Armdicke Kabel und auf Hochglanz polierte Stecker können mächtig Eindruck machen. Das erkennt man an den hochgezogenen Augenbrauen des Gegenübers, einem leisen Pfiff durch die Schneidezähne – und nicht selten auch am Antippen der Stirn mittels Zeigefinger. Letzteres vermutlich eine anerkennende Geste, um die erbrachte intellektuelle Leistung bei der Auswahl der Verbindungstrosse gebührend zu würdigen.
Was sich ein wenig satirisch anhört, ist gar nicht so abwegig. Viele der typischen High-End-Strippen setzten auf beeindruckende Querschnitte und Applikationen aus Holz, Metall oder anderen Werkstoffen, meist ohne wirkliche Funktion. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Die Kabel des Schweizer Spezialisten Vovox (Web: www.vovox.ch) kommen ganz augenscheinlich ohne die typische Materialschlacht aus. In wenig spektakuläre, schwarze Gewebeschläuche gehüllt, verfügen sie über Leiterquerschnitte um 0,8 mm², die an den üblichen highendigen Maßstäben gemessen eher bescheiden anmuten. Nein, zum Angeben taugen die Verbinder aus Ebikon im Kanton Luzern definitiv nicht. Warum das genau so sein muss, wird mir klar, als ich Vovox-Entwickler Jürg Vogt kennenlerne. Vogt ist ein mittelgroßer, schlanker Typ, dem man es ohne Weiteres abnehmen würde, dass er auch mal einen Marathon mitläuft oder heimische Berge mit dem Rennrad bezwingt.
Er würde das, wäre es tatsächlich so, wahrscheinlich niemals ohne Not zugeben, denn auch eine vornehme Bescheidenheit gehört unzweifelhaft zu seinen Charakterzügen. Dabei gäbe es durchaus Gründe, etwas weniger bescheiden aufzutreten, denn immerhin ist es vor allem Vovox und damit Jürg Vogt zu danken, dass auch unter den Profis der aufnehmenden Zunft der Nutzen und Einfluss hochwertiger, ja sogar highendiger Kabel erkannt wurde.
Dafür hat er jede Menge dicke Bretter bohren müssen, was im Extremfall bedeutete, ein komplettes Theater zu mieten und mit zwei völlig gleichen Soundsystemen auszustatten. Eines mit üblichen Studiokabeln, dass andere mit feinen Vovox-Strippen. So konnten sich Entscheider aus dem Profilager selbst vom besseren Klang des mit Vogts Kabeln bestückten Systems überzeugen. Klar, ein gewisses, auch finanzielles Risiko geht man mit solchen Vergleichsvorführungen natürlich schon ein. Für Vovox ist es am Ende gut gelaufen und inzwischen findet man auch im Luzerner Saal des für seinen hervorragenden Klang gelobten Konzerthauses KKL Luzern Kabel des Schweizer Herstellers. Und in ungezählten Tonstudios.
Trotz aller eidgenössischen Zurückhaltung sieht man sich bei Vovox inzwischen in der Position des Leaders für professionelle highendige Kabelverbindungen. Da ist es nicht allzu verwunderlich, wenn Vogt ausführt, dass der Home-HiFi-Bereich für die wirtschaftliche Existenz von Vovox, wo man im nächsten Jahr bereits das fünfzehnjährige Bestehen feiern wird, eine eher untergeordnete Rolle spielt. Aber es sei nun mal wie bei den Autoherstellern und der Formel 1: Erfolg in der Topliga sorgt für Aufmerksamkeit und bringt den Umsatz an der Basis in Schwung.
Vovox Kabel-Familie
Der Vovox HiFi-Bereich erlaubt derzeit die Wahl aus drei qualitativ unterschiedlichen Linien, wobei sich zu Lautsprecher- und NF-Kabeln auch solche für Spezialanwendungen wie Phono, Digital und Stromversorgung gesellen. Zum Einstieg dienen die Kabel der Vocalis-Serie, gefolgt von der mittleren Baureihe Vovox textura, aus der auch unsere Testobjekte stammen. Am oberen Ende und finanziell bereits in luftigeren Höhen angesiedelt, finden sich die Vovox textura fortis, deren Solidcore-Leiter dann allerdings auch mit einem zehnfach größeren Querschnitt aufwarten.
