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Der Vorverstärker Vincent SA-T7 Diamond (3.999 Euro, Web: www.vincent-tac.de) hat mit der optischen Wirkung einer Marilyn Monroe wenig gemein, doch hier wie da besteht der Anspruch, eine Sonderstellung einzunehmen: Mit der mit NOS-Röhren von Telefunken ausgestatteten Edition seiner Top-Vorstufe will Vincent ein echtes Schmuckstück mit audiophilem Sex-Appeal bieten.
Bereits der „Standard“-SA-T7MK (3.099 Euro) genießt einen guten Ruf als klangstarke und preiswerte Röhrenvorstufe mit eingebautem DAC, doch sah man im Haus Sintron wohl eine Chance, die Plattform noch weiter aufzubohren. Wie? Nun, schauen wir doch erst mal auf die grundlegenden Fakten zum Vincent SA-T7, bevor wir zum Unterscheidungsmerkmal (ja, Singular) der diamantenen Sonderedition kommen.
Vincent SA-T7 Diamond – Ausführung und Ausstattung
Von außen gibt sich die SA-T7 in diesem wie in jenem Fall als Vincent zu erkennen. Das bedeutet: Keine Experimente beim Design, keine zentimeterdicken Panzerplatten als Gehäuse – auch wenn bei der Diamond-Version eine etwas edler anmutende Gehäuseabdeckung als beim MK-Modell zum Einsatz kommt. Doch es bleibt beim Motto „form follows function“ mit einer insgesamt sehr guten und professionellen Verarbeitung und hochwertigen Materialien. Es gibt nichts zu meckern, aber auch nichts zum Damit-Angeben.
Die Bedienelemente für die Lautstärkeregelung, den Quellenwahlschalter, Bass- und Höhenregelung sowie die Ein-/Ausschalter für die Klangregelung, Stummschaltung und den Netzstrom sitzen allesamt gut zugänglich, eindeutig beschriftet und mit ordentlicher Haptik und definierten Druckpunkten versehen auf der Front. Die Schalter, mit denen man die Dimm-Stufe der LED-Leuchten vierstufig einstellen und die Auto-Off-Funktion ein- oder ausschalten kann, befinden sich auf der Rückseite des Gehäuses. Beide dürfte man in den meisten Fällen genau einmal, nämlich beim ersten Aufstellen des Geräts betätigen, und deshalb beeinträchtigt das die mentale Notiz zur Bedienbarkeit nicht weiter negativ.
Die Rückseite teilen sich die Schalter mit sechs unsymmetrischen Cinch-Analogeingängen. Dazu kommen zwei digitale S/PDIF-Eingänge (optisch und koaxial) und eine Schraubbuchse für die Bluetooth-5.0-Antenne. Die digital eingehenden Signale verarbeitet ein Texas-Instruments-Chip vom Typ PCM 5102. Da der Drehschalter nur sechs Quellen zur Auswahl anbietet, wir aber inklusive Bluetooth neun Eingangsmöglichkeiten haben, werden die digitalen Eingänge per Knopfdruck direkt darunter „freigeschaltet“. Dadurch verwandeln sich die Analogeingänge 4-6 zu den Digitaleingängen 1-3. Die serienmäßig mitgelieferte Infrarotfernbedienung folgt dem Diktat des Analog-Digital-Umschalters, bietet diesen allerdings nicht selbst – mit Quellwahl, Stummschaltung und Lautstärkeregelung ist das Ende der Funktionsumfangsfahnenstange erreicht. Mehr muss streng genommen nicht sein, jedoch hätte ich mir ab und an gewünscht, den SA-T7 Diamond vom Hörplatz ein- und ausschalten zu können – insbesondere, da ich anfangs die Auto-Abschaltung aktiviert hatte und nach etwas längeren Hörpausen wieder ins Sofa sank, nur um zu merken, dass das Gerät bereits auf Mission „Stromsparen“ war.
