Paris Texas – MID AIR
Auf dem neuen Album MID AIR vom alternativen Hip-Hop-Duo Paris Texas geht es energetisch zu. Seit 2018 experimentieren der US-amerikanische Produzent Louie Pastel und Rapper Felix im Hip-Hop-Genre, was ihnen Vergleiche zu OutKast oder King Krule einbrachte. Nach zwei EPs und der Single „Heavy Metal“, mit der sie 2021 bekannt wurden, ist auch die neue Musik auf ihrem ersten Longplayer von Nu Metal, Rock und Punk beeinflusst.
„tenTHIRTYseven“, der erste Song des Albums, weist zum Beispiel ein fuzzy Riff auf, das den Beat ausmacht und mit Drum Machine und atmosphärischen Synthies weiter aufgeladen wird. Der Song fließt mit dem treibenden Riff förmlich aus den Boxen und wirkt wie die perfekte Mischung von Rock und Rap. Bemerkenswert klingt auch der abrupte Übergang zum nächsten Song „Split-Screen“, der den rockigen Flow ad hoc durch einen sperrigen Hip-Hop-Beat ersetzt. Hier akzentuiert die typische 808-Kick-Drum das musikalische Treiben und Paris Texas wechseln sich mit Rap-Parts ab. So abwechslungsreich geht es auch weiter – mal richtig basslastig, wie auf „Sean-Jared“, oder metallisch und futuristisch im Industrial-Rock-Gewand („BULLET MAN“).
Quasi als akustische Auszeit sticht gen Ende des 50-minütigen Albums „Ain’t No High“ heraus. Hier spielt jemand Akkorde auf der Akustikgitarre, ein einfacher Bass betont die Harmonien und das Duo wagt sich sogar ans konventionelle Singen. Im weiteren Verlauf setzt ein Schlagzeug ein, das die Emo-Atmosphäre genauso wie die anschließenden Geräusch-Einlagen durchbricht.
Mit MID Air setzen Paris Texas definitiv neue Maßstäbe. Das im Hip-Hop oft kritisch gesehene Mixen von Rock-Einflüssen mit Rap funktioniert besonders mit den energetischen Nummern und wird zu einem starken Statement.
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Colleen – Le jour et la nuit du reel
Die französische Komponistin und Musikerin Cécile Schott aka Colleen, macht seit 2002 Musik. Mit Elektronik und Ambient Sounds baute sie sich Jahr für Jahr ein stetig wachsendes Publikum auf – nun hat sie ihr achtes Album veröffentlicht. Le jour et la nuit du reel veröffentlicht sie wie ihre Vorgänger beim experimentellen US-Label Thrill Jockey, das für Musik wie die von Colleen mittlerweile zur echten Marke avancierte.
Mit fast einer Stunde Laufzeit gleicht die neue Platte einer meditativen Session mit atmosphärischen Synthie-Sounds, deren Kompositionen aufeinander aufbauen. Colleen arbeitet hier – ähnlich wie in der Klassik – mit mehreren „Movements“ einer Komposition. So auch „Subterranean“, eine Komposition, mit der das Album startet und die sich in drei „Bewegungen“ aufteilt.
„Subterranean – Movement l“ beginnt mit schillernden Klängen, die immer ein paar Zählzeiten auf Akkorden verweilen, bis sie die Harmonien wechseln. Dabei fühlt man sich an Bach und sein berühmtes „Präludium“ erinnert, wobei die Harmonien bei Colleen teilweise experimenteller und unvorhersehbarer wechseln. Das anschließende „Subterranean – Movement ll“ beginnt rumorender. Colleen wählt die tiefen Tasten des Synthesizers und trägt mit der Bass-Spur zu einer Art Beat bei. Generell lebt das zweite Movement mehr auf, geht eher in die Höhen und wechselt schneller die Stimmung. Trotzdem ändert sich am grundsätzlichen Electro-Sound nicht viel, was die beiden „Bewegungen“ unweigerlich verbindet. Gen Ende des zweiten Movements passiert die erste Zäsur: Hier lässt Colleen den Sound auslaufen, bis er wie ein Schlagwerk durch die Boxen pocht und kein Ton mehr wirklich erkennbar ist. Der Übergang zum dritten Teil der Subterranean-Komposition ist deshalb abgetrennt und erlaubt es der Musikerin, die Sounds glasiger klirren zu lassen als zuvor.
Nach insgesamt knapp zehn Minuten endet das Stück und geht in eine neue Komposition namens „The long wait – Movement l“ über, die mit wabernden und langgezogenen Sounds eine ganz andere Atmosphäre schafft. Insgesamt wirkt das Album wie eine Reise durch Sounds, die sich über Minuten hinweg entwickeln und aufleben. Für diese subtilen Stücke braucht man mithin Zeit und Ruhe, aber dann lohnt es sich wirklich!
Yves Tumor – Praise A Lord Who Chews But Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds)
Praise A Lord Who Chews But Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds) ist das vierte Album von Yves Tumor, das auf dem experimentellen Electro Label Warp veröffentlicht wurde. Yves Tumor gilt durch vorherige Alben musikalisch als eher experimentell und dem Industrial verschrieben. Die Vergleiche mit Nine Inch Nails kommen deshalb nicht von irgendwo. Auf der neuen Platte hört man nun jedoch öfter poppige Songs, bei denen die Härte von einem dominanten Bass-Riff kommt.
Der erste Song „God Is A Circle“ sticht dabei heraus, weil er mit einem dramatischen Schrei beginnt, der in eine schwere Atmung übergeht, die geloopt fast den gesamten Song lang den Takt vorgibt. Das verbreitet zusammen mit dem industrialartigen Bassmotiv eine bedrohliche Stimmung. Der Bass bleibt meistens auf den Grundharmonien und wird in Achteln angeschlagen, wodurch das Stück gut anheizt. Die immer wieder aufpoppende verzerrte Gitarre, ein rockiger Drum-Beat und Yves Tumors Sprechgesang vervollständigen den Song schließlich.
Hier passt alles zusammen, was leider nicht in jedem Song der Fall ist. Zu oft enttäuschen die vorhersehbaren Gesangsmelodien wie in „Meteora Blues“, einem poppigen Stück mit Akustik-Gitarren und rockigen Parts, die durch die glossy Produktion kommerziell und langweilig klingen. Yves Tumors Ruf als experimentelle und innovative Künstlerperson macht das etwas fragwürdig.
Nichtdestotrotz gibt es neben dem Opener ein paar weitere musikalische Fundstücke. „Parody“ überrascht zum Beispiel mit einem Falsett-Gesang. Ein weiteres Highlight ist die Single „Operator“. Diese überzeugt durch eine starke Vocal-Performance, in der Yves Tumor einen Anruf nachahmt und eine gefühlte Stärke und Spannung überträgt. Das Fragen nach dem „Operator“ mit dem wiederholten „Hello?“ interpretiert Yves Tumor so dynamisch und wechselhaft, dass man hier die wahre Größe des Künstlers entdecken möchte.
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