Wer einen Blick auf das Portfolio der Schweizer für den Profibereich wirft, erkennt gewisse Ähnlichkeiten zu den genannten Kabellinien und wird auch bemerken, dass die Profistrippen im Schnitt zu günstigeren Preisen gehandelt werden. Darauf angesprochen erklärt der Vovox-Chef, dass die Verbindungskabel des Audiosegments zwar durchaus über konstruktive Gemeinsamkeiten mit den Profikabeln verfügen, doch müssen in der Fertigung von Audiokabeln für den Homebereich erheblich weniger Kompromisse eingegangen werden, weshalb deren klangliche Performance die der Pro-Sparte am Ende deutlich übertrifft.
So werden beispielsweise die für ihre Natürlichkeit vielgelobten Bullet-Plug-Cinchstecker von Eichmann für die Textura-NF-Kabel verwendet, was im Profibereich mit ziemlicher Sicherheit zu Verdruss führen würde. Ein übermüdeter DJ, der nach dem Gig morgens um sechs die Anlage abbaut, zieht der Einfachheit halber schon mal gleich am ganzen Kabel. Das geht halt schneller, als das nervige Gefummel mit den Steckern. Eine Profi-Strippe muss so etwas aushalten, bei Audiofreunden darf man wohl getrost pfleglichere Umgangformen voraussetzen.
Philosophiefrei veredeln
Ein weiterer Unterschied ist die sogenannte „Nachveredlung“, welche Kabel der Vovox Textura- und natürlich auch der Textura-fortis-Linie erfahren. Im Wesentlichen ist damit die sogenannte Kryogenisierung, also eine rasche Abkühlung des Materials auf Temperaturen bis minus 200 °C und die anschließende genau definierte Wiedererwärmung gemeint. Auch wenn Jürg Vogt zugibt, dass längst noch nicht alle relevanten Aspekte dieser Verfahren erforscht sind, sei der klangliche Gewinn doch so evident, dass es keineswegs Fledermausohren brauche, um diesen zu erfassen. Darüber hinaus sorgt die „Nachveredlung“, wozu nach Konfektionierung auch noch die Behandlung mit speziellen Signalen aus einem Generator gehört, dafür, dass Vovox-Audiokabel die typischen Effekte des Kabeleinspielens nicht aufweisen.
Befragt man Jürg Vogt zur Klangphilosophie seiner Kabel, so bekommt man zu hören, dass es eine solche bei Vovox eigentlich nicht gibt. Wenn überhaupt, sei das Ziel, maximale Informationsübertragung zu gewährleisten und eben nicht das klangliche Tuning der Anlage in die eine oder andere Richtung. Die Wahl des Leitermaterials ist dabei natürlich von großer Bedeutung. Bei Vovox schätzt man die ausgeglichenen Klangeigenschaften von Kupfer. Verwendet wird sogenanntes OCC Continous Cast Copper, und zwar mit einer Reinheit von 99,99998 %. Der Rohling für den Solidcore-Kupferleiter wird also in einem recht langsam ablaufenden Prozess gegossen und bewahrt dabei eine nahezu monokristalline Struktur. Um die üblicherweise bei Audiokabeln gebräuchlichen Durchmesser zu erzielen, ist ein Ziehen der Rohlinge natürlich unumgänglich, auch wenn das zulasten der Kristallstruktur des Kupfers geht, da diese wieder aufgebrochen wird. Durch ein schonendes und langsames Verfahren würden diese Bruchstellen aber auf ein Mindestmaß reduziert, was dem Klang zugutekommen soll, so Vogt.
Auch wenn der studierte Werkstoffingenieur seine Kabel sicherlich mehr vom Material her „denkt“, geht es auch in Ebikon nicht ohne elektrische Messungen. Doch entscheiden nicht die Messwerte allein über das finale Kabeldesign. Die Signalleiter müssen sich vielmehr in ausgiebigen Hörsitzungen beweisen. Im Zweifel setzt sich das, was natürlicher klingt, selbst gegen messtechnische Perfektion durch.
