musik (so die Aufnahme das hergibt, natürlich). Ein weiterer Grund, weshalb man auf das genannte „Bisschen“ eigentlich nur ungern verzichtet.
Zu diesem „Ambience-Gefühl“ und den bisweilen fast schon riesigen Raumabmessungen gesellen sich eine hohe Transparenz – die Bühne ist „durchsichtig“ und nicht vollgestopft – und eine präzise, sehr sortierte Verortung der einzelnen Klänge. Raumfreaks kommen hier echt auf ihre Kosten.
Aber es geht noch weiter beziehungsweise es lässt sich noch etwas feinjustieren. Interessant ist’s nämlich, mit dem Silikonöl für das Tonarmlager zu experimentieren …
Test: VPI Classic | Plattenspieler