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Das Schöne an so einem Kabeltest ist, dass A/B-Vergleiche ruck zuck gemacht sind, da man zum Wechseln ja nur fix hinten an den Buchsen fummeln muss, anstatt schwere Lautsprecher oder Elektronik herum zu manövrieren. Und wenn’s schnell geht, sind die „A“-Klangeindrücke noch frisch wenn „B“ kommt. Prima.
Paradoxerweise kann sich aber genau die Leichtigkeit, mit der Vergleiche angestellt werden können, auch zum Fluch entwickeln. Machen Sie das mal, zwei Stunden hintereinander ständig die Strippen zu wechseln! Das ist ein wenig so, als würden Sie beim Parfümeur Ihrer Wahl den siebenunddreißigsten Flacon unters Riechgerät gehalten bekommen: Irgendwann strecken Sie die Waffen beziehungsweise erschnüffeln gar nix mehr. Spätestens dann sollte man an die frische Luft. Was in meinem Fall geschah, indem ich mich kurzerhand zum Kollegen aufmachte, bepackt mit Mundorfs Verbindern und willens, eine Zweitmeinung einzuholen. Gut, dass die bestätigte, was ich mir zuvor zu den Zendo-Kabeln notiert hatte. Sonst wäre ich auch wahnsinnig geworden, verrückt durch A/B-Tests, sozusagen. Aber egal. Was ich mir notiert habe, fragen Sie?
Um mit dem Tonalen zu beginnen: Die Zendo Cable sind weitgehend neutral in der Ausrichtung – allerdings eher auf der leichten Seite von neutral. Die wärmsten Kabel unter Gottes Sonne sind es nicht und auch nicht die bassstärksten. Ja, ich würde schon sagen, dass sie sich in dieser Region – oberer Bass/untere Mitten – eher ein wenig dezent geben. Wohlgemerkt: ein wenig. Aber im Direktvergleich mit vielen anderen Strippen dann doch durchgängig bemerkbar. Sei’s nun beim begleitenden Bassspiel des Nouvelle-Chanson-Gehauches einer Keren Ann (Album: Nolita, 2005) oder auf dem Debut der Alternativ-Rocker Eels (Album: Beautiful Freak, 1996) oder den Elektro-Rock-/Noise-/Was-auch-immer-für-Klängen von Pivot/PVT – es tönt mit etwas weniger Druck untenrum als ich es sonst gewohnt bin. Bullig wäre also das falsche Wort. Dafür wird dieser Bereich aber wunderbar prägnant gefasst, wie beispielsweise beim Basslauf im Eels-Song „Susan’s House“ zu hören: Der kommt nun straffer rüber, härter/holziger im positiven Sinne, reicher an Texturen. Mit den Zendo-Strippen gibt es bassseitig so etwas wie einen Trade-off „Quantität versus Qualität“ zu beobachten: Etwas weniger Gesamtschub in den unteren Lagen steht eine erstaunliche Durchzeichnung und Prägnanz in diesem Bereich gegenüber.
Vielleicht ist die etwas zurückhaltendere Art in den unteren Lagen auch mit dafür verantwortlich, dass es weiter oben, in den Mitten und im Hochton, ausnehmend klar, deutlich und – wie Kollege Jörg meinte – „leicht crisper, was ich aber gut finde“ tönt. Angenehmerweise klang das Zendo zudem in den allerhöchsten Gefilden, Richtung Superhochton, luftiger als die Strippen, mit denen ich es verglich. Und ob es sich nun so verhält, dass die Vergleichsverbinder leicht vermuffelt zu Werke gehen oder das Zendo eine kleine Extra-Brise obenrum appliziert, ist mir offen gestanden recht egal. Mir gefällt diese Frischluftzufuhr by Mundorf.
Aber wie auch immer: Man sollte nun nicht meinen, dass die Rede von „leichter, frischer, klarer“ irgendwas mit Härte oder spitzer Präsenzbetonung zu tun hat. Die Zendo NF-Verbinder spazieren im Mitten-/Hochtonband vielmehr auf dem schmalen Grad der Tugend, der da heißt: so direkt und unmittelbar wie möglich – ohne das Steuer zu überreißen. Erstmals fiel mir das bei oben schon genannter Chansonnière Keren Ann auf. „L’Onde amère“ beginnt mit deutlichem E-Bassspiel und perlender Gitarre, später schleicht sich eine sanfte Trompete ein – prominent ist aber vor allem die extrem nah aufgenommene, ziemlich präsente Frauenstimme, bei der so einiges schiefgehen kann, wenn etwas nicht in die Anlage hineinpasst. Dann zischelt’s, wird spitz, spröde, brüchig usw.