Störquellen sollen durch bewusste Reduktion vermieden werden. Ein Konzept, das man fühlen kann, sobald man ein Vovox textura in die Hand nimmt. Im Vergleich wirken sie ungewöhnlich leicht, was schnell zum Schluss führen könnte, möglicherweise auch ein klangliches Leichtgewicht vor sich zu haben. Dass der getriebene Fertigungsaufwand, zumindest auf den ersten Blick, in einem schwer zu leugnenden Gegensatz zur, naja, eben etwas „reduzierten Physis“ der Verbinder steht, ist allerdings kaum zu übersehen. Tatsächlich werden die Vovox textura nämlich keineswegs von den Rollen eines Massenherstellers bezogen und vor dem Weiterverkauf lediglich etwas „aufgehübscht“ und neu gelabelt. Vielmehr sind nach Bezug der Kupferdrähte nicht weniger als vier Arbeitschritte erforderlich, bis die Kabel schließlich mit passenden Steckern konfektioniert werden. Für diese Arbeiten sind ausgesuchte Fachbetriebe, vorzugsweise aus der näheren Umgebung, nötig, die nach genauen Spezifikationen von Vovox ihre Aufgaben erledigen.
So werden die Solid-Core-Drähte im Anschluss an die bereits erwähnte Kryogenisierung mit einer speziellen Naturfaser umwickelt, bevor ein anderer Betrieb sie mit Kunststoff umspritzt. Schließlich geht es noch in eine Weberei, die auch Gewebe für Extremanforderungen herstellen kann: Dort weben sie einen Mantel aus hochstabilen Polyesterfasern um die vorbereiteten Kabel, der den ungeschirmten NF- und Lautsprecher-Kabeln nicht nur das charakteristische Äußere verleiht, sondern sie auch ausgezeichnet vor mechanischen Einflüssen schützt. Dazwischen unterliegen die Vovox-Kabel fortwährend einer strengen Kontrolle aller Arbeitsschritte durch Vogt und sein Team, bevor sie schließlich in Ebikon endkonfektioniert werden.
Die Preise der getesteten Vovox-textura-Kabel bewegen sich auf einem die aufwendige Fertigung widerspiegelnden Niveau. Ein mit Bullet-Plugs von Eichmann konfektionierter Stereometer des ungeschirmten NF-Kabels Vovox textura IC direct wird mit 795 Euro berechnet, während die gleiche Länge der symmetrischen Variante IC balanced (XLR-Stecker von Phenol-Tuchel) auf 940 Euro kommt. Das Phonokabel mit SME-Stecker und einem beigelegten, flexiblen Erdungskabel gibt es ab 1.040 Euro. Glücklicherweise bereitet es Vovox keine Probleme, das geschirmte Textura IC protect in der von mir für die Verbindung zwischen Vorstufe und Endverstärker benötigten Länge von zweimal sieben Metern zur Verfügung zu stellen. Ungeschirmt, als IC direkt, wäre diese Länge allerdings nicht realisierbar, da mit deutlichen Klangverlusten durch Einstreuungen zu rechnen ist. Die stattliche Strecke des IC protect wird mit immerhin 3.410 Euro in Rechnung gestellt. Wer mit der Standardlänge von 100 Zentimetern auskommt, zahlt nur noch 890 Euro. Recht kundenfreundlich kalkuliert erscheint da der Preis des mit kontaktfreudigen Hohl-Bananas konfektionierten Lautsprecherkabels Textura LS. Für die in der Regel ausreichende Länge von zweimal 2,5 m werden 1.180 Euro berechnet.
Dennoch bleibt festzustellen, dass eine komplette Ausstattung mit Vovox textura summa summarum durchaus eine gewisse Investitionsbereitschaft voraussetzt. Allerdings fallen die Preise qualitativ vergleichbarer Hersteller, von denen wir einige in letzter Zeit bei fairaudio getestet haben, im Zweifelsfall gewiss nicht niedriger aus.
Test: Vovox textura | Lautsprecher- und NF-Kabel