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Einem neuen Lautsprecher nähere ich mich gerne leise und beginne daher mit dem todtraurigen „Kettering“ von The Antlers. Auf Katzenpfoten kommt dieses Lied daher, mit sanften Flächen, einem vorsichtig angeschlagenen, weit entfernten, langsam näher rückenden Klavier und einer leis‘ singenden Kopfstimme. Das ist für Lautsprecher jetzt generell keine schwierige Kost und dient für mich eher als Emotionstest. Bei einem guten Lautsprecher reißt mich das einfach mit und ich vergesse die buchhalterische Analyse nach Klangfarben und Dynamik.
Und ja, hier ist schnell jene Gänsehaut da, die sich bei diesem Song zuverlässig einstellen sollte. Das Klavier getupft und sauber. Die heisere, leicht verfremdete Stimme steht festgenagelt zwischen den Wandlern. Nach diesem zarten Intro – bei etwa zweieinhalb Minuten Laufzeit – bricht das Lied auf und wird um Bass, Gitarren und Schlagzeug ergänzt – klingt wie Coldplay ohne Gejammer, also gut. Die nuLine präsentiert die Steigerung des Songs sehr schön dynamisch, nämlich als gleichmäßig abgestuftes Crescendo.
Setzen wir ihr nun etwas schwierigere Kost vor: Deerhofs „Bone Dry“ vom Album „The Runners Four“. Diese experimentelle Band beheimatet einen absoluten Ausnahmedrummer namens Greg Saunier, dessen Talent zum Beispiel hier: www.youtube.com eindrucksvoll unter Beweis gestellt wird. Was die Musik von Deerhof auszeichnet, ist das gutgelaunte Linksliegenlassen herkömmlicher Songstrukturen und ein zuweilen elfenartiger Gesang, der spannend von Schlagzeugwutausbrüchen und brutalen, plötzlich zusammenkrachenden Gitarrenwänden kontrastiert wird.
Hinzu kommt, dass die Alben sehr dicht und direkt produziert sind, unter wohlwollendem Einbeziehen sämtlicher Nebengeräusche wie Verstärkerrauschen und -brummen, aber auch des „Eigenklangs“ der Gitarrenverstärker. Zudem scheinen mir die Songs live eingespielt und in Teilen A/B-mikrofoniert zu sein, die bestechende Räumlichkeit des Albums „The Runners Four“ erklärt sich nämlich für mein Gehör nicht ausschließlich aus Lautstärke- sondern auch aus Laufzeitunterschieden zwischen linkem und rechtem Kanal.
Doch genug der Spekulation – wie klingt’s über die Nubis? Mitreißend. Das im Gegensatz zum oben genannten Videobeispiel eher ruhig angelegte „Bone Dry“ besteht aus einsam im Raum versterbenden Gitarrentönen, einem drahtigen Bass, sparsamem, aber effektivem Schlagzeug und einem geheimnisvoll-schlafwandelnden Gesang. Höchst lobenswert sind hier die vorbildliche Raumdarstellung der Nuberts und deren absolute Neutralität hinsichtlich des Frequenzgangs. Hier sticht nichts unaufgefordert hervor, die bei der nuBox 101 im Gesangsbereich teils noch leicht vorwitzig wirkenden oberen Mitten sind hier gerade und schön eingeebnet. Vom gleichen Album der Song „Wrong Time Capsule“, dessen Dynamikbrüche stark an die frühen Pixies erinnern. Die windelweich geprügelte Snaredrum wird knackig, aber kontrolliert wiedergegeben. Auch die Gitarrengewitter später im Song gibt die nuLine geradezu ungerührt zum Besten.
„Spanish Sahara“ von den Foals ist auch eines jener Lieder, die äußerst verhalten beginnen und sich dann deutlich zu steigern vermögen. Hier gibt es Meeresrauschen, das immer wieder stetig anschwillt, um dann jeweils abrupt zu enden. Dazu einsame Gitarrenakkorde und ein stark verhallter Gesang. Die Stimme scheint geradezu aus dem Himmel herabzusinken, die nuLine spannt eine ausgesprochen breite und auch hohe Bühne, die allerdings nicht übermäßig tief ist. Was sehr gefällt, sind die Natürlichkeit der Gitarren und die absolut sanften Höhen. Im Zusammenspiel mit der Funk Lap-2.V2/Myryad MXA-2150 Vor/End-Kombi, ergibt sich zwar ein fast zurückgenommener Eindruck der Höhen, der mir aber erstaunlicherweise jedoch gut gefällt und sehr langzeittauglich wirkt. In jungen Jahren mochte ich eine neutrale Darstellung gar nicht, sondern fingerte beim Hören fast immer am „Treble“-Regler. Heute spüre ich, dass durch überzogene Höhen eine Menge andere Höreindrücke verdeckt bleiben, die nun viel besser zur Geltung kommen. Ich schalte mal spaßeshalber den Kippschalter der nuLine auf brilliant. Funkelt hörbar mehr, gibt Percussion mehr Crisp – stiehlt allerdings der Bühne für meinen Geschmack ein hörbares Quantum an Höhe und Breite. Zurück auf „linear“.
Mir ist heute schnulzig. John Grant’s „Where Dreams Go To Die“ ist über die nuLine schlicht und einfach ergreifend schön und stimmig. Die Lautsprecher werden nach den ersten Sekunden „unsichtbar“, das Klavier füllt den gesamten Raum mit Zuckerguss, John Grant’s Stimme „lebt“ zwischen den Lautsprechern, sehr facettenreich und durch die Bank sauber gezeichnet – und als der Chorus mit akustischer Gitarre, Schlagzeug und Streichern einsetzt, habe ich das klare Gefühl, dass genau das die richtige Musik für die nuLine ist. Vollmundig, auf angenehme Weise „holzig“, „erdig“ und warm. Die nuLine ist ein Lautsprecher, der einfach nicht nach Lautsprecher klingt, sondern einen klaren Mittler für die Musik darstellt. Auch Teenage Fanclubs neues Album „Shadows“ – lupenreiner Kammermusikpop mit Elektronik-Einsprengseln – findet durch die oben schon genannte, entspannte und runde Spielweise mein Gefallen.
Gehen wir in den Keller! Sonic Youths unterschätztes und häufig links liegengelassenes Album „A Thousand Leaves“, hier der Song „Sunday“. Die „holzige“, vollmundige Ansprache fällt erneut positiv ins Ohr. Die komplexen Gitarrenarrangements kommen dicht, packend, kompakt. Cleane sowie verzerrte Gitarren, die gleichzeitig und teils auch auf ähnlichen Stereopanoramen platziert sind, lassen sich wunderbar unterscheiden, selbst wenn beide in den gleichen Lagen spielen.
Der Hochtonbereich ist hierbei absolut gut angebunden, die stets etwas knarzig gemischte Gesang von Thurston Moore „passt“. Allerdings meine ich auch, ein wenig Tiefgang zu vermissen. Die durchaus rockige Herangehensweise der Band könnte für meinen Geschmack etwas mehr Wums vertragen. Ich hänge zum Vergleich mal die nuBox 681, den größten Standlautsprecher der nuBox-Serie dran. Und ja – es ist kein Wunder: da geht einiges mehr. Die 681 spielen voluminöser, übers gesamte Frequenzband mit etwas mehr Kraft, besonders aber im Bass einen gehörigen Ticken flinker, die harten Bassdrums gehen verdammt weit runter und kommen mit Eile aus den Lautsprechern, das hat richtig Attack. Attack, der im direkten Vergleich bei der nuLine 32 schon ein wenig fehlt. Vielleicht ist das jetzt der Zeitpunkt, mal das Zauberkistchen namens „ATM“ anzuschließen. Doch was ist das überhaupt?
Test: Nubert nuLine 32 | Kompaktlautsprecher