Das Zendo Cable bekommt es nun hin, diesen sowieso schon sehr nahen und intimen Gesang nochmals ein wenig nackter, direkter und superpräzise in den Raum projiziert vor einem hinzustellen und dabei dann gleichzeitig auch noch letzte artifizielle Noten, die vorher da waren, wegzuwischen. Manchmal besitzt eine solche Direktansprache ja gerade eine artifizielle Note – hier habe ich das Gefühl, das es umgekehrt funktioniert. Die Frau steht einfach rein vor mir. Ja, sie klingt etwas leichter als mit anderen Strippen, ja, sie tritt noch etwas näher an mich heran, direkter geht es kaum – und doch ist die Präsentation für mich so insgesamt stimmiger, glaubhafter. Wow, es geschehen noch Zeichen und Wunder, das hätte ich so nicht erwartet. Die andere Seite der Medaille: Wer eine deutlich schlanke, analytische und tonal etwas karg aufspielende Anlage sein Eigen nennt, dem wird hier kein wärmender Sonnenschein zum Ausgleich geboten. Im Grunde ist das auch schon das einzige Caveat, das ich zu den Zendo-NF-Kabeln anbringen muss: Der Grund Ihrer Kabelsuche sollte nicht darin liegen, dass Sie Ihre Kette wärmer abstimmen möchten – das geht nach hinten los.
Das „tonale Gemisch“ der Zendo-Kabel ist für meine Begriffe aber nicht unbedingt das wirklich Entscheidende. Die Zendos faszinieren mich mit anderen Eigenschaften, nämlich durch die hochpräzise, fokussierte Darstellung, die transparente Raumausleuchtung und schlicht und einfach auch durch ihr Auflösungsvermögen.
Das mit der präzisen Abbildung hatte ich beim Keren Ann-Beispiel schon erwähnt, hier möchte ich den Faden aber trotzdem noch einmal aufgreifen. Spielt das Zendo, ist es nicht nur so, dass ich das Gefühl bekomme, jemand hätte die berühmte Milchglasscheibe weggezogen, von dessen Existenz ich vorher wenig ahnte, sodass nun ein unmittelbarerer Blick auf die Dinge – hier insbesondere: die Stimme – gestattet wird und man vor allem feindynamisch einiges mehr erfährt.
Es ist auch so, dass ich den Eindruck habe, dass um diese Stimme herum vormals ein leicht flattriger, fransiger Rand war, eine Art Corona, die sich nun verzogen hat. Insgesamt klingt es nun weniger „flächig und irgendwie“, sondern plastisch und auf den Punkt. Der scharfgestellte Blick auf die Stimme vermag in diesem Fall auch deshalb sehr zu beeindrucken, weil es aufnahmetechnisch sowieso schon sehr direkt zur Sache geht, was jetzt noch gesteigert wird – aber der Tendenz nach ist das Gesagte natürlich auch in anderen Fällen gültig. Flatterränder und Restnervositäten „um Klänge herum“ werden minimiert, man bekommt eine Art „Lock-in“-Eindruck vermittelt, da rastet etwas ein. Es könnte glatt Hörer geben, denen das schon zu sehr auf den Punkt ist.
Die Präzision der Abbildung und der plastische Eindruck, den die einzelnen Klänge hinterlassen, tragen bestimmt auch ihren Anteil dazu bei, dass der Bühnenraum als Ganzes sehr groß dimensioniert wirkt. Jedenfalls scheint mir das irgendwie miteinander zu korrelieren: diffuse, flache Einzelklänge und das Gefühl eines dicht vollgepackten und recht flachen, also wenig tiefen Bühnenraums. Fragen Sie mich nicht genau warum, aber so konnte ich es schon öfter hören. Davon ist mit den Zendos freilich nichts zu spüren, im Gegenteil: So die Aufnahmen es gestattet, kann man eine schon frappierend zu nennende Tiefenstaffelung – gerade auch in den Ecken der virtuellen Bühne, in denen es leicht mal diffuser und undurchsichtig werden kann – erleben. Feine Sache.
Test: Zendo Cable by Mundorf Ai 605 | Kabel