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Als ich den Crayon das erste Mal anschloss und Hector Zazous Meisterwerk In the House of Mirrors einlegte (Crammed Disc 300583 – der Künstler verstarb leider kurz nach dieser Veröffentlichung), kam meine Frau vom zweiten Stock hinunter, schnappte sich einen Sessel, setzte sich und kommentierte: „Das klingt ja unglaublich gut! Was spielt denn gerade?“ Ich deutete auf die silberne Box zwischen den Lautsprechern. „Und, was kostet der?“ Ich nannte die Zahl. „Was, so wenig?“ Wer meine Ivette nun für arrogant oder verlogen hält – 3.000 Euro sind ja auch nicht gerade Peanuts -, der sei daran erinnert, dass bei uns teures bis sehr teures Equipment ein- und ausgeht. Wie soll es auch anders sein, bei meinem Job?! Ihre Reaktion verdeutlicht vielmehr, dass einige wesentlich teurere Verstärker nicht so gut klingen – und damit liegt sie ganz richtig.
Herr Steinfadt sagte mir, er ziehe an den Ocellia Lautsprechern den Crayon gegenüber seinen eigenen Röhren-Amps vor. Es sei daran erinnert: Der Herr besorgt den Vertrieb dieser Produkte, er ist nicht ihr Hersteller – und daher auch nicht an „politische oder religiöse Loyalitäten“ gebunden. Er muss einfach den besten Klang mit den gegebenen Mitteln hinbekommen. Das ist‘s, was sich verkauft, und nicht irgendeine konzeptionelle Vorstellung darüber, was wohl am besten klingen müsste. Deshalb hat er Crayon in den Vertrieb genommen.
Um aber zu meinen persönlichen Erfahrungen zurückzukehren: Wenn wir den Vorverstärker und seinen Einfluss nun vergessen, welche klangliche Unterschiede gibt es zwischen Crayon und Yamamoto sonst noch zu verzeichnen? Zwei Verstärker, die aus ähnlichem Holz geschnitzt zu sein scheinen …
Der Crayon spielt deutlicher in den oberen Oktaven, er ist brillanter in dem Sinn, wie eine geschliffene Karaffe mehr Lichtreflexe zeigt. Dieses Vermögen zieht eine schärfere Fokussierung nach sich, eine klarere Separation der Klangereignisse innerhalb der Bühne. Dabei koinzidiert die Klarheit des Hintergrunds mit dem Fokus, der weiter vorn auf der Bühne herrscht. Das ist die besagte „NuForce-Qualität“. Einfach ausgedrückt: Mein Trioden-Amp ist nicht so definiert und sortiert. Mit dem Pre voran antwortet er allerdings schneller. Der Crayon bringt diese Anlage jedoch von Natur aus mit. Schließlich ist dieser Österreicher auch sehr stark darin, die Raumecken auszuleuchten. Die „Substanz der Bilder“, die er in den Raum zeichnet, ist an den Rändern so gut wie in der Mitte der Bühne. Der SET-Amp kann so breit nicht staffeln.
Im üblichen HiFi-Jargon ausgedrückt: Der Crayon besitzt die höhere Auflösung und die größere Bandbreite. Das Ungewöhnliche scheint mir aber diese „Röhrenmagie“ zu sein, wenn’s darum zu tun ist, wie der Raum gestaltet wird, wie musikalische Zusammenhänge vermittelt werden. Kurz: All das, was uns HiFi-Tester regelmäßig lyrisch werden lässt, weil wir es „hart-begrifflich“ nicht fassen können. In dieser Hinsicht ist der Crayon die völlige Antithese zu allen Transistor-Amps, die ich bisher hören durfte. Wäre der Lektor Prime mein Standard CD-Player und besäße ich keinen Vorverstärker, dann wäre der Crayon in meinem Besitz und nicht der Yamamoto. Und dabei ist dieser Amp nicht nur billiger, sondern wartet zudem mit einer offensichtlich ambitiösen Phonostufe auf, ist eben ein Vollverstärker und benötigt daher keinen separaten Pre, lässt sich fernbedienen und besitzt sehr umfangreiche, softwaregestützte Einstellmöglichkeiten. Der Integrierte von dieser so unbekannten Firma ist einfach eine Ungeheuerlichkeit!
Im Weiteren wollte ich mir noch darüber Gewissheit verschaffen, wie der Crayon sich an unterschiedlichen Lautsprechern macht. Ist ein hoher Wirkungsgrad Pflichtprogramm oder werden auch anspruchsvolle Lasten problemlos gehändelt? Die offene Schallwand „Veena“ von Acoustic Plan (98 dB / 8 Ohm) und Mark & Daniels „Ruby Maximus“ (82,5 dB / 4 Ohm) sollten mir als Prüfsteine dienen …
Der CFA-1 ist ein gebrückter Verstärker, beide Terminals (+/-) sind daher „hot“. An der halb-aktiven Acoustic Plan Veena stellt dies trotzdem kein Problem dar, da dieser Trafo-gekoppelte Lautsprecher massefrei ausgeführt ist und als Impedanzwandler für die Basschassis eine Circlotron-Schaltung mit fljoatender Stromversorgung Verwendung findet.
Der Crayon ist ein totenstiller Amp und meiner Einschätzung nach sehr geeignet für den „um-die-1-Watt-Betrieb“. Wieder zeigte er sich stark in Sachen Bühnenausleuchtung, gerade auch in den „Ecken“, dort, wo viele Klänge ausschwingen. Diese Fähigkeit zu substantiellen Bildern an den Rändern der Bühne blieb beim Wechsel der Lautsprecher erhalten. Die Vermutung liegt also nahe, dass es sich um eine Kardinaltugend des Crayons handelt und dass der Effekt nicht lediglich einer zufällig glücklichen Lautsprecher / Verstärker-Paarung geschuldet war. Für Fans einer weiten und präzisen räumlichen Darstellung dürfte der Crayon der siebte Himmel sein. Er ist einfach großartig in dieser Hinsicht.
Der Red Wine Audios RWA 30.2 ging inzwischen an den Hersteller zurück, doch ein Leser fragte trotzdem nach einem Vergleich dieses Verstärkers mit dem Crayon CFA-1. In Europa dürfte das Preisschild für beide Produkte ähnlich liegen, und daher zog er beide Amps in die engere Auswahl. Da ich das RWA Equipment lange genug bei mir hatte, um zu wissen, wie es klingt, schrieb ich zurück, dass der Crayon ohne Zweifel die ausgeleuchteteren und informativeren Höhen besitzt – und eine insgesamt höhere Auflösung.
Wie treibt der Crayon nun Mark & Daniels Kompaktlautsprecher „Ruby“ an? Die neuen Modelle der Firma stellen inzwischen nicht mehr so fordernde Lasten dar, aber meine Ruby ist noch aus der ersten Generation und deshalb schon als ein kleiner Prüfstein anzusehen. Ich habe sie mir nicht zuletzt deshalb zugelegt. Zudem finde ich den von M&D verbauten Air Motion Transformer recht wählerisch oder anders ausgedrückt: Er zeigt mir gut das Level an Finesse eines Verstärkers an. Fehlt einem Amp nämlich diese, so klingt die Ruby schnell mal ermüdend. Des Weiteren ist dieser kleine Wandler nicht gerade auf Flüsterlautstärken abgestimmt. Er zieht anständige Lautstärken vor. Um das Beste aus der M&D Ruby zu holen, bedarf es schon ein bisschen Power. Auch wenn es hinsichtlich des Preisgefüges überhaupt keinen Sinn ergibt: Die Hegel Vor-/End-Kombi (14.000 Euro) spielte richtig gut an ihr …
Sind die 40 Watt, die der Crayon zu bieten hat, an den fordernden Klemmen der Ruby Leistung genug, um sie bei Zimmerlautstärke aufblühen zu lassen? Und wenn ja: Wie schaut es mit den oberen Mitten und den Höhen aus? Wie steht’s mit dem erstaunlich guten Bass der M&D? Selbst in einem langen Raum wie dem meinen braucht man eigentlich keine Subwoofer-Unterstützung – wenn es der Amp denn versteht, die Ruby richtig zu befeuern. Schaut man sich diese kleinen Kistchen an, so kann man das kaum glauben – ich weiß. Aber der Bassbereich ist wirklich eine der Trumpfkarten ihres Entwicklers Daniel Lee.
Check Nr. 1: Bei circa 60 dB auf der Level-Anzeige des Crayons spielten die Rubys mit der nötigen Lautstärke. Check Nr. 2: Es klang so wie schon beschrieben – also erstklassig. Der Bass ging so tief hinunter, wie man es sich bei der Ruby nur wünschen kann, doch die ultimative Kontrolle fehlte. Der Tiefbass klang etwas aufgeweichter als über das Muskelpaket Hegel H-10 – Check Nr. 2 ½ …
Ich bezweifele, dass es nur am Dämpfungsfaktor lag. Sicherlich, der Verzicht auf eine Über-Alles-Gegenkopplung lässt die Ausgangsimpedanz tendenziell etwas höher ausfallen. Dennoch bin ich, entgegen der gängigen Ansicht, der Meinung, dass eine geringe Ausgangsimpedanz alleine noch keine sicheren Vorhersagen über das Dämpfungsverhalten eines Tieftonchassis gestattet. Meine Vermutung beim Crayon ist vielmehr, dass es ihm schlicht an der elementaren Kraft fehlt. Doch dafür schlug er sich an der Ruby weit mehr als rechtschaffen. Denn entscheidender als diese kleine Schwäche im Tiefbass empfand ich sein tadelloses Verhalten am recht kritischen Air Motion Hochtöner dieses Lautsprechers …
Test: Crayon CFA-1 | Vollverstärker