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Zu den erwähnenswerten „Andersartigkeiten“ der Naim Ovator zählt für mich auch die Bühnendarstellung. Sollte Ihr Ideal das berühmte Fenster zur Musik sein, durch das hindurchschauend man auf eine Art Ton-Hologramm stößt mit klar skulptierten Klangkörpern zwischen denen jede Menge Platz und „Luft“ ist, und die, wohlsortiert in Breite und eben auch Tiefe, einen quasi mit dem Ohr begehbaren Bühnenraum bilden … nun ja, das könnte schwierig werden.
Hier wird eher eine vor Energie strotzende Wall of Sound ausgeliefert als ein akustisches Stillleben gemalt. Die Musik kommt ‘nen Schritt auf einen zu, und die Klänge arrangieren sich zu einer organischen Gesamtperformance. Natürlich sind Instrumente und Stimmen dabei immer noch klar voneinander differenziert. Aber richtiggehend parzelliert mit riesig viel Platz zwischen den einzelnen Akteuren? Nö. Auch habe ich den Eindruck, dass die Briten das Thema Tiefenstaffelung im Grunde für artifiziellen HiFi-Schnickschnack halten, anders lässt sich die doch recht begrenzte Raumausleuchtung nach hinten kaum erklären. Die Art der räumlichen Darstellung dient der Ovator dazu, den Hörer direkt anzusprechen, ihn zu involvieren, ja, mitzureißen – ob nun in der vierten Reihe der erste Geiger von links oder in der dritten der zweite von rechts spielt, scheint nicht die Art von Info zu sein, auf die sie gesteigerten Wert legt.
Was folgt aus dem Gesagten? Dass man es mit einem Wandler zu tun hat, der einen gewissen Haussound mit sich bringt. Dass es da umso wichtiger ist zu wissen, was man musikalisch-klanglich hochschätzt und welche Parameter man weniger fokussiert betrachtet. Für die Nummer „Circe trällert vorn / hinten klimpert ein Klavier“ müssen Sie nicht hundertundzwanzig Kilogramm Naim-Speaker ins Wohnzimmer wuppen – und die audiophilen Streichquartetaufnahmen bekommen auch andere Lautsprecher reproduziert.
Geht es aber darum, rhythmisch forderndes Material mit Drive und Energie umzusetzten, nahezu unbegrenzte Pegelreserven abrufen zu können und grobdynamische Attacken lässig auszuteilen … tja dann … dann sollten Sie die Ovator hören. Kleiner Anspieltipp: Red Hot Chili Peppers – damit Sie wissen, wie die Musik der California-Combo eigentlich gemeint war.
Hier passt nun wirklich alles. Die Rhythmik wird derart punktgenau umgesetzt, dass Sie wenig Chