Palberta – Palberta5000
Der erste Song No Way von Palbertas neuem Album Palberta5000 ist herrlich wirr. Die Gitarristin der Band rutscht mit ihrer Hand auf den Bünden ihres Instruments herum und wirbelt damit Akkordhäppchen in das Songgerüst aus wummerndem Bass und akzentuierendem Schlagzeug. Das Low-Fi-Punk-Trio aus New York experimentierte schon auf vorherigen Veröffentlichungen mit Riffs, die pur aus ihren Instrumenten kommen. Obwohl sie nur mit Bass, Gitarre und Schlagzeug auftreten, sind die an Math-Rock erinnernden, ausgeklügelten Motive so verschachtelt, dass es sich nach mehr anhört. Der Gesang ist repetitiv, poppig und balanciert die kopflastige Instrumentalisierung auf angenehme Weise aus.
In Big Bad Want zum Beispiel singen die Frauen, mal abwechselnd, mal zusammen, über Minuten „Yeah, I can’t pretend that I want“. Bei dem übersichtlichen Songtext, der leider irgendwann seine interessante Wirkung verliert, sollte man auf den Bass achten. Dieser hat hier einen großen Auftritt. Am Anfang des Songs sucht er noch Tiefen, stößt aber später in Höhen und schaukelt dort hin und her, sodass Solo-Feeling aufkommt. Das Stück endet nach knapp 3:40 Minuten mit einer kurzen A-capella-Einlage, die Lust auf mehr Gesangsarrangements der drei Frauen macht.
Nachdem Big Bad Want sich gefühlt in die Länge zog, überzeugt der anschließende Never to Go mit seiner knackigen Kürze. In nur 1:19 Minuten bringen Palberta das Tempo in dem Song hoch, wiederholen auch hier den Songtext im Dreiergesang und ziehen die Dynamik nicht nur mit der teils durchgeschlagenen Snare im Schlagzeug an – auch die anderen Instrumente werden immer wilder gespielt. Mit gekonnten Pausen und dem Weglassen von Instrumenten hat man als Hörende immer wieder Aha- und Überraschungsmomente. In diesen Pausen richtet sich der Fokus auf das Gesangsarrangement – schön, dass hier die Band ihre Stärke ins Szene zu setzen weiß.
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Kreisky – Atlantis
Die Noise-Rock-Band Kreisky aus Wien hat ihr sechstes Studioalbum Atlantis veröffentlicht. Die Gruppe um Frontmann Franz Adrian Wenzl, die sich nach dem früheren österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky benannte, wird in den Medien auch gern die übellaunigste Band der Welt genannt wird. Kreisky ist seit über zehn Jahren aktiv und nicht nur in der Musikszene bekannt. 2017 adaptierten die Musiker zum Beispiel ein Theaterstück mit Autorin Sybille Berg am Rabenhof Theater in Wien und führten es in zahlreichen Terminen mit auf.
Mit dem neuen Album fokussiert sich die Band wieder auf Musik. Der Titel Atlantis suggeriert etwas Suchendes – und tatsächlich singt Wenzl nach einem langen Aufbau des Opening-Songs „Atlantis“ von Spuren, die durch Schuhabdrücke oder Reifenspuren im Schnee sichtbar sind. Das Lied ist geprägt von langen instrumentellen Passagen, in denen ein effektbeladener Basston alle zwei Takte mit einem Rutsch nach unten sinkt. In anderen Abschnitten des Songs bauen die Gitarren mit ihrem Klangteppich eine Atmosphäre auf, die letztlich vom Schlagzeug und Synthesizer jäh gebrochen wird. Hier ist die Stimmung aufgewühlt.
Die Single „ADHS“ kommt hingegen direkter und und nimmt sich des Themas Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung bretternd-hymnisch an. Anders als bei den anderen Songs kann man hier eine klare Songstruktur erkennen. Im Chorus werden die Buchstaben laut gesungen. Dabei stehen die Drums und der Synthie im Fokus und der Gesang strotzt vor Ironie und Trotz. In den Strophen erzählt Wenzl im Anekdoten-Stil von einer Nachbarschaftssituation, in der Eltern scheitern, mit einem unruhigen Kind zurechtkommen. Das ist unterhaltsam und man hört ihm gern zu.
Weil die Produktion der Songs aber zuweilen etwas zu brutal klingt, bleiben die Texte auf dem Album der Höhepunkt. Frontmann Wenzl erzählt Kurzgeschichten, die manchmal poetisch und tief sind, manchmal belanglos, aber dennoch entertainend wirken. Das allein macht das Album zu einem Erlebnis, das man mindestens einmal gehört haben sollte.
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Egill Sæbjörnsson – Moonlove
Das neue Album Moonlove des isländischen Künstlers Egill Sæbjörnsson klingt wie der Soundtrack eines Nintendo-Games. Sæbjörnsson lebt aktuell in Berlin und ist für Video-Installationen bekannt. Als er 2017 seine Heimat auf der Biennale in Venedig vertrat, verwandelte er den Pavillon in ein Videoerlebnis, das die BesucherInnen mit seinen Troll-Charakteren Ugh und Boogar vertraut machte. Man tauchte in eine andere Welt ein – und so ist es auch mit Sæbjörnsson Musik. Er baut mit seinen poppigen Sounds eine bunte Fiktion auf, die nach Zuckerwatte und Computer-Animation klingt.
Moonlove ist voll von interessanten Motiven, unerwarteten Wendungen und man weiß beim ersten Hören jedes Songs nie, was einen erwartet. Beim Titelsong sprechen zum Beispiel sowohl eine downgepitchte, tiefe Stimme als auch quäkige Micky-Maus-Stimmen. Dazu singt Sæbjörnsson mit natürlicher Klangfarbe sowie in einem Chor. Die Instrumente auf dem Album sind zahlreich: Mal hört man Streicher, Flöten, Synthesizer oder typische Band-Instrumente, aber auch Sounds, die zwar natürlich klingen, die man dennoch nicht einordnen kann. Als hätte der Künstler eine Spielekiste an Instrumenten parat, in die er für jeden Song greift, um Spaß zu haben.
Der Song „Gubbi Gubbi“ enthält ein tolles kompositorisches Überraschungsmoment. Nachdem er mit einem markanten Bassmotiv einleitet, erfolgt der weitere Aufbau über eine unverzerrte Gitarre, Drums, Synthie und Clap-Sounds. Als der Gesang einsetzt, nimmt das Lied eine überraschende Wendung – im Hintergrund erklingen atmosphärische Sounds in einer anderen Harmonie. Man bekommt den Eindruck, als würde ein DJ in das nächste Lied übergehen wollen. Doch so schnell, wie die Sounds kommen, verschwinden sie auch wieder. Sæbjörnsson deutet die neue Stimmung jeweils nur kurz an. Das zeugt von Spontanität und experimenteller Komponierlust – mithin genau das, was die Songs des Künstlers bereichert. Sæbjörnsson poppige Welten sind Abenteuer, auf die man sich gerne einlässt.
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