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Wet Leg – Wet Leg

Wet Leg sind die neue Sensation in der Indie-Rock-Szene. Die zwei Frontfrauen Rhian Teasdale und Hester Chambers von der britischen Isle of Wight gründeten ihre Band erst 2019. Nach ihrer Debütsingle „Chaise Longue“, die zu einem millionenfach gestreamten Hit wurde, kommt jetzt ihr selbstbetiteltes Debütalbum heraus.

Wet Leg Wet Leg

Darauf geht es mit verzerrten Gitarren, ironischen Texten und den im Ohr bleibenden Hooks ziemlich wild zu. Im ersten Song „Being in Love“ wechselt sich eine minimalistische Strophe aus Bass, Drums und gelegentlichen Elektro-Sounds mit dem Chorus ab, in dem die losbretternden Gitarren fast den Gesang übertönen. Eigentlich sind Wet Legs Songs simple Rock-Hymnen in typischer Band-Besetzung. Der Twist des Duos besteht aus Teasdales Gesang und ihren Texten, die so herrlich selbstbezogen sind und vor Ironie triefen, dass das Album nicht nur zum Kopfnicken, sondern auch zum Lachen einlädt.

In „Chaise Lounge“, dem Hit der Band über das gepolsterte Möbelstück des 19. Jahrhunderts, trägt Teasdale ihren Text im Sprechgesang vor und führt Gespräche mit einem fiktiven Gegenüber. In einer Strophe fragt sie „Is your mother worried?“ und kontert sofort „Would you like us to assign someone to worry your mother?“, um sich dann selbst zu unterbrechen mit „Excuse me (what?)“. Der Mutter-Bezug wird bei „Ur Mum“ mit trällerndem Singsang weitergeführt. Teasdale singt „When I think about what you’ve become I feel sorry for your mum“ und wird in der Strophe von einem fuzzy Bass, einem peitschenden Schlagzeug-Beat und ein paar wenigen Effekten begleitet. Im Chorus gesellen sich dann Gitarren und Synthies dazu. Besonders ihr Schrei, den sie mit den Worten „Okay, I’ve been practicing my longest and loudest scream – Okay, here we go: One, two, three“ ankündigt, ist charakteristisch für Wet Legs nonchalante Lässigkeit.

Zum textlichen Höhepunkt kommt es auf dem Song „Oh no“. Hier werden einem bei dröhnenden Gitarren-Riffs und einem Snare-lastigen Schlagzeug Wort-Fetzen um die Ohren geworfen. Assoziationen wie „Oh my God, Life is hard, Credit card, Oh no!“ oder „You’re so woke, Diet Coke, I feel gross, Oh no“ sagen wahrlich mehr aus, als ganze Sätze. Sehr gut!

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Röyksopp – Profound Mysteries

Das norwegische Electronica-Duo Röyksopp hatte zwar schon 2001 seinen Durchbruch, doch an Ideen mangelt es Svein Berge und Torbjørn Brundtland auch nach knapp 20 Jahren nicht. Obwohl sie sich 2014 mit dem Album The Inevitable End vom Veröffentlichen klassischer Alben verabschiedeten, kommt nun nach Singles und Remix-Releases doch ihr sechstes Studioalbum Profound Mysteries heraus. Auf diesem vereinen Röyksopp hypnotische Downbeat-Songs mit Synthie-Klangflächen und interessanten Einlagen von Gastmusikerinnen.

Röyksopp Profound Mysteries

„The Ladder“, eine der ersten Single-Veröffentlichungen des Albums, zeichnet sich durch ein komplexes Synthiemuster aus, das Röyksopp in den ersten drei Minuten variieren. Mal klingt die sachte Melodie rein elektronisch aus den Boxen, mal ist sie gezupft vernehmbar. Das instrumentale Stück baut bis zur Hälfte an Fahrt auf: Der Bass wabert lauter, die Synthesizer färben das Stück mit schillernden Klangflächen und die gezupfte Melodie rückt in den Hintergrund. Das Stück endet mit dem fortschreitenden Bass, wird kurz leiser, und geht dann in das energetische „Impossible“ über. Hier singt Alison Goldfrapp in ihrem hohen Sopran und lässt das Electro-Pop-Stück, bei dem ein antreibendes Synthie-Riff im Mittelpunkt steht, über 6,5 Minuten nie langweilig werden.

Es sind besonders die Features, die das Album ausmachen und poppige, zeitlose Klassiker hervorbringen. Der Auftritt der Singer-Songwriterin Pixx ist ähnlich interessant wie Goldfrapps Beitrag. Die Londoner Musikerin singt im Song „How The Flowers Grow“ und haucht dort mit ihrer dunklen Stimme über minimalistische Bass-Strukturen. Da ihre Stimme durch die verschleiernden Effekte im Chorus fast verschwindet, baut sich eine mysteriöse Stimmung auf. Es wallen immer wieder elektrische Klangwolken auf, die nie ganz zu einem Höhepunkt kommen und einen wellenartigen Verlauf nehmen. Nur der Downbeat-Bass wippt ununterbrochen durch das ganze Lied und verleiht diesem eine Art Monotonie. Das Album endet schließlich mit einer weiblichen Stimme, die über noisy Klangwolken immer wieder „Press R to continue“ sagt – sollte das ein Hinweis auf neue Musik sein, darf man sich also freuen!

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Jack White – Fear of Dawn

Während der Pandemie war Jack White besonders produktiv. Gleich zwei Alben hat der Rocker geschrieben, die dieses Jahr herauskommen. Die erste Platte Fear Of Dawn ist eine explosive Musikerfahrung mit Whites Gitarre, die zusammen mit seinem Gesang im Vordergrund steht. Sie klingt dabei so fuzzy, dass sie in der nächsten Fuzz-Stufe nur noch Noise wäre.

Jack White Fear of Dawn

Auf dem ersten Track „Taking Me Back“ jagt ein Riff das nächste und man fühlt sich an die besten Zeiten der White Stripes erinnert. White sprudelt hier eine Melodie nach der anderen hervor, der Song gehört zu den markantesten des Albums. Die Gitarre dröhnt regelrecht aus den Boxen, dazu kommt ein fetter Bass, ein paar Effekte und ein wummerndes Schlagzeug. Schon die Strophe hat gesanglich Ohrwurm-Qualität und auch die Gitarren-Riffs bleiben im Gedächtnis. White spielt mit diesen ad absurdum, oktaviert sie, mischt schillernde Effekte darüber, wiederholt sie wieder und wieder – und lässt das Schlagzeug dabei aufleben. Der Song gehört zur leichter verdaulichen Sorte, White verlangt mit anderen oft (noch) ein bisschen mehr von seinem Publikum.

So etwa mit „Fear Of The Dawn“, bei dem ein peitschendes Stoner-Riff dominiert, über das White die Strophe singt. Instrumentale Breaks mit dystopischem Gitarren-Soli anstatt eines richtigen Chorus tragen dazu bei, dass man nicht sofort einen Zugang findet. Auch der Song „The White Raven“ ist mit einem chaotischen Hin und Her aus verschiedenen Teilen nicht sofort greifbar. Die Gitarre ist in der Strophe so krachlastig, dass man ihr Riff kaum identifizieren kann. Unterhaltsamer ist da die Zusammenarbeit „Hi-De Ho“ mit Q-Tip. Hier experimentiert White mit folkigen Sounds und Hip-Hop und vermittelt nach einem langen, dramatischen Intro eine tänzerische Leichtigkeit, die ansteckend ist.

Auch wenn die Songs nicht sofort zum Mitgrölen anstiften, muss man die Experimentierfreudigkeit Whites anerkennen. Er baut seinen ganz eigenen Sound immer weiter aus und bewahrt dabei eine künstlerische Offenheit, die bewundernswert ist.

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