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Soweit, so schön – aber sucht man, wenn man die Klangfluss K1 in Betracht zieht, eigentlich nur einen neutralen Monitor? Ich glaube kaum. Und so ist die tonale (Nicht-)Ausrichtung der K1 zwar löblich, für mich aber nur eine Art Nebenbedingung fürs klangliche Glück, keine Besonderheit, die sie von anderen Lautsprechern auszeichnet. Besonders wird sie vielmehr durch die recht spezielle Kombination aus impulsiv-rhythmischer Gangart und einem, wenn denn die Rahmenbedingungen stimmen, quasi uferlosen Raumgefühl.
Klangfluss mit Onyx-Gehäuse bei der High End 2011 – die Vorführung fand im Wechsel mit Sonus Faber statt
Allerdings stimmten mit meinem Standardsetup (siehe oben) besagte Rahmenbedingungen, wie sie die Klangfluss zur vollen Entfaltung gerne hätte, doch noch nicht ganz. Insbesondere dieses „K1-Raumgefühl“ hatte ich von meinem Besuch bei den Klangflusslern vorort noch viel üppiger in Erinnerung. Als nächste Amtshandlung flogen deshalb die Absorber an den Seitenwänden raus, denn es wollte mir von Anfang an nicht einleuchten, das ein Omni-Lautsprecher, der per definitionem quasi mit dem Raum und dessen Reflexionen arbeitet, in der Nähe von Akustikschaumstoff-Matten richtig gut aufgestellt ist. Weg damit!
Ich hatte mir eine richtig deutliche klangliche Änderung vorgestellt, doch die blieb aus. Komisch. Doch, es gab schon Unterschiede. Die Breite der Abbildung legte beispielsweise zu und auch deren Höhe, gleichzeitig kippte die Tonalität ins Hellere – mir de facto sogar zu hell, so dass ich gleich wieder zwei Akustikelemente im Bereich hinter den Boxen installierte -, aber ich hätte einfach handfestere Unterschiede erwartet. Insbesondere war dies immer noch nicht dieses Umspültwerden von Musik, wie ich es beim Entwickler Gerd Reime daheim erleben durfte. Schritt zwei musste her – die Änderung der Lautsprecher-Aufstellung.
Klotzen, nicht kleckern: Die Klangfluss K1 wurde jetzt an der langen Wand meines Zimmers positioniert, egal ob das nun praktisch oder nach klassischer HiFi-Lehre (unsymmetrische akustische Bedingungen in den gegenüberliegenden Ecken) ist, „klassisch“ ist der Wandler ja auch nicht. Es endete damit, dass die Lautsprecher knapp fünf Meter voneinander entfernt standen, während ich von der Grundlinie der Boxen so 1,5-1,6 m entfernt saß. Normal wäre‘s nun, dass in der Mitte ein riesiges Loch aufreißt …
… statt dessen steht dort eine riesige Akustikgitarre vor mir. Cat Powers Coveralbum Jukebox liegt auf dem Teller, „Silver Stallion“ läuft, und ich habe kein Problem damit, mir vorzustellen, in einer vier Meter langen Gitarre zu sein, den Kopf aus dem Schallloch zu stecken und den Saiten beim schwingen zuzuschauen oder besser: zuzuhören. Dazu passt gut, dass von ziemlich weit oben Chan Marshalls sexy-cooler Gesang kommt. Die schöne Sängerin trägt mich mit ihrer Gitarre um den Hals spazieren! Diese Däumling-Perspektive auf den Song schnitzt mir ein extrem breites Grinsen ins Gesicht, das ist mal anders, das hat was Befreiendes – „Realistische Größenverhältnisse? Pfeif doch drauf!“. Aber auf die Dauer ist‘s mir bei allem Fun dabei doch auch nicht das Rechte. Nicht mal, weil die Einzelstimmen nun so überdimensioniert groß geraten (wenn Ihnen das auf einem Konzert passiert – stört es Sie?) und erst recht nicht, weil die Bühne super-breitspurig, im Cinemascope-Format vor mir steht. Zu breit kann es mir eigentlich nicht werden – aber zu flach, und das ist mein Problem mit dieser Extrem-Aufstellung. Die Ausdehnung in die Tiefe ist doch sehr begrenzt, die Leinwand wurde zwar breit ausgerollt, aber es wirkt dünn.
Sie können es sich denken: Ich habe noch eine gute Weile damit verbracht, verschiedenen Boxen-Aufstellungen durchzuprobieren. Mit den Einzelheiten möchte ich nicht langweilen, aber das mich fesselnde Endergebnis auch nicht verschweigen. Normal ist eine Aufstellung, bei der der Abstand zwischen den Lautsprechern und der zwischen Hörer und Lautsprecher ungefähr ein Verhältnis von 1:1 ergibt. Bei der Klangfluss K1 würde ich dazu raten, mit 2:1 zu beginnen und dann nach Gusto anzupassen. Das Ungewöhnliche an diesem Lautsprecher: Er kann das. Er kann es in dem Sinne, dass sich in der Mitte eben keine Lücke auftut, sogar beim 3:1-Experiment zuvor war das ja nicht das Problem. Die meisten Lautsprecher kriegen dergleichen nicht hin, bei einer solchen Breitaufstellung bleibt die Musik meist an den Wandlern hängen.
Was sich dagegen mit der Klangfluss ergibt, ist ein wunderbar weitläufiges Halbrund, in dem die Musik spielt. Die räumlichen Grenzen werden nun scheinbar weggewischt, die Bühne wirkt breiter, tiefer und höher als über übliche Direktstrahler. Das gängige Bild vom „Fenster zur Musik“, durch das man hindurchhört und das einem ausschnittsweise Blicke auf die Musik gestattet – hier passt es ganz und gar nicht. Egal, wie groß/transparent dieses Fenster nun ist, es hat doch immer auch etwas Trennendes, es handelt sich um einen Rahmen, eine Einfassung, und erst dahinter passiert das eigentlich Interessante. Hier nun aber schaut man nicht durch ein Fenster in den Garten, wenn man so will, sondern sitzt draußen. Und das kann ziemlich begnadet sein.
Detailaufnahme des Bass-/Mitteltöners: Die Honeycomb-Struktur der Membran und die Naht bei der Sicke sind gut sichtbar
Natürlich ist dieses freie, große Mittendrin-Gefühl auch abhängig von der jeweiligen Musik die spielt, mit Cat Powers Jukebox klappt es ziemlich gut, da hat einer bei der Aufnahme zwei-drei Handvoll Hall reingepfeffert, streng genommen zu viel, aber das kommt hier schön zur Geltung. Erstaunlich wiederum der Nachhall bei den Drums, wie schon ganz am Anfang beim Live-Song festgestellt: Das wird nicht einfach nur leiser, es ist, als würde dieser Nachhall von einem weg in die Tiefen des Raumes rollen. Liest sich dämlich, klingt dafür um so besser. Was dem Raumtalent der Klangfluss auch gut zupass kommt, sind natürlich Aufnahmen, die eine reale (statt am Mischpult/Rechner generierte) Raumakustik enthalten (Zappas Yellow Shark fällt mir ein, bei vielen Klassik-Platten der Fall) oder auch solche, in denen viele kleine Sound-Puzzleteile bewusst einen Klangraum aufspannen sollen (häufig bei intelligenterer (semi-)elektronischer Kost, Björk, Nine Inch Nails, Coco Rosie meinetwegen, Kollege Jörg wird aus seinem Indie-Elektronika-Schatz noch dutzendfach anderes aufzählen können).
Der springende Punkt bei der Klangfluss ist, dass die Trennung von Hörer hier und Musik dort (teils) außer Kraft gesetzt wird. Man kann in Musik wie in ein warmes Vollbad hinein gleiten, ja, man wird von ihr umspült, was sehr relaxend sein kann – und suchen wir nicht Entspannung beim Musikgenuss? Freilich muss man genau das auch zulassen können beziehungsweise mögen – und nicht als distanzlose Nähe empfinden. Wenn es aber bei HiFi primär um ein Ankoppeln mit der Musik gehen sollte, ums Ergriffenwerden von Musik, dann baut einem die Klangfluss K1 mit ihrem freien, grenzenlosen und direkten Raumgefühl eine Brücke dahin. Ich habe Joanna Newsoms Album Ys wahrlich schon oft gehört; mit der K1 bin ich darin heillos versunken. Mein Gott, was für eine Nähe, was für eine Weite und vor allen – was für eine Musik!
Zwei ergänzende Hinweise: Die Art, wie die Klangfluss einzelne Instrumente und Stimmen nachzeichnet, ist ebenfalls recht speziell; es fällt mir schwer, dies richtig zu beschreiben. Die Lokalisationsschärfe ist gut, insbesondre besser als man beim Stichwort „Omni“ vielleicht denken mag; sie lässt sich zudem feintunen, indem man mit den Hochtonkugeln experimentiert (Stahl – präziser, Sandstein – diffuser, Holz – so ein Mittelding) oder das frontseitige Chassis mehr (präziser) oder weniger (diffuser) auf den Hörplatz ausrichtet. Eigen ist aber die „Konsistenz“ der Klangkörper: Ich würde schon von körperlich und plastisch sprechen, wenn dabei die Illusion einer dreidimensionalen Ausdehnung der Klänge gemeint ist im Gegensatz zur zweidimensional-flachen; aber richtig „greifbar“ sind diese Körper nicht, denn sie haben etwas Ätherisches, Geisthaftes, Durchlässiges. So, als wäre eine äußere Haut, die jeden Klang umgibt, abgeschält worden. Dies gibt dem Klangbild eine sanfte Note. Nun ja, besser man hört’s mit eigenen Ohren …
Zweitens – ich schrieb vor einem Jahr: „Ich habe schon vor anderen Omni-Strahlern gesessen und muss sagen: Bisweilen fehlte mir da manchmal schon ein wenig Snap, Drive, Kick – wie immer man es auch nennt. Nun ja, die K1 kann kicken, und zwar verdammt anständig. Wenn Sie das Wort ‚Omni‘ hören und dann an diffuse, strukturell lahmarschige Soundwolken denken – legen Sie auch das ad acta“, und das kann ich so immer noch unterschreiben. Die Klangfluss ist ganz wunderbar rhythmisch und schnell, und das vor allem von oben bis unten im Frequenzschrieb, ohne quengelnde Note, ohne Härten, ohne Extra-Dry-Sprödheit, im Gegenteil, es tönt angenehm flüssig, luftig und geschmeidig. Aber dies können andere gute Lautsprecher auch – für hoch bemerkenswert halte ich nicht die Einzeltugend, sondern die Kombination dieser mit dem Klangfluss-Bühnenentwurf.
Test: Klangfluss K1 | Standlautsprecher