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Ich bin entzückt, ja, sogar fast ein wenig verliebt. In das Aussehen, das Konzept, den Namen, die Philosophie. Die Herren Trenner und Friedl (Vertrieb: www.audiovertrieb.com) haben in meinen Augen verdammt viel richtig gemacht mit diesen Lautsprechern, den Osiris. Der Klang? Na, ein bisschen muss ich die Spannung ja aufrechterhalten. Also der Reihe nach …
Wenn „der Reihe nach? heißt, am Anfang zu beginnen, müssten wir ins alte Ägypten der 5. Dynastie, 2504 bis 2347 v. Chr., zurück, da hier der Name Osiris das erste Mal in der Geschichte auftaucht. Uns reicht aber ein recht kleiner Sprung zurück in das Jahr 1994 n. Chr., in dem Peter Trenner und Andreas Friedl beschlossen, zusammen Lautsprecher zu bauen und ihre Manufaktur im österreichischen Graz aufbauten. Die beiden Herren richteten den Blick dabei nach vorne, weit nach vorne in die Zukunft und setzten bei ihren Produkten deshalb von Anfang an auf Nachhaltigkeit.
So kommen beim Bau der Osiris beziehungsweise aller Trenner & Friedl-Lautsprecher bevorzugt natürliche Materialien zum Einsatz. Als Dämmmaterial dient zum Beispiel Schafwolle. Auch auf exotische Furniere aus Tropenhölzern verzichtet man in der Steiermark – zumindest zum größten Teil. Durch den Rückgriff auf heimische Hölzer, bevorzugt österreichischen Nussbaum, gefährdet man keinen Regenwald. Und wenn es denn unbedingt Zebrano oder Palisander sein müssen, kommt das Holz aus nachhaltiger Plantagenwirtschaft. Wobei ich mich frage, wer das denn wirklich braucht. Denn dass auch die Steiermark Hölzer hervorbringt, mit denen man – die entsprechenden handwerklichen Fähigkeiten vorausgesetzt – wunderschöne Gehäuseoberflächen gestalten kann, zeigen meine in „Silberfichte? furnierten und von Hand auf Hochglanz gebrachten Testexemplare.
Auch beim Design setzten die Herren auf Nachhaltigkeit – insofern als dass sie nach eigenen Aussagen weitgehend auf Design verzichten. Und wo kein Design sei, da könne auch nichts aus der Mode kommen – behaupten sie da in Österreich. Vielleicht ist es ja wirklich Zufall, aber ich habe den Eindruck, dass die reduzierte, kantige Optik, die bei diesem „Verzicht? herauskommt, aktuell in Mode ist.
Die mit gerade mal 85 Zentimetern nicht sehr hohen Lautsprecher sind leicht nach hinten geneigt. Primär sollen dadurch die recht niedrig sitzenden Treiber ein wenig nach oben zielen, damit der Schall beim Hörer auf Ohrhöhe ankommt. Nun hätte man ja auch einfache, rechteckige Gehäuse schräg in die Füße oder besser gesagt Kufen der Trenner & Friedl Osiris montieren können. Doch Boden und Deckel der Lautsprecher sind trotz nach hinten geneigter Schallwand waagerecht, die Seitenwände also Parallelogramme. Das ist deutlich aufwendiger zu fertigen, weil es weniger 90°-Winkel bei den Gehäusen gibt. Also doch ein wenig Design? Oder Pragmatismus? Schließlich werben Trenner & Friedl auch mit der besonderen Wohnraumfreundlichkeit ihrer Lautsprecher. Auf den waagerechten Flächen der Lautsprecher-Oberseiten kann man so noch etwas abstellen, einen Blumentopf zum Beispiel. Ok, ich sehe dunkle Wolken über dem Hausfrieden aufziehen … Auf jeden Fall sehen die Trenner & Friedl Osiris dank oder trotz ihres vermeintlichen „Nicht-Designs? verdammt gut aus. Einen einzigen Kritikpunkt habe ich an der Gestaltung aber doch noch: Wenn die Gehäuse unten schon offen sind, könnte man die Füße auch von innen anschrauben, dann würde man die Schraubenköpfe von außen nicht sehen und die Kufen sähen noch geradliniger aus.
Warum sind die Trenner & Friedl Osiris unten offen? Weil es sich bei den Gehäusen um sogenannte „Hornreflex“-Konstruktionen handelt, bei denen als „kurze Hörner“ ausgelegte Bassreflexöffnungen nach unten abstrahlen. Trenner & Friedl versprechen sich von dieser Konstruktion eine bessere Ankopplung des Bassbereichs an den Raum. Die Lautsprecher sollen sich problemlos in die Möblierung des Hörraumes einfügen lassen und sind deshalb für eine wandnahe Aufstellung konzipiert – dazu später mehr.
Als Treiber kommen bei den Osiris Koaxialsysteme zum Einsatz, die jeweils aus einem 6,5-Zoll-Tiefmitteltöner mit lackierter Papiermembran und einem in dessen Zentrum angeordneten 1-Zoll-Druckkammertreiber mit Titan-Membran und vorgesetztem Horn bestehen. Die Koaxialsysteme erklären, warum die Osiris nur einen einzigen, stoffbespannten, runden Ausschnitt auf der Schallwand besitzen. Was übrigens nicht unerheblich zum tollen Aussehen der Osiris beiträgt. Dieses Stilmerkmal zeichnet auch die größeren Modelle Ra und Pharoah aus, wobei bei der Pharoah unter der runden Bespannung ein Tiefmitteltöner und ein Hochtöner in konventioneller, vertikaler Anordnung versteckt sind. Die Ra arbeitet dagegen, wie die Osiris, mit einem Koax, wobei der der Ra mit 12? Durchmesser deutlich größer ausfällt. Egal, das mit dem einen runden Ausschnitt und der bündig mit der Schallwand abschließenden Bespannung sieht einfach gut aus. Der Name Osiris passt übrigens ganz vorzüglich zum Aussehen der Lautsprecher: Osiris heißt aus dem Altägyptischen übersetzt „Sitz des Auges?.
Bevor wir vom Auge zum Ohr kommen, stehen noch ein paar ganz triviale Aufgaben an: die Hand, sozusagen. Das Auspacken der sehr solide verpackten, mit 25 kg noch ganz gut handhabbaren Osiris stellt im Vergleich zum Bau von Pyramiden keine übermenschliche Herausforderung dar. Die Montage der Füße schon eher – aber nur insoweit, als dass es die nötigen Schrauben zu finden gilt. Die haben Trenner & Friedl in einer Geheimkammer der Verpackungskartons versteckt, die schwerer zu finden ist als die Grabkammer mancher Pyramide.
Nach erfolgreicher Grabung und dem Anschrauben der Füße gilt es noch, die Lautsprecher anzuschließen und die richtige Aufstellung im Raum zu finden. In Österreich schwören sie auf Cardas und so kommt dann auch entsprechende Ware als Innenverkabelung zum Einsatz.
Trenner & Friedl bieten zudem ein eigenes, von Cardas hergestelltes Lautsprecherkabel an und zur Kontaktaufnahme dient natürlich ein Cardas-Terminal, an das sich eigentlich nur Kabel- oder Gabelschuhe sicher anschließen lassen. Mit einem altägyptischen Fluch auf den Lippen greife ich erst mal zur Crimpzange …
Test: Trenner & Friedl Osiris | Standlautsprecher