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Klang: XTZ Tune 4

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Klang: XTZ Tune 4

XTZ Tune 4 | Aktivlautsprecher Bassmittentreiber

Ich gestehe, dass ich eher Anhänger der „reinen Lehre“ bin: Gute, einfach konzipierte Lautsprecher an einer geradlinigen Anlage in einem gut klingenden oder gut klingend gemachten Raum, das ist mein Lieblingskonzept. Die Realität sieht da schon anders aus, etwa, wenn man an einem Schreibtisch sitzt. Alleine wegen des Tisches, auf dem Lautsprecher zwar idealerweise nicht aufgestellt werden, in der Praxis aber dennoch häufig positioniert sind.

In jedem Fall lässt sich zunächst einmal bewerten, was Lautsprecher leisten, wenn man sie gänzlich unkorrigiert hört. Schließlich sollen Korrekturen dem Ausbügeln von Raum- und Aufstellungsproblemen, nicht aber von Unzulänglichkeiten des Lautsprechers selbst dienen.

XTZ Tune 4 | Aktivlautsprecher

Und so dürfen die XTZ Tune 4 zunächst auf Stativen Platz nehmen, mich aus zwei Metern Entfernung knuffig anblicken und ihrer Arbeit nachgehen. Inspiriert von ihren klaren, aber durchdachten Linien, fällt meine Wahl auf das Erstlingswerk der japanischen Pianistin Hiromi Ikei, welche in der Immanuelskirche in Wuppertal unter anderem die „Französische Suite c-moll, BWV 813“ des Komponisten-Abrahams Johann Sebastian Bach interpretiert (auf Amazon anhören). Sie tut dies mit einem D3-Steinway, also einem sehr modernen Instrument, die Tontechnik hat das Spiel, das Instrument und den Raum akkurat und „zackig“ eingefangen. Das ist absolut hörenswert, vor allem, weil Ikei eben nicht zu robotergleich ihre zehn Finger über die Tastatur marschieren lässt, sondern eine ganz fein dosierte Beschwingtheit in die Stücke bringt. Eine spannende, frische Platte!

Die XTZ Tune 4 verstehen es, die Obertonstrukturen der Basssaiten des Flügels, die Anschlaggeräusche der harten Hämmer und die feinen Rückwürfe der Kirchenwände gut ortbar und ohne störende Verschleifungen zu übertragen. Dieser Detailreichtum ist für Aktivboxen dieser Preisklasse keine Selbstverständlichkeit, wenngleich Systeme mit gewichtigeren Preisschildern um den Hals hier freilich auch noch mehr leisten.

XTZ Tune 4 | Aktivlautsprecher mit Rechner

Ich habe während des Testlaufs mit Abständen experimentiert und die Tune 4 auch an der Leistungsgrenze gefahren. Schnell zeigte sich dabei, wofür die XTZ konzipiert sind, nämlich für das Hören bis zu mittleren Abhörlautstärken bei nicht zu großen Abständen – und mithin in nicht allzu großen Räumen. Für 50-m²-Räume sind die Tunes deutlich zu unterdimensioniert, aber in 20-30-m²-Wohnizimmern bei üblicher Deckenhöhe kann man sie noch ohne große Abstriche verwenden. Die Kalottenhochtöner sind schnell, aber bis zu höheren Pegeln nicht beißend. Schiebt man mehr als nur ordentlich Pegel zu den Lautsprechern, können die Höhen dazu tendieren, ungemütlich, ja leicht kratzig zu werden und ihre schöne Luftigkeit zu verlieren. Gut: Das ist quasi die eingebaute Lautstärkewarnung und tritt auch erst dann auf, wenn die Pegel über den des üblichen Musikgenuss hinausgehen. Und dass die XTZ eher für mittlere und niedrige Hörlautstärken optimiert sind, ist in Anbetracht des Grundkonzepts auch deutlich sinnvoller, als wenn sie auf Alarm getrimmt wären.

XTZ Tune 4 | Hochtöner

Einen weiteren Vorzug der XTZ Tune 4 hört man im Grunde gar nicht, was durchweg positiv ist: Die Tune rauschen nur absolut unwesentlich, wodurch man sich auch im Nahbereich niemals gestört fühlt.

Nicht allzu hohe Pegelfestigkeit gepaart mit Ausgeglichenheit der Hochmitten und Höhen – wer einige Systeme gehört hat, der weiß, wofür das eine Grundvoraussetzung ist: Richtig, für langes, ermüdungsfreies Hören. Und tatsächlich habe ich zwei aufeinanderfolgende Tage mit Tune-4-Beschallung zehn Stunden verbracht und war sogar noch so guter Dinge, dass ich sie kurzerhand zum Filmgucken mit ins Wohnzimmer genommen habe. Die Schweden sind zweifelsohne angenehme Charaktere.