Ausgangsseitig wird es noch interessanter, denn hier stehen neben dem fixen Tape-Ausgang (Cinch) gleich zwei unsymmetrische geregelte Vorverstärker-Ausgänge mit unterschiedlichen Ausgangswiderständen zur Verfügung – einmal 607 Ohm und einmal 45 Ohm. Dies soll zur besseren elektrischen Anpassung an verschiedene Endstufeneingänge dienen. Vincent sagt dazu: „Grundsätzlich können beide Ausgänge bei Anschluss von Endstufen mit Eingangsimpedanzen ab 10 Kiloohm gleichwertig verwendet werden, zum Beispiel für Bi-Amping. Für den Anschluss von Endstufen mit Übertragereingang ist jedoch optimalerweise der Ausgang mit 607 Ohm Quellimpedanz zu wählen.“
Technisches und innere Werte
Echtdiamant statt Modeschmuck – so oder so ähnlich mag Entwickler Dipl.-Ing Frank Blöhbaum gedacht haben, als er auf die Idee kam, den SA-T7MK noch einen Tacken besser zu machen. Das Potenzial dazu sah er in der Röhrenbestückung: In der Diamond-Version der Vorstufe kommen statt der standardmäßigen Bestückung mit je vier 6SCH51P- und 6SCH9P-Modellen vier original PCF803-Telefunken-Röhren aus deutscher Produktion zum Einsatz, in deren Glasboden die als „Diamond“ bezeichnete eingeschmolzene Raute zu sehen ist – ein fälschungssicheres Erkennungsmerkmal einer „echten“ Telefunken. Nur vier? Ja, denn da die PCF803 eine Verbundröhre ist, die eine Pentode und eine Triode im selben Kolben vereint, sind statt der insgesamt acht Röhren im MK-Modell in der Diamond-Edition nur vier notwendig. Die im „Schaufenster“ der Front sichtbare Regulator-Röhre 85A2 zur Gleichspannungsstabilisierung ist beiden Varianten des Vincent SA-T7 gemein.
NOSferatu lässt grüßen
1600 Stück der PCF803 habe man als sogenannten New Old Stock (NOS) aufgetrieben. Da 600 davon für Servicezwecke auf Lager liegenbleiben, können maximal 250 glückliche Besitzer in den Genuss einer Diamond-Vorstufe kommen. Dass es dabei jemals zu einem durch ausfallende Röhren hervorgerufenen Servicefall kommt, ist jedoch unwahrscheinlich. Die Telefunken-Spanngitterpentoden gelten als sehr langlebig und robust, sodass selbst die „offiziell“ erwartete Lebensdauer von 10000 Betriebsstunden als eher konservativ zu bewerten sein dürfte.
An der grundsätzlichen Schaltungstechnik der Vorstufe ändert sich in der Diamond-Variante eigentlich nichts, allein den Arbeitspunkt der Röhren musste Ingenieur Frank Blöhbaum für einen linearen Betrieb im „BestPentode Transconductance“-Design anpassen. Diese für Vincent entwickelte Schaltung sei so eine Art eierlegende Wollmilchsau, denn sie vereine die höhere Verstärkung und Linearität einer Pentode mit der Rauscharmut einer Triode. Apropos „rauscharm“: Selbstverständlich besitzt auch die Diamond-Edition das von Frank Blöhbaum entwickelte Vimala-Modul (Sanskrit „rein, transparent, klar“) zur Stromquellenkopplung der BestPentode-Stufe. Ihr Vorteil sei eine weitere Reduktion des elektrischen Rauschens, so Vincent.
Schmelz versprochen?!
Laut Vincent besitzen die Telefunken-Röhren eine ganz eigene Charakteristik, die dem SA-T7 Diamond mehr musikalischen Schmelz und eine nochmals gesteigerte klangliche Sauberkeit (siehe oben) mitgeben soll. Die Kombination genau dieser Röhre mit der BestPentode-Technik sorge – vor allem aufgrund der in dieser Schaltung niedrigen möglichen Aussteuerung der Röhre – nicht nur für eine „unerreichte Sauberkeit der Wiedergabe“, sondern auch für ein „magisches Klangerlebnis“. Da bin ich gespannt.
Vincent SA-T7 Diamond: Hörtest und Vergleiche
Die Vincent SA-T7 Diamond ersetzt in meinem System die Norma Audio REVO SC-1 (6.890 Euro) samt ihres D/A-Wandler-Moduls (+1.575 Euro). Die Norma kostet also insgesamt mehr als das Doppelte. Der Norma-Wandler dient dabei, verbunden mit dem am fixen Ausgang andockenden Cinchkabel Graditech Kide 1, auch als Analogsignallieferant für die Cinch-Eingänge der SA-T7 Diamond und als Referenz für den integrierten Vincent-DAC. Die Rolle der Digitalquelle übernimmt in jedem Fall die Streaming Bridge Métronome DSS 2, die über ein Graditech-Kide-Koax-Digitalkabel an die jeweiligen Eingänge der Wandlermodule andockt. Weiter geht es mit dem Graditech Kide 3 an die Norma-Audio-REVO-PA150-Stereoendstufe.
Positionierungsfrage mal anders
Schon nach kurzer Einspielzeit stelle ich mir die Frage, in welche Richtung Vincent bei der Markt-Positionierung dieses Modells geschielt hat. Warum? Nun, ungehört könnte man angesichts der fehlenden Phonostufe vermuten, dass man die SA-T7 Diamond als puristische Line-Röhrenvorstufe konzipiert und eine DAC-Notlösung eingebaut hat, wegen Bluetooth und weil man das heute eben haben muss. Doch wenn man den Vincent SA-T7 Diamond erst mit dem internen DAC und seinem nicht mehr ganz aktuellen TI-Chip hört, muss man sagen: Das Teil schlägt sich wacker und lässt nicht das Gefühl aufkommen, dass es als Feigenblatt dienen müsse. In Richtung „vollumfänglich taugliche All-in-one-Lösung“ will die Reise mit dem SA-T7 Diamond aber auch nicht gehen – dazu fehlen ein integriertes Phonoteil und eventuell auch ein Streamingabteil sowie ein Kopfhörerausgang.
Eine Antwort zeichnet sich ab, wenn der Norma-Audio-DAC die Wandlungsaufgaben ausführt oder der Linnenberg Bizet die Phono-Signale liefert. Dann wird schnell klar, dass der Vincent in der Tat ein verdammt guter, puristischer Line-Verstärker sein will – und ist. Denn der Löwenanteil der Klangmeriten des SA-T7 Diamond geht trotz der ersten Einschätzung als DAC-Vorstufe klar auf das Konto der analogen Vorverstärkerabteilung. Die mischt solo eine Klasse höher mit, als sie es mit dem internen DAC tut und spielt sich erstaunlich nah an die Qualität der Norma Audio SC-2 heran. Aber ich greife vor. Kommen wir erst mal zu den Einzelheiten, und zwar mit dem Norma-DAC als Quelle (zum integrierten DAC verliere ich im Anschluss noch ein paar Worte).
Sauber: Tonalität und Auflösung
Der Vincent SA-T7 Diamond legt im Betrieb als reine analoge Vorstufe mit einem ungemein druckvollen und energiegeladenen, im besten Sinne präsenten Bass los. Hossa, das macht den ATC SCM50PSL (15.500 Euro) und den Divine Acoustics Bellatrix (9.500 Euro) gleichermaßen richtig Beine und scheint gerade die Britinnen gefühlt noch mal ein paar Noten tiefer in den Basskeller steigen zu lassen.
In 65daysofstatics Track „Prisms“ (Album: Wild Light) drücken die elektronischen Bässe mit körperhaft spürbarer Energie und ordentlich definierten Start-Stopp-Punkten. An dieser Stelle kann eine Nubert nuControl X (4.490 Euro) das Signal zwar noch ein bisschen akkurater ein- und ausschalten, doch das ist eine Marginalie, denn an Präzision mangelt es dem Vincent nicht. Ebenso nicht an Tiefgang, denn sein kräftiger, körperhaft spürbarer Tiefbass schlägt den von Norma und Nubert mit Druck und Volumen. Ist das zu viel des Guten? Nein, eher eine je nach Hörgeschmack willkommene, minimal den Bassbereich betonende Interpretation des Geschehens. Dass der Vincent SA-T7 Diamond dies ohne unkontrolliert zu werden schafft, macht er mit Nicolas Jaars „Colomb“ vom Album Space Is Only Noise beeindruckend klar. Die eher haptisch als auditiv rollenden Tiefbässe gegen Ende des Stücks fasst der Vincent in einen klar definierten Rahmen und zeichnet ihre Struktur fast ebenso deutlich wie meine Norma. Sehr gut!
Die Mitten schließen sich mit einer in dieser Preisklasse seltenen Klarheit und einer fast schon überragenden Ausdruckskraft an. Jacinthas Stimme in „Danny Boy“ (Album: Here’s to Ben) lässt mir ebenso intensive Schauer über den Rücken laufen wie die von Jarvis Cocker in „Tearjerker“ (Album: Room 29). Die Art und Weise, wie der Vincent Klangfarben und Konfigurationsveränderungen des Vokaltrakts übermittelt, den Bewegungen Cockers vor dem Mikrofon folgt und den sich entsprechend verändernden Hall darstellt, ist richtig gut. Auch die Nuancen von Chilly Gonzalez‘ Klavierspiel, nicht nur die Dämpfung der Saiten in leisen Passagen, sondern auch deren Grad, setzt der Vincent SA-T7 Diamond mühelos um. Dabei wirkt er nie betont analytisch oder hell, sondern einfach „nur“ transparent, offen und neutral.
Diese saubere und ungekünstelte Gangart setzt sich im Hochton fort. Der ist unspektakulär präsent, linear und malt zarte Texturen und feine Details mit bemerkenswerter Deutlichkeit. Dem Ingenieur ist anscheinend nix zu schwör, und Frank Blöhbaum straft hier alle Lügen, die Röhrenverstärker per se mit Verzerrungen, unsauberen Klangbildern oder einem „dunklen“ Klang assoziieren. Die Diamond Edition des SA-T7 fühlt sich von ganz unten bis ganz oben sauber und transparent an. Okay, am Ende des Tages kommt sie nicht ganz an das hohe Auflösungsvermögen und die schwebende Luftigkeit der Norma Audio SC-2 heran, doch das Niveau der nuControl X erreicht sie durchaus. Wohlgemerkt: Hörertypen, die bereits in der Unter-5K-Euro-Klasse jedes ätherische Detail mit höchster Luftigkeit im (Super)Hochton auf dem Silbertablett präsentiert haben und analysieren möchten, dürften sich auf die Suche nach einem geeigneteren Kandidaten machen. Ob der dann die Ausgewogenheit und emotionale Ausdruckskraft des Vincent SA-T7 Diamond erreicht, erscheint mir aber mehr als fraglich.
Riesig: Räumliche Darstellung
Ganz klar kein Kammerspiel, sondern eher ein ausgewachsenes Opernhaus zaubert der Vincent SA-T7 Diamond in mein Wohnzimmer. Zwar reicht die Bühne horizontal nicht über die äußeren Seiten der Lautsprecher hinaus, doch die Höhendimension – oft nur angedeutet – dehnt sich zum Beispiel bei der Carmina Burana oder in „Bubbles“ von Yosi Horikawa weit nach oben hin aus. Dass einzelne Klangereignisse dabei nicht einfach nur „größer“, sondern im korrekten Maßstab deutlich oberhalb der Lautsprecher abgebildet werden und dass die virtuelle Decke des Aufnahmeraums hörbar höher hängt, kenne ich sonst nur von deutlich teureren Kalibern.
Die Tiefenstaffelung gerät dem Vincent SA-T7 Diamond ebenfalls ziemlich beeindruckend. Nicht nur reicht die virtuelle Bühne ähnlich tief in den Raum hinter den Lautsprechern wie mit meiner Norma (und damit tiefer als mit dem Nubert nuControl X), auch staffelt der Vincent SA-T7 Diamond einzelne Akteure deutlich in den Raum, grenzt sie akribisch voneinander ab und macht sie dreidimensional greifbar. Das macht es leicht, die Positionen der einzelnen Instrumente und Stimmen im Mix zu erkennen. Bei Aufnahmen mit komplizierten Arrangements lässt der SA-T7 Diamond für die Preisklasse ordentlich Luft zwischen den Akteuren, verliert aber nie den Überblick und den Willen, die Musik als Ganzes und als gemeinschaftliches Werk zu interpretieren – egal, ob Orchester oder kleineres akustisches Ensemble.
Fein: Dynamik
Die Telefunken-Röhren des Vincent SA-T7 Diamond scheinen Spezialisten für die fein(dynamisch)en Dinge des Lebens zu sein. Wie bereits erwähnt, sind es gerade die kleinen Pegelabstufungen einer Stimme oder eines Klaviers, die sie faszinierend natürlich nachzeichnet. Ein Haudrauf-Dynamiker will der SA-T7 Diamond weniger sein. Zum Beispiel wirken die heftig-harten Drum-Impulse eines Charly Antolini oder die Klavieranschläge in „Light of the Seven“ vom Game-of-Thrones-Soundtrack im Vergleich zur Nubert etwas abgerundet und weniger offensiv. Doch das ist Jammern auf hohem Niveau, denn der SA-T7 Diamond kann Makroamplituden in angemessener Geschwindigkeit nachvollziehen und ist agil genug, um Genres mit einem großen Dynamikbereich – wie Klassik oder Jazz – mit subtilen Nuancen und kraftvollen Crescendos gleichermaßen zur Zufriedenheit des „durchschnittlichen“ Hörers zu bewältigen. Zudem bleibt er auch in lauten und komplexen Situationen immer sauber und unangestrengt.
Gut: Der integrierte DAC
Ich wiederhole mich: Der integrierte DAC des Vincent SA-T7 Diamond macht einen guten Job. Er beeinträchtigt weder die Tonalität, noch limitiert er den Bassdruck oder beschneidet den Tiefbass maßgeblich.
Kleine Kompromisse muss man bei der Tiefenstaffelung, der Transparenz in den Mitten und dem berühmten Gefühl der offenen Luftigkeit sowie der Auflösung im Superhochton machen. Aber: Digitalhörer, die nicht gleich vierstellig in einen D/A-Wandler investieren wollen (oder unbedingt einen USB-Eingang benötigen), werden mit dieser Lösung wahrscheinlich vollauf zufrieden sein. In Anbetracht des Paketpreises geht dieser integrierte DAC fast schon als kostenlose Dreingabe durch.
Test: Vincent SA-T7 Diamond | Vorstufe