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Mir war angekündigt worden, dass die Lautsprecher eingespielt bei mir einträfen. Frisch aus den Kartons geschält und auf die Lautsprecherständer gestellt, war mein erster Eindruck „Ok, für ’nen Tausender ganz in Ordnung. Bisschen grummelig im Bass, die Höhen könnten etwas freier klingen, aber angesichts des Preises klingt das fair.“ Nach einem Tag des Akklimatisierens – den man Temperatur-, Luftfeuchtigkeitsschwankungen und Erschütterungen ausgesetzten Lautsprecheren generell gönnen sollte – musste ich meine Meinung allerdings revidieren, und zwar ganz gewaltig. Denn das, was die XTZ 99.25 MK3 klanglich bieten, geht – gelinde gesagt – als eine so ziemliche Überraschung durch. An dieser Stelle schon mal frei vorweg: Ich halte diese Lautsprecher für phänomenal gut.
Beginnen wir protokollgerecht im Bass. Hier präsentieren die Schwedinnen einen nahezu idealen Kompromiss zwischen Tiefgang und Kontrolle, zwischen Präzision und Farbigkeit. Dass Lautsprecher diese Aspekte so ausgewogen unter einen Hut bringen, ist leider wirklich selten und offenbar für viele Entwickler eine Herausforderung. Der Bass von Markus Miller auf dem Album Afrodeezia (auf Amazon anhören) hat Substanz, kommt dabei trotzdem leichtfüßig und schnell, slappt satt und hat Swing, klingt druckvoll und differenziert – das haben nur wenige Kompakte in dieser Qualität drauf. Ok, knochentrocken ist das nicht ganz, aber ich persönlich mag es, wenn der Bass ein bisschen „Fleisch“, aber kein Fettgewebe auf den Rippen hat.
Selbst an der unteren Grenze ihres Übertragungsbereiches reproduzieren die XTZ noch Klangfarben und machen deutlich, welches Instrument da groovt oder für den Beat sorgt, der einem – je nach Musikmaterial und Lautstärke – auch durchaus mal physisch in den Magen zu fahren vermag. Auch bei großem Orchester, wo es im Bass ebenso substanziell wie komplex hergehen kann, da hier oft mehr Instrumente als ein einzelnes Schlagzeug oder ein einzelner Bass auf den Plan treten, gelingt es den XTZ 99.25, die tiefen Töne überzeugend und angemessen durchsetzungsstark zu reproduzieren. Irgendwie musste es mal wieder Bolero sein. In einer Einspielung des Chicago Symphony Orchestra unter Georg Solti machen die 99.25 deutlich, dass sie auch Kontrabässe, die sich in einem großen Konzertsaal akustisch angemessen ausbreiten können, eindrucksvoll wiedergeben. Und das durchaus bis zu nicht mehr nachbarschaftsfreundlichen Pegeln. Ok, so lernt man zu später Stunde mal seine neuen Nachbarn kennen. Den Test mit synthetischen Tönen hebe ich mir daher lieber für den kommenden Tag auf:
Auf James Blakes Album James Blake (auf Amazon anhören) gibt es diese Cover-Version von Feists „Limit to your Love“, bei dem Blake ultratiefe Synthie-Schwebungen einsetzt. Die meisten Kompaktlautsprecher geben diese Töne gar nicht wieder, zwar vollführen ihre Tiefmitteltöner hohe Auslenkungen, einen wirksamen Schallanteil strahlen sie aber nicht mehr ab. Die XTZ 99.25 dagegen schaffen es, hier noch erstaunlich weit „dabei“ zu bleiben und vermitteln einen sehr ordentlichen Eindruck davon, was hier im Tiefbass abgeht. Klar, bei hohen Lautstärken kommen die Schwedinnen dann merklich an ihre Grenzen. Ich will auch nicht behaupten, dass das zum Beispiel ernsthaft mit der Performance zu vergleichen ist, die etwa ein Paar fast mannshoher Nubert NuVero 140 mit ihren vier 18-cm-Langhub-Tieftönern pro Box entwickeln. Dennoch bieten die XTZ tieftonseitig deutlich mehr als man angesichts der kleinen Gehäuse erwarten würde. Dabei nötigt mir vor allem Respekt ab, dass die übrigen Frequenzen nahezu völlig unbeeindruckt bleiben, wenn untenrum hart gearbeitet wird. Das Klangbild bleibt komplett stressfrei.
Was mir bei Ravels Bolero schon auffiel: Klangfarben sind eine absolute Domäne der XTZ 99.25. Die Charakteristika der verschiedenen Instrumente und Instrument-Gruppen des Orchesters werden wunderbar aufgezeigt. So sauber habe ich das auch bei deutlich teureren Lautsprechern selten gehört. Auch die Unterschiede zwischen zwei gleichen Instrumenten – etwa den beiden Gitarren im Stück „Pica Pica“ auf dem Album La Danza von Omar Torrez (auf Amazon ansehen) – arbeiten die XTZ 99.25 klar und völlig selbstverständlich heraus. Dabei ist das bei weitem nicht selbstverständlich. Doch mit den Schwedinnen ist immer zweifelsfrei klar, welche der Gitarren gerade welche Melodielinie verfolgt. Es macht irren Spaß zu hören, wie sich die Instrumente umspielen, in einen Wettstreit treten, zusammenfinden. Selbst meine sechsfach teureren Valeur Audio Micropoint 4 SE machen das nicht besser. Sie zeigen höchstens, dass bei der Wiedergabe der Transienten noch ein bisschen mehr geht.
Sie hören, na ja, lesen leider nur, wir sind bereits weit im Mitten-Spektrum angelangt. Zeit, ein Augenmerk auf die Stimmwiedergabe der Schwedinnen zu richten.
Und ja, meine inzwischen ganz bestimmt nicht mehr niedrig gesteckten Erwartungen erfüllen, ja übertreffen die Lautsprecher hier souverän. Kürzlich hatte ich das Vergnügen, Gregory Porters „Hey Laura“ auf dem Album Liquid Spirit (auf Amazon anhören) über mannshohe Hornlautsprecher der 30-k¤-Klasse zu hören. Das war beeindruckend. Doch noch mehr beeindrucken mich die 1 k¤ teuren XTZ, die die Stimme noch klarer, selbstverständlicher und realistischer wiedergeben. Natürlich haben sie einen grundsätzlich anderen Klangcharakter als die 30mal teureren Riesenlautsprecher, die sich eine JBL Everst zum Vorbild genommen hatten. Aber bei allen Charakter- und Geschmacksfragen gibt es auch objektive Kriterien bei der Klangbeurteilung. Und in Sachen Detailwiedergabe und Auflösung kann ich den 99.25 nur Bestnoten ausstellen. Die Details der Artikulation bringen die Lautsprecher exakt rüber. Das Tolle ist, dass einen das bei aller Präzision nicht kalt lässt – im Gegenteil: Gregory Porter geht unter die Haut.
Exzellentes Differenzierungsvermögen und tolle Stimmwiedergabe – das schreit nach Chormusik. Um es nicht gleich zu übertreiben, greife ich auf eine ältere TACET-Aufnahme der Kleinen Messe (Petite Messe solennelle) von Rossini zurück. Und tatsächlich: Die XZZ 99.25 halten die einzelnen Stimmen des überschaubaren Chores ganz selbstverständlich auseinander. Was mir dabei noch auffällt ist, dass sie hervorragend mit der etwas speziellen Räumlichkeit der hauptsächlich mit einem Kunstkopf aufgenommenen Einspielung zurechtkommen. Doch dazu später mehr.
Zunächst steht noch der Hochton auf der Checkliste. Und der hat, wie bei einem hochwertigen Bändchen kaum anders zu erwarten, ebenfalls das Zeug zu hohen Weihen. Latent hat er ja bereits ordentlich mitgemischt. Für einen Teil des konstatierten hervorragenden Auflösungsvermögens, wie auch für die tolle Klangfarbenmelodie – hier spielen ja vor allem die Obertöne eine Rolle –, ist nämlich der Hochtonanteil des Gebotenen verantwortlich. Und auch beim gezielten Hinhören kann ich nur Gutes berichten. Eva Cassidy, Live At Blues Alley (auf Amazon anhören), ziehe ich nicht nur wegen der Stimme von Frau Cassidy immer wieder gerne zum Hörtest heran. Der Schlagzeuger malträtiert bei fast allen Titeln auch gut das Blech. Das kann über Lautsprecher, die im Hochtonbereich nicht sauber auflösen, zu einer Art Zischen verschwimmen. Das kann aber auch so ungemein fein strahlen, wie es die 99.25 vorführen. Die Stimme von Patricia Barber, die auf dem Album Modern Cool leider zum Zischeln neigt – ein echtes Manko der Aufnahme, ein wenig mehr Einsatz des DeEssers hätte nicht geschadet – klingt über die XTZ ebenfalls erträglich, da sie die Sibilanten schlichtweg sehr sauber wiedergeben.
Übrigens: Bass, Mitten und Höhen stehen insgesamt in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander, sodass sich eine neutrale Gesamtabstimmung ergibt, die keinerlei Tendenz in Richtung warm oder kühl hören lässt.
Kommen wir zur räumlichen Darstellung. Prinzipiell drängen einem die XTZ 99.24 MK3 das Klangbild nicht auf. Die Bühne beginnt ungefähr auf der Grundlinie des Stereodreiecks, also auf der gedachten Verbindungslinie zwischen den Boxen, und entfaltet sich bei Bedarf weit nach hinten. So vermitteln die 99.25 einen klaren Eindruck vom Aufnahmeraum – sei es nun ein kleinerer Jazzclub, ein Orchestersaal oder die eher artifizielle Räumlichkeit einer Studioproduktion. Auch die Lokalisationsschärfe ist einwandfrei. Die Akteure stehen klar umrissen und in realistischen Größen auf der akustischen Bühne. Das kommt vor allem bei guten Live-Aufnahmen sehr schön zur Geltung. „One For Helen“, das erste Stück auf Bill Evans At the Montreux Jazz Festival (auf Amazon anhören), beginnt mit einem Piano, das klar umrissen, ein wenig links auf der Bühne im nicht zu großen Saal steht. Dann setzt rechts das Schlagzeug ein. Es hat einen festen Platz und „verdrängt“ das Klavier nicht. Dann mischt sich der Bass ein – mittig hinter den beiden anderen Instrumenten. Das ist schlichtweg eine wunderbar saubere Abbildung.
Schwerer zu fassen sind andere Charakteristika der XTZ 99.25. Es wäre falsch zu behaupten, die XTZ-Boxen wären in Sachen Ansprechverhalten „Rennwagen“. Insbesondere manche Hornsysteme oder Breitbänder hängen gefühlt „direkter am Gas“, will sagen, sie scheinen sich auf jeden neuen Ton stürzen zu wollen, auf jeden Impuls vom Verstärker förmlich zu warten. Das tun die XTZ nicht. Rhythmus und Timing stimmen hier aber alles in allem so exakt, dass „langsam“ ebenfalls das falsche Wort wäre. Es hinkt auch kein einzelner Frequenzbereich hinterher oder ähnliches. Im Gegenteil: Die schwedischen Lautsprecher scheinen sich gebührend Zeit für jeden Ton (und jedes Detail) zu nehmen, hetzen über nichts hinweg (betont „schnelle“ Lautsprecher mit zu starker Betonung der Attackphase von Tönen erwecken häufig einen solchen Eindruck), halten sich jedoch auch nirgends unnötig auf. Auch hier geben sie sich ausgewogen. Und diese Ausgewogenheit aller Aspekte auf hohem Niveau ist letztendlich die größte Qualität dieser Lautsprecher.
Test: XTZ 99.25 Mk3 | Kompaktlautsprecher