Svavar KnúturDie XTZ-Speaker sind zwar durchaus „verzeihende“ Lautsprecher, doch wohl abgemischte Musikproduktionen sind dennoch das, was sie am besten aufspielen lässt. So sind es die besonders in den Mitten hervorragend austarierten Alben Brot (auf Amazon anhören) und die Live-EP Songs of Weltschmerz, Waldeinsamkeit and Wanderlust (auf Amazon anhören) des für seine mit Comedy-Elementen versehenen Auftritte bekannten isländischen Barden Svavar Knútur, die auf den XTZ Tune 4 nicht nur einfach schön Svavar Knúturanzuhören sind, sondern begeistern. Ob nun nur Akustikgitarre und „elbisch“ anmutendes Isländisch oder etwas reicher instrumentierte Stücke wie die Elegie „Curtain“ auf Brot (isl.: „gebrochen“), immer sind die Mitten schön aufgeräumt. Auffällige Unebenheiten im Pegelfrequenzgang kann ich keine ausmachen, offenbar hat man auch das Thema Resonanzen sehr gut im Griff.

Im tiefen Frequenzbereich liefern die kleinen Aktivlinge auf den ersten Blick genau das, was man beim angedachten Einsatz benötigt: Bässe klingen besonders im Nahbereich wuchtig und – ja, genau – „tief“. Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte ist, dass erstaunlich viel Energie in den untersten Lagen zur Verfügung steht. Die für die nicht riesigen Lautsprecher durchaus Anna von Hausswolff The Miraculousmassive Basswiedergabe ist ein schönes Erlebnis, wenn man sie mit der passenden Musik genießt. Anna von Hausswolff darf mit ihrem Ausnahmealbum The Miraculous (auf Amazon anhören) die Membranen in Bewegung versetzen. „Wieso Ausnahmealbum?“ fragen Sie vielleicht. Nun, wie viele Produktionen der U-Musik, außer von Yes und ELP, kennen sie, die eine Kirchenorgel nutzen? Von Hausswolff bringt das immobile Instrument nicht nur virtuos zum Einsatz, sondern bindet es wie selbstverständlich in die Stücke ein, die neben mit Federhall und Tremolo versehenen Clean-Gitarren und dem stellenweise an Kate Bush erinnernden Gesang auch ganz deutlich von der Leine lassen und Gas geben können. Ja, die Platte klingt auf den preislich moderaten Lautsprechern im wahrsten Sinne „groß“!

Mir ist der Tiefenbereich der Tune 4 jedoch etwas zu wenig konkret, zu weich, zu „boomy“. Ganz anders die preislich ähnlichen, aber deutlich kleineren und spärlicher ausgestatteten Genelec 8010A. Diese sind trotz deutlich kleineren Basstreibers und winzigen Gehäuses bei etwas höherer unterer Grenzfrequenz beziehungsweise weniger Tiefgang schlicht knackiger und schneller – sie gelten diesbezüglich aber auch als nahezu unerreicht. XTZ hat jedoch Schaumstoffkeile in den Lieferumfang gepackt, die, in die rückseitigen Reflexschlitze eingefügt, den Bässen eine trockene, akkurate Wiedergabe bescheren. Mir gefällt es so besser, da ich eher gewohnt bin, mit analytischen Lautsprechern zu hören.

XTZ Tune 4 | Aktivlautsprecher Bassreflexöffnung

Als netten Nebeneffekt steigert man durch das Verstopfen die Impulswiedergabe bis in die Mitten hinauf, denn auch dort klingen die Lautsprecher nach der Schaumstoffbehandlung angenehm schnell und konkret. Gestopft sind die Tune 4 insgesamt etwas schlank, aber sehr agil unterwegs.

Romano aus dem südöstlich von Berlin gelegenen und nach eigener Aussage unübertrumpfbaren Köpenick zeigt, wie ein knackig aufgestelltes System gegenüber weicherer Abstimmung gewinnen kann: „Der schöne General“ und „Brenn die Bank ab“ von Jenseits von Köpenick (auf Amazon anhören) schmeißen mir 80er-Synthie-Linien und bekannte Drummachine-Sounds um die Ohren, die mir über die XTZ Tune 4 sofort ein Grinsen ins romanoGesicht zaubern. Man kann sie mit verschlossenen Reflexöffnungen sogar ein gutes Stück lauter spielen, da es naturgemäß keine Portturbulenzen geben kann.

Ist ihnen bis hierhin eigentlich etwas aufgefallen? Ich meine nicht, dass ich das Tonic-Thema nicht erneut als Aufhänger benutzt habe. Bislang bezieht sich meine Darstellung auf die unkorrigierten Boxen, die einzige Klangmodifikation erfolgte mit Schaumstoffkeilen, also tatsächlich sehr altmodisch. Die oben erwähnte Dirac-Software bietet mehrere Presets an, die sich im laufenden Betrieb schnell umschalten lassen. Die Bassabsenkung „On Wall“ bringt auch ohne Stopfen eine deutliche Verbesserung bei wandnaher Aufstellung, die „Boost“- und „Bright“-Presets verstärken Bässe oder Höhen, was zwar moderat genug ausgeführt, aber meiner Meinung nach kaum nötig ist und die Langzeithörtauglichkeit beeinträchtigt. Mit „Reference“ hingegen klingen die Boxen zwar etwas straffer, allerdings vermag die Veränderung der zu den Boxen geleiteten Signale natürlich nicht, Wunder zu vollbringen: Die Genelec etwa reichen zwar wie erwähnt weniger tief nach unten, sind und bleiben aber noch knackiger.

Tischlein, deck dich: XTZ Tune 4

Viele Besitzer eines XTZ-Tune-4 Pärchens werden dieses nicht frei im Raum auf Stativen im Nahbereich aufstellen, sondern auf dem Schreibtisch platzieren. Akustisch sinnvoll ist es häufig, die Speaker dennoch ungefähr in Ohrhöhe zu betreiben und auf Ständern hinter dem Schreibtisch aufzustellen, aber die Gehäuseform der Tunes zeigt ja schon, dass sie für den Betrieb auf dem Tisch ausgelegt sind. Mein Test auf einem sehr schallharten Glasschreibtisch schlägt wie zu erwarten direkt Kerben in den Frequenzgang und erhöht manche Frequenzbereiche: Durch den Schallumweg über die Tischplatte bis zum Ohr entsteht der Kammfiltereffekt, der sich akustisch nur mit Dämpfung oder Diffusion auf dem Tisch verringern ließe. Allerdings zeigt sich im Vergleich mit anderen Lautsprechern dieser Größe und auch mit der kurzzeitigen Installation des längeren hinteren Standfußes, dass die geschrägte Front ein deutlicher Gewinn bei dieser Aufstellungsart ist.

XTZ Tune 4 | Aktivlautsprecher

Das Dirac-Preset „On Desk“ soll Abhilfe schaffen und ist tatsächlich zu empfehlen. Die Grundproblematik, dass der auf der Platte reflektierte Schall für eine Nichtlinearität sorgt, kann zwar nicht gänzlich aufgehoben werden. Aber zumindest der stärkste „Buckel“ im Frequenzgang in den unteren Mitten wird deutlich abgeschwächt. Stehen die XTZ Tune 4 sehr nah an der vorderen Tischkante, sollte dieses Filter nicht angeschaltet sein.

Wenn die beiden Lautsprecher im ungleichmäßigen Abstand zur Hörposition stehen müssen, haben Sie die Möglichkeit, den näheren Speaker mit der kostenfreien Dirac-Software auf Mac oder PC einige Millisekunden zu verzögern und im Pegel leicht zurückzunehmen. Das funktioniert hervorragend, vorausgesetzt, man weiß, was man tut. Damit wären wir bei einem nicht unwichtigen Punkt, denn ich würde schon ganz gerne ein wenig tiefer eingreifen, um die Pegel in Bässen und Mitten an meine räumlichen Gegebenheiten und meine persönlichen Präferenzen anpassen zu können. Bei Verwendung von Einmess-Systemen wie dem Room Analyzer 2 Pro ist man deutlich individueller unterwegs, was ein klarer Gewinn ist. Das ist auch logisch: Mit einem Mikrofon und der Software wird ermittelt, wo an der Hörposition genau die Probleme liegen, die Wiedergabe der XTZs wird daraufhin spezifisch verändert.

Royal Philharmonic Orchestra, das unter der Leitung von Yuri Simonov im Air Lyndhurst, dem „zweitlegendärsten“ Tonstudio Großbritanniens, die 3. Sinfonie (Symphony Of Sorrowful Songs) des polnischen Komponisten Henryk Mikołay Górecki Schön ist in jedem Fall die einfache und logische Benutzerführung der Dirac-Software, egal auf welcher der getesteten Plattformen (iOS, Mac OS).

Das Royal Philharmonic Orchestra, das unter der Leitung von Yuri Simonov im Air Lyndhurst, dem „zweitlegendärsten“ Tonstudio Großbritanniens, die 3. Sinfonie (Symphony Of Sorrowful Songs) des polnischen Komponisten Henryk Mikołay Górecki festgehalten hat (auf Amazon anhören), wird von mir zur Überprüfung von dargestellter Tiefe und Abbildungsschärfe in die XTZ gepumpt.

Zu guter Letzt: Die Raumabbildung

Das Stereobild ist präzise, glücklicherweise muss sich niemand im Dreieck zwischen den Tunes festtackern, denn die Abstrahlung der Boxen ist breit genug. Erst ein starkes Herausbewegen aus dem Sweet Spot lässt in den Höhen Änderungen eintreten und die generell gute Ortungsschärfe verschlechtern, so wie das eingangs angesprochene Rasiermesser nach erfahrungsgemäß genau einer Gesichtshälfte ein wenig stumpfer wird. Die Tiefenstaffelung funktioniert so genug, so dass sich Produktionen, die mit weiten Räumen arbeiten, entsprechend bis tief hinter die Lautsprecher abbilden, was unter anderem die Górecki-Produktion zum Genuss werden lässt. Ab zwei Metern Hörentfernung versumpft das Stereobild zusehends, die XTZ Tune 4 funktionieren im Nahbereich also in jeder Hinsicht besser.

XTZ Tune 4 | Aktivlautsprecher Rückseite/Anschlüsse

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Elac Vela

Test: XTZ Tune 4 | Aktivlautsprecher, Kompaktlautsprecher

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