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April 2014 / Martin Mertens
Eines muss ich vorwegschicken: Was meine audiophile Sozialisation betrifft, bin ich ein Kind der 1990er: HiFi konnte aus nicht genügend Einzelkomponenten bestehen. Wer die Wiedergabe von Audio-CDs auf die Spitze treiben wollte, hat schon damals auf getrennte Gehäuse für CD-Laufwerk und Wandler gesetzt. Von da ging es dann in den Vorverstärker und weiter zu den Mono-Endstufen. Der Gerätefuhrpark war natürlich nicht Statussymbol, sondern der Notwendigkeit geschuldet, dass jede Komponente auf seine Aufgabe spezialisiert sein musste.
Und jetzt steht der Wadia 01 Intuition vor mir. Ein Gerät, dessen optischen Reizen ich mich schwer entziehen kann. Schlag mich jetzt keiner, aber statt des Wadia-Logos (Vertrieb: www.audio-reference.de) könnte genauso gut ein angebissener Apfel den Deckel zieren.
Das ist nicht despektierlich gemeint. Mir ist bewusst, dass Wadia schon High-End-Laufwerk/Wandler-Kombinationen produziert hat, als man bei Apple noch mittelmäßige Hardware in bonbonfarbene, kaugummiblasenförmige Plastikgehäuse gesteckt hat. Mit den ersten iMacs schafften die Kalifornier es aber, die Kreativszene für Computer zu begeistern. Und die bedankte sich für die neu erschlossenen Möglichkeiten damit, dass sie im Folgenden zahlreiche Apple-Produkte zu Designikonen machte. Insofern muss man einfach akzeptieren, dass Apple heute die Maßstäbe in Sachen Technikdesign setzt.
Das Gehäuse des 01 Intuition beziehungsweise in diesem Fall Boden und Deckel gibt es in Silber oder Schwarz, auf speziellen Wunsch auch in chromglänzend poliertem Nickel. Da man in Cupertino ja inzwischen fast komplett auf Silber beziehungsweise Alu umgestiegen ist, macht der Wadia in Silber neben einem MacBook Air beispielsweise eine recht gute Figur. Und viel mehr braucht es auch gar nicht für eine richtige High-End-Anlage – außer natürlich noch einem Paar standesgemäßer Lautsprecher.
Ja, richtig, beim 01 Intuition handelt es sich um einen Vollverstärker mit eingebautem DAC. Oder um einen DAC mit eingebautem Verstärker, einem sogenannten Power-DAC. Wobei diese Bezeichnungen dem Wadia irgendwie nicht gerecht werden, da ihnen für mein Dafürhalten immer noch etwas von „Kompaktanlage“, also von Sparsamkeit anhaftet. Und davon kann angesichts des Preisschildes des 01 Intuition keine Rede sein.
Zur Bedienung des Ganzen gibt es eine Fernbedienung, die die gleiche Form wie der 01 Intuition hat. Am Gerät selber gibt es ein vergleichsweise großes Display auf der Front. Dessen Punktmatrixanzeige scheint durch eine Stoffbespannung hindurch. Rechts und links von der Anzeige verstecken sich unter dem Stoff noch je zwei Tasten, deren Positionen durch LEDs gekennzeichnet sind. Mit dem linken Paar kann man den Eingang wählen, mit dem rechten die Lautstärke regeln. Auch die Seiten des Geräts sind mit Stoff bespannt. Die HiFi-übliche Materialästhetik wird total konterkariert. Statt Seitenwänden aus zentimeterdicken, CNC-bearbeiteten Alu-Barren und Fronten, auf denen Präzisionsschalter aus der Raumfahrt neben schwarz spiegelnden Displays prangen, setzt Wadia auf – Stoff! Fehlt eigentlich nur noch die Wasch- und Pflegeanleitung! Ich find’s – entschuldigen Sie – ziemlich geil. Immerhin: Statt Weichspüler liegt dem Gerät eine Flasche mit einer speziellen Reinigungsflüssigkeit für den Alu-Deckel bei.
Wadia 01 Intuition: Pflegemittel wird mitgeliefert
Nicht ganz so originell, dafür aber aufschlussreich, ist die Rückseite beziehungsweise das Anschlussfeld des Wadias. Auf der digitalen Ebene finden sich so gut wie alle gängigen Anschlussformen: USB-, TOSLINK-, AES/EBU- sowie zwei S/PDIF-Eingänge in Form von Cinchbuchsen lassen kaum Wünsche offen. Hinter den beiden „λi-Link“ bezeichneten HDMI-Buchsen verbergen sich Eingänge für Datenströme im I2S-Format.
Über die HDMI-Buchsen können Audiodaten im I2S-Format angeliefert werden
Dieses Format wird von den meisten Herstellern zum internen Datentransport zwischen Laufwerkseinheit und Wandlerplatine bei CD-Playern verwendet. Wadia nimmt es konsequenterweise auch zur Verbindung zwischen zwei getrennten Geräten, etwa wenn CD-Laufwerk und DAC in separaten Gehäusen sitzen. Hier ist es eigentlich wenig sinnvoll, das Signal zur Übertragung zuerst in das S/PDIF-Format zu wandeln. Der Vorteil von S/PDIF ist allerdings, dass es standardisierte Verbindungen gibt – Cinch, BNC oder TOSLINK. Das ist bei I2S nicht der Fall. North Star setzt für diese Verbindungsart zum Beispiel auf RJ-45-Kabel, die man auch aus der Computertechnik (Ethernet-Kabel) kennt. Wadia hat sich, wie gesagt, für HDMI entschieden. Leider verhindert das, dass ich meinen North-Star-CD-Transport per I2S mit dem Wadia verbinde, was ich nur zu gerne ausprobiert hätte.
Rückseite des Wadia Intuition
Neben den digitalen gibt es noch zwei analoge Eingänge. Die Freude eingefleischter Analoganhänger darüber, dass es auch in derart modernen Komponenten irgendwo noch streng analog zu geht, muss ich allerdings gleich dämpfen. Solche Signale werden im Wadia zur weiteren Verarbeitung, insbesondere zur Lautstärkeregelung, postwendend digitalisiert. Was gar nicht schlimm ist (beziehungsweise sein soll), denn die interne Signalverarbeitung erfolgt mit 32 Bit bei einer Sampling-Frequenz von 1,5 MHz. Der 01 Intuition verarbeitet auf der digitalen Ebene so gut wie alle Formate, die es zurzeit so gibt – inklusive DSD, Doppel-DSD und DXD. Da Otto-Normalmusikhörer an solche Daten kaum herankommt, ist das Ganze eher von theoretischem Interesse – zumindest noch.
Die Lautsprecheranschlüsse nehmen nur Bananenstecker auf, was in Ordnung ist, da so ziemlich alle anständigen Lautsprecherkabel passend konfektioniert erhältlich sind. Aufhorchen lässt, dass dieses pizzaschachtelgroße Gerät, das dem Zug massiver Strippen gerade einmal 6 kg Gewicht entgegenstemmt, an 4 Ohm 350 Watt lockermachen soll. Das geht natürlich nur mit Hilfe moderner Schaltverstärker. Die bauen sehr kompakt und arbeiten hoch effektiv. Selbst im Partybetrieb wird der Deckel des Wadia gerade mal handwarm. Der Netzschalter des Wadia befindet sich übrigens etwas versteckt auf der Rückseite, direkt oberhalb der Kaltgerätebuchse.
Blick auf die Lautsprecheranschlüsse
Den 01 Intuition in meine Anlage zu integrieren, geht erfreulich einfach. Da er nur einen Stellplatz braucht, muss lediglich mein D/A-Wandler North Star Supremo weichen – das Netzkabel und das USB-Kabel vom Rechner (HP Laptop mit Windows 8 und JRiver als Abspielsoftware) übernimmt der Wadia gleich. Mein Class-A-Bolide, der Musical Fidelity AMS 35i, darf erfreulicherweise an seinem Platz bleiben (ein Dankeschön von meinen Bandscheiben dafür) und muss nur die Lautsprecherkabel an den 01 Intuition abgeben. Schon kann es losgehen.
Denkste! Als letzter Schritt vor dem Musikgenuss ist bei mir „Windoofen“ die Installation des Gerätetreibers nötig – der ist entweder auf dem beigepackten USB-Stick zu finden oder kann aus dem Internet über die Homepage von Wadia heruntergeladen werden. Apple-User sind mal wieder fein raus, mit ihren Computern versteht sich auch der 01 Intuition ganz von selbst.
Test: Wadia 01 Intuition | Vollverstärker