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Palm – Nicks and Grazes

Die Band Palm aus Philadelphia ist für ihren außergewöhnlichen Art-Rock-Sound bekannt. Abrupte Taktwechsel, ein oder zwei Prisen Noise sowie unkonventionelle Songstrukturen zählen zu den Zutaten, die das Quartett in seine Tracks einbringt. So charakteristisch gibt sich Palm auch auf dem dritten Album Nicks and Grazes, das mit knapp 41 Minuten zu einer bewegten Hör-Reise über viele Emotionen hinweg wird.

Palm - Nicks and Grazes

„Feathers“, der zweite Song der neuen Platte, ist dabei ein perfekter Mix aus poppigen Melodien und weirden Sounds und Interventionen. Nachdem der Song mit dem Krach von Blech beginnt, formt der Gesang von Gitarristin Eve Alpert so etwas wie eine Strophe und einen Chorus. Begleitet von geräuschvollen Synthie-Sounds, stark effektbeladenen Gitarren und einem busy Schlagzeug singt Alpert klar und repetitiv „Make it up“ – bis dann gesanglich große Melodien heranwachsen. Die Instrumente bekommen ebenfalls ihren Platz auf der Bühne und werden vor allem vom Geräusch und Blech des Schlagzeugs geprägt. Doch auch später im Song kommt das „Make it up“-Motiv immer wieder in verschiedenen Ausführungen hoch und gibt „Feathers“ einen schönen Halt.

„Eager Copy“ hingegen zeichnet sich nicht durch Gesang, sondern neben Sounds, die an Computerspiele erinnern, von allem durch einen tiefen, dröhnenden Bass aus. Der instrumentale Track wirft mit seinem ruckartigen Schlagzeug und den Bassanschlägen Sounds in den Raum, die eine eher schwere Stimmung verströmem. Daneben bauen sich stets neue Motive durch gesampelte abstrakte Vocals oder ein Gitarrenloop auf, der im Hintergrund wirbelt. Andere Songs wie „Brille“ hingegen starten ruhig und atmosphärisch und sind durch ihre Kürze (0:56) sowie den nahtlosen Übergang zum nächsten Track eher Interludes, die eine kurze Verschnaufpause vom energiegeladenen Sound der Band in die Platte einbauen. Bei den vielen Schichten muss man das Album definitiv mehrfach hören – doch der Zeitaufwand lohnt sich!

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Young Fathers – Heavy Heavy

Young Fathers - Heavy Heavy

Das vierte Album von den Young Fathers mit dem Titel Heavy Heavy ist ein experimenteller Genuss, bei dem die drei Mitglieder der Gruppe einen überzeugenden Mix aus Hip Hop, Pop, Rock und Electro an den Tag legen. Für ein früheres Album hat die Band bereits den Mercury Preis bekommen – und „Heavy Heavy“ beweist, dass die besten Tage der Gruppe noch nicht gezählt sind.

Das Album beginnt mit dem folkloristischen Interlude „The Rice“, auf dem ein Bass brummt und die Mitglieder zwischen ausgelassenem Gesang und Rap wechseln. Der zweite Song „I Saw“ durchbricht diese Hoch-Stimmung mit einem atmosphärischen Bass, der im Boogie Shuffle auf einem Ton verharrt. Das klingt erst einmal lebhaft, durch die verzerrten Vocals und Effekte aber auch punkig und nachdenklich. Die Drums unterstützen den Bass und bleiben dabei meistens auf den Toms. Später gesellen sich Synthie-Sounds und ein Chor aus weiblichen Stimmen zu dem Drum- und Bass-Gerüst.

Allein an den beiden Tracks wird deutlich, dass sich die Young Fathers nicht durch Genres beschränken. Hier fließt alles zusammen und klingt dabei ausgeklügelt und abgestimmt. Der nächste Song „Drum“ baut sich bis zur Hälfte ironischerweise ganz ohne Schlagzeug auf und kommt mit Bass und Klatschern aus, die die poppige Gesangsmelodie begleiten. Gegen Ende treten elektrische Rhythmus-Akzente auf den Plan, die den Song episch klingen lassen.

„Geronimo“, die erste Singleauskopplung des Albums, baut sich ebenfalls über Electro-Sounds und Rhythmen auf. Dabei wechseln die Young Fathers zwischen singenden und rappenden Passagen und fordern in ihrem Songtext und Zeilen wie „Breathe in like a lion / Breathe out like a lamb / Legacies are for the sad“ zu einer neuen Bescheidenheit auf. Hier stimmt nicht nur die Message, sondern das gesamte Paket!

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Amber Arcades – Barefoot on Diamond Road

Amber Arcades - Barefoot on Diamond Road

Die niederländische Musikerin Annelotte de Graaf tritt unter dem Namen Amber Arcades auf und hat sich nicht nur als Juristin bei den United Nations gegen Kriegsverbrecher einen Namen gemacht, sondern ist auch in der „Dream Pop“-Szene aktiv und vielbesprochen. Nach ihrem Debütalbum, das sie 2018 über das Londoner „Heavenly Recordings“-Label herausbrachte, bringt sie nun ihr drittes Album Barefoot on Diamond Road an den Start. Dieses ist eine wunderbare Aneinanderreihung verträumter Songs, die anders als auf früheren Werken mit außergewöhnlichen Arrangements abseits normaler Bandbesetzung überzeugen.

Im ersten Song „Diamond Road“ begleitet zum Beispiel eine Harfe den fragilen Gesang in der Strophe. Auf die ruhige Indie-Pop-Nummer folgt die Single „Odd to Even“. Hier besteht das Soundgerüst aus einem lebhaft gespielten Cello sowie einem dynamischen Trommel-Beat. Die fürs Genre ungewöhnlichen Instrumente machen Amber Arcades Musik vielschichtig und spannend – es resultiert eine besondere Atmosphäre. So auch in „True Love“, einer Single-Auskopplung, die durch einen wabernden Bass und einem immer wieder aussetzendem Drum-Beat wie eine verträumte Fantasie klingt. Durch die Beat-losen Strophenteile baut die Musikerin Spannung auf, singt nahezu hauchend ins Mikrofon und löst diese Stimmung durch die stückweisen Drum-Parts wieder auf. Über die Single schrieb sie selbst, dass es um die Ambivalenz zwischen Hoffnung und Erwartung geht, die sie in den ersten Monaten einer Romanze fühlte.

Elektronischer geht es auf „Just Like Me“ zu, wo Amber Arcades sanft über Delay-beladene Synthie-Sounds und einem holprigen Bass singt. Im säuselnden Chorus fließen die Sounds stärker und die Gitarre schlägt Akkorde mit viel Echo an. Sowieso könnte man den Eindruck bekommen, das Stück wurde in einem großen, halligen Raum aufgenommen. Besonders das ungewöhnliche Gitarrensolo, das wie mehrere heulende Gitarren klingt, durchbricht den Song auf eine interessante Art und Weise. Hier kann man das Träumen noch neu erlernen – klare Empfehlung!

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Kimber Kable

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