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Black Midi – Schlagenheim

Der Auftakt von Black Midis Debütalbum Schlagenheim hat es in sich. Kreischende Gitarren, rockender Bass, fulminantes Schlagzeug mit Taktwechseln und einer Prog-Dröhnung, die man in die 70er-Jahre einordnen würde. Der Song entschleunigt wie auf Knopfdruck, es wird weiter gerockt im 6/8 Takt. Wer macht heute noch solche Musik? Die Musiker an den Instrumenten sind tatsächlich vier Teenager aus London. Die haben beschlossen, der Musik auf den Platten ihrer Eltern nachzustreben und das steht ihnen gut.

Black Midi - Schlagenheim

Mit dem ersten Gesang auf dem Album lässt sich die Band in Vierer-Besetzung Zeit. Den Stimmungswechsel kündigen sie in 953 mit einer gezupften Gitarre an. Das gleicht einer Verschnaufpause von der Rock-Sause, die nun immer abwechselnd zu den ruhigen Gesangsparts kommt. Trotz zuerst unübersichtlichen Wechseln, Chaos und quäkigem Gesang ist im Song alles stimmig. Und wenn das fantastische Math-Rock Finale mit doppeltem und halbem Speed im Wechsel vorbei ist, fühlt man sich erst einmal gerädert.

Trotzdem weiß man, dass man hier ein musikalisches Meisterwerk hört. Black Midi haben Charakter, obwohl sie ganz bestimmt von bekannten Vertretern der 70er Jahre wie King Crimson oder Emerson, Lake & Palmer inspiriert wurden. Und bei aller Ambition, die eine solche Prog-Platte braucht, klingen die Jungs nie angestrengt. Egal, wie holprig die Takte sind, die Band scheint noch lange nicht am Limit. Das drückt sich in einer Lockerheit aus, die man immer wieder durchhört, wie in den blitzartigen instrumentalen Einschüben, die frech die Strophe vom letzten Song Ducter unterbrechen. Der Song und somit auch das Album enden mit einem kreischenden Frontman Geordie Greep, der im Studio bei der Aufnahme hin- und hergesprungen sein muss. Er schreit aus voller Inbrunst „They could not break me“ und seine Stimme überschlägt sich. Damit ist eigentlich alles gesagt – die vier Jungs aus London sind noch lange nicht fertig. Von ihnen kann man garantiert noch einiges erwarten.

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Kim Gordon – No Home Record

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Kim Gordon hat ein Album veröffentlicht. Nach Kooperationen und anderen Bandprojekten ist das Album die erste Solo-Veröffentlichung der 66–jährigen Sonic Youth Bassistin. Als Frau galt Gordon in der männlichen Rockwelt immer als coole Einzelgängerin und ihr Debüt No Home Record bestätigt das – es klingt trotzig, tough und punkig. Das kann minimalistisch mit Hip Hop-artigem Beat aus der Drum Maschine sein wie in Paprika Pony oder grungig wie auf der Single Air BnB, die sie veröffentlichte. Hier dreht die Musikerin ihr Fuzz-Pedal der Gitarre bis zum Anschlag auf. Der Abgesang auf den kulturellen Verfall durch den Kapitalismus ist mit ihrer verzerrten Gitarre herrlich schräg und wild. Gordons charakteristische Noise-Sounds ziehen sich durch den ganzen Song. Dass bei der Vermietungsplattform für Wohnungen inzwischen alle Apartments gleich aussehen, mit denselben Ikea-Fotografien des Eifelturms ausgestattet sind und instagramable sind, karikiert die ausgebildete Künstlerin außerdem mit einem trockenen Musikvideo. In diesem liest man auf schwarzen Untergrund lediglich eine Anleitung, sich ein solches Apartment für das Video vorzustellen. Der Witz geht auf, weil man genau weiß, wovon Gordon schreibt.

Auch Songs wie Murdered Out sind voller Attitude und Industrial Vibe. Mit kräftigen, funkigen Drums und einem nach unten taumelnden, simplen Bass singt Gordon mit verzerrter Stimme „Turn me on“. Referenzen im Songtext zu den schwarzen Streifen in Videos zum Verstecken von Markennamen und -symbolen sind nur ein Hinweis auf das Spiel mit Identitäten, das Gordon in dem Song verarbeitet. Die vielen kulturellen Querverweisen auf No Home Record wird man erst nach mehrfachem Hören ganz begreifen. Was aber sofort deutlich wird, ist, dass man Gordons nicht zu überhörenden Trotz und ihre Dagegen-Einstellung in der Musikwelt schmerzlich vermisst hat.

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Allah-Las – LAHS

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Die Allah-Las sind der Inbegriff für den Garagen-Sound aus Kalifornien und ihre Musik ist eigentlich der perfekte Soundtrack für den Sommer in der Hängematte. Doch der entspannte West-Coast Sound auf ihrer neuen Platte LAHS steht den vier Musikern aber auch im Herbst. Delaygetränkte Gitarrenstimmen plätschern bei klaren Drums und mehrstimmigen Gesang entspannt vor sich hin.

Obwohl man sich bei über zehn Jahren Bandgeschichte so langsam an den Sound der Band gewöhnen könnte, ist man immer wieder überrascht, wie gut die Allah-Las ins Vorprogramm von The Byrds gepasst hätten und wie sehr alles in der Musik nach den 60er-Jahren schreit. Die Allah-Las sind Meister darin, in der Nostalgie ihrer Fans aufzugehen und auch in ihren Videos die Zeitmaschine zu bedienen. Ihr wohl bekanntestes Musikvideo Tell me (what’s on your mind) könnte aus den 60ern stammen. Es zeigt die Band hübsch aufgereiht an ihren Instrumenten und hat auf YouTube inzwischen über zwei Millionen Klicks.

Der neue Albumtitel LAHS kommentiert den eigenen, fehleranfälligen Bandnamen mit einem Augenzwinkern. Er hat die Musiker auf Tour mehrmals in Schwierigkeiten gebracht und hatte Konzertabsagen oder sogar Terror-Warnungen zur Folge. Deshalb kann man das LAHS-Album auch als kleine Trotz-Ansage verstehen. Die Band umzubenennen kommt für die Kalifornier nicht in Frage. Eher geben sie einem mit dem Album die Möglichkeit, ihren Namen abermals mit einem entspannten Surf-Garagen-Mix und psychedelischer Atmosphäre zu verbinden. Bis zu Hälfte des Albums passiert das auch relativ ereignislos. Bei Royal Blues hört man aber kurz auf. Der Song fällt durch südamerikanische Rhythmen, Rasseln und einem spielerischem Gesang auf. Sonst bildet die Platte ein musikalisches Kontinuum ab, das durchaus der Vorstellung eines unbeschwerten Lebens in kalifornischer Sonne entspricht. Wenn es bei uns also wieder zu früh dunkel wird, kommt man Kalifornien im heimischen Wohnzimmer ganz nah.

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