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Vincent – weitere Höreindrücke

Inhaltsverzeichnis

  1. 4 Vincent - weitere Höreindrücke

Das vollkommene Gegenprogramm bietet der „singende Kabarettist“ Rainald Grebe mit seiner Kapelle der Versöhnung auf 1968, einer Live-Aufnahme aus dem neben dem Berliner Kanzleramt beheimatetem Tipi-Zelt: Die nicht gerade große Spielstätte liefert eine dichte und direkte Atmosphäre, die so eingefangen wurde, als würde man unmittelbar vor der Bühne sitzen.

Rainald Grebe / 1968

Grebes Abgesang auf „Die 90iger“ etwa beginnt mit einem peitschend lauten Dreiklang aus Schlagzeug, E-Bass und offenbar absichtlich verstimmter E-Gitarre. Das Geschehen sollte sich im Idealfall vollständig von der Anlage lösen und „im Raum“ inszenieren – die Gesangsstimme bekommt dabei durch ein extrem dicht am Mund platziertes Mikrofon eine leichte Schärfe, die hier ausnahmsweise gewollt ist.

Vincent SV-236 MK

Der Vincent liegt auch bei dieser Musik richtig, er lässt dem Berliner Comedian seine zischenden „S“-Laute und platziert die Bandmitglieder in realistischen Abständen zueinander. Die Musiker stehen nicht besonders weit voneinander entfernt und die Bühne ist nicht sehr groß – so soll es hier auch sein. Apropos Bühnenabbildung: Nicht bei dieser, aber bei vielen anderen Platten ist mir eine gewisse Eigenheit des Vincent aufgefallen: Zwar sortiert er Rauminformationen sehr schön und staffelt auch Vincent SV-236 MKweit in die Tiefe – in der Bühnenbreite bleibt er aber eher kompakt. Ich persönlich habe diese Eigenart zwar nicht als störend empfunden, Freunde großorchestraler Instrumentierung sollten sich indes ausreichend Probehörzeit nehmen, um zu entscheiden, ob der SV-236 MK ihren Geschmack trifft.

Zurück zu Herrn Grebes Livemitschnitt: Der Vincent zeigt hierbei eine leichte Betonung der mittleren Frequenzlage. Rainald Grebes Stimme scheint dadurch etwas präsenter im Raum zu stehen und gleichzeitig etwas mehr Volumen zu besitzen. Ein zum Vergleich herangezogenen Yamaha A-S 1000 beispielsweise transportiert Grebes Gesang weniger füllig und „neutraler“. Der Vincent spielt hier mehr „aus dem Bauch“ heraus, sein leicht hervorgehobener Präsenzbereich wirkt „würziger“ und anspringender als der des Yamahas.

Auch bei Lenny Kravitz´ „Bring it on“ (Album: It is Time for a Love Revolution) wird dies ohrenfällig: Der treibende Groove mit peitschender Snaredrum und knorrigem E-Bass wirkte über den Japaner seltsam „gebremst“, obschon die Frequenzlagen in korrektem Verhältnis, nirgendwo überbetont, dargeboten wurden. Der Vincent leistet sich hier also einen kleinen „Effekt“, was audiophile Puristen bedenklich finden mögen, ich aber ganz sympathisch finde. Es macht Spaß und löste bei mir ein wohliges Magenkribbeln aus.

0 Seconds To Mars / This is WarDer Vincent vergisst allerdings nicht wirklich etwas, und schon gar nicht die Kelleretage: So schiebt er beim LA Riots Vocal Remix von Kings & Queens (von 30 Seconds To Mars, Album: This is War) die elektronisch generierte Bassdrum wie eine Bugwelle in den Hörraum und lässt die Synthies und den verfremdeten E-Bass grummeln und knarzen, dass es für eine veritable Zwerchfellmassage locker reicht. Natürlich kann er dies auch bei von Nachbarn meist als unanständig empfundenen Lautstärkepegeln – und das ohne „weich“ zu werden. Der Bass steht in jeder Lebenslage wie ein felsenfest gegossenes Fundament.

LAutsprecherterminal des Vincent-Verstärkers

Nach oben heraus nimmt sich der Vincent dafür ein wenig zurück. Nicht so viel, dass man es ihm negativ ankreiden möchte, aber eben so, dass die Behauptung „leicht abgerundet, sodass es nicht bissig und scharf wird“ zutrifft. Besonders nachvollziehbar wird diese Gratwanderung beim Instrumental Procedere des japanischen Duos Bocca Grande, welches sich aus dem House-Produzenten Kousuke Ishida und der (ehemaligen) Klavierlehrerin Yuka Kobayashi zusammensetzt. Das sehr markant und glasklar in den Vordergrund gemischte Piano kann bei hartem Anschlag am oberen Ende der Tonleiter bisweilen in den Ohren klingeln.

Vincent SV-236 - Rückseite, Anschlussfeld

Der Vincent ist hier „gnädig“. Puristen mögen einwenden, er betreibe Hochton-Schönfärberei, um bei höherem Abhörpegel angenehmer aufzutreten – und mögen damit Recht haben. Allerdings hatte ich nicht den Eindruck, dass er mir durch diesen Charakterzug wichtige Details unterschlägt, und deshalb mag ich ihm dies auch gar nicht übelnehmen. Ich vermute, nicht wenige Hörer werden die eher leicht dezenten Höhenlagen sogar als Vorteil empfinden.

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Test: Vincent SV-236 MK | Vollverstärker

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