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Martyn Heyne – Electric Intervals

Martyn Heynes Musik baut sich langsam auf. Sein aktuelles erstes Album Electric Intervals ist ein musikalischer Fluss, von dem man ab den ersten Sekunden mitgezogen wird. Es verschafft dem Hörer eine Auszeit, man muss sich der Musik nur hingeben können. Ganz meditativ verwandeln sich Motive einer stark mit Delay-Effekten unterlegten Gitarre in immer wieder neue hörbare Bilder. Der erste Track „Carry“ verzichtet auf Schlagzeug: Die Delay-Echos markieren genug Rhythmus, um den Hörer eine zeitliche Dimension zu suggerieren.

Martyn Heyne Electric Intervals

Meist nur mittels Gitarre, manchmal mit sanften Beats oder einem Klavier, kreiert Heyne auf Electric Intervals atmosphärische Musik. Großartig zum Beispiel der zweite Song „Luxury“, der mit ganz ruhigen Klavierakkorden und kaum wahrnehmbaren Beats ein jazziges Gerüst aufbaut. Nach zwei Minuten und zwei kurz betonten Akkorden ist die träumerische Sequenz auch schon vorbei – gerade in der Kürze, dem ruckartigen Ende und der Andersartigkeit der Instrumentierung versteckt sich die Raffinesse des Songs. In den weiteren Liedern des Albums kommt Heynes Liebe zur Gitarre durch. Kein Song klingt wie der andere, die Effekte überlagern das Instrument gleichwohl nie, geben ihm aber zusätzlichen Charakter und zeigen, wie vielseitig man das Saiteninstrument spielen kann.

Heyne gehört zum Musikerkreis um seinen ehemaligen Mitbewohner Nils Frahm. Auch dieser experimentiert auf seinem Instrument, dem Klavier und zeigt seinen Zuhörern, was alles damit möglich ist. Heyne kommt oft mit ihm oder anderen Echtzeitmusikern wie dem Schlagzeuger Andrea Belfi zusammen, alle waren sie deshalb schon in seinen „Lichte Studios“ in Berlin und nahmen Musik auf. Auch Heynes Album wurde hier eingespielt. Man kann sich nur wünschen, dass Electric Intervals nicht das letzte Album bleibt und der Musiker uns mit weiteren Platten und seiner zurückhaltenden Virtuosität an der Gitarre und am Klavier im Bann hält.

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Sevdaliza – ISON

Dass Sevdaliza eine Ausnahmekünstlerin ist, merkt man schnell. Ihre Musik und die dazugehörigen Videos lassen nur erahnen, wie viele Ideen und Ideologien die niederländische Musikerin in ihre Kunst einfließen lässt. Sevdaliza ist ein Gesamtkunstwerk – in ihren futuristischen Videos, die ungewöhnliche Welten erschließen, findet sie ihren Ausdruck auch mittels Tanz.

Sevdaliza – ISON

Es scheint, als ob die in Teheran geborene Sevdaliza, eigentlich Sevda Alizadeh, auf einer Mission ist. Das wohl beste Beispiel für ihren Ansatz ist die ausgekoppelte Single „Human“. Die Künstlerin singt darauf in der ersten Person von einem Charakter, der dem Druck der heutigen Konsumgesellschaft nicht mehr gewachsen ist. Das Herunterbrechen auf das Mensch-Sein („I am human, nothing more than human“) steht im Gegensatz zum Geschäftlichen, an dem man nicht scheitern darf. Das Video präsentiert die durch den Kapitalismus entstandenen, sich am Geld orientierenden Hierarchien. In einem rieseigen Amphitheater sitzen gut gekleidete, wohlhabende Männer in einer Loge. Der Champagner wird gerade von einem Bediensteten gebracht, als Sevdaliza auf der Bühne erscheint. Die dunklen, Trip-Hop-artigen Beats des Songs mystifizieren ihre Person, die in einer dunklen Robe erscheint. Man erkennt sie erst, als sie diese lasziv abstreicht. Spärlich bekleidet symbolisiert sie äußerlich das Objekt sexueller Begierde, das von den gierigen Augen der Betrachter gemustert wird. Doch schnell wird klar, dass sie sich in dieser Rolle wohl fühlt. Wer hier wen dominiert, bleibt bei Sevdalizas selbstbewusstem Tanz offen. Sie beherrscht damit die Betrachter, obwohl sie sich wie beim Gladiatorenkampf erniedrigt auf dem Sandboden des Theaters befindet.

Bei all den fantastischen Videos mit Kulissen einer anderen Welt vergisst man fast, dass es in Sevdalizas Texten auch um ganz alltägliche Dinge in der Gesellschaft geht. Neben den elektronischen Beats und den orientalischen Melodien, die wie im ersten Track „Shahmaran“ von ihrer Heimat geprägt sind, transportiert sie den Hörer ganz schnell wieder von Fantasie-Welten in die reale Welt.

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Mastodon – Cold Dark Places EP

Die Urgesteine des Metal, Mastodon, veröffentlichten Ende September eine neue EP. Eigentlich sind die Songs darauf Stücke, die es nicht auf die letzten beiden Studioalben der amerikanischen Band geschafft haben. Aber die vier Tracks auf Cold Dark Places waren zu gut, um sie zu verwerfen. „Toe to Toes“ wurde Anfang 2017 im Rahmen des letzten, Grammy-nominierten Albums „Emperor of Sand“ aufgenommen und ist somit der aktuellste Song auf der Platte.

Mastodon Cold Dark Places EP

Er beginnt mit einem unverzerrten, gezupften Gitarrenmotiv, welches in ein hartes Riff übergeht und zum wilden Tanzen einlädt. In der Strophe bringt Bassist Troy Sanders mit seinem langgezogenen, röhrenden Gesang zu den schnellen Gitarrennoten eine gewisse Ruhe in das aufwirbelnde Riff. Der Song wechselt fortwährend die Stimmung, geht mit Akustikgitarre und melodiösen Gesang im Chorus sogar in Richtung Pop-Song und verschiebt so Genre-Grenzen. Wie für die Band typisch, wechseln sich die Mitglieder beim Gesang ab, was den Charakter des Songs neben den instrumentellen Veränderungen zusätzlich vielfältig macht. Durch die fortwährende Entwicklung der Stimmungen durch die Instrumentation und den Gesang wird „Toe to Toes“ ein Paradebeispiel für einen Mastodon-Song.

Zwar ist die Band in der Metal-Szene zu Hause und man kann sich sicher sein, dass die Gitarrenmotive auf einer neuen Mastodon-Platte einem in Hochgeschwindigkeit um die Ohren sausen. Doch hat die Band über ihre sieben Studioalben hinweg seit 2002 zunehmend ein eigenes Genre entwickelte, das die Wurzeln im Metal behält, aber keine Angst vor Pop-Melodien und Prog-Elementen hat. Andere Songs auf der EP wie Blue Walsh bleiben deshalb zumindest anfänglich im soften Rock-Bereich. Lediglich das Schlagzeug erinnert mit zischenden Becken im Chorus daran, dass die Band auch ganz anders kann. Die lang ausklingenden Akkorde auf der Gitarre weichen aber bald einem harten, solo-artigen Gitarren-Riff. Das Riff und die Melodie des Chorus bleiben auf jeden Fall im Ohr. Schon alleine deshalb versteht man, warum Mastodon sich entschieden hat, ein halbes Jahr nach dem letzten Studioalbum weitere vier Songs per EP zu veröffentlichen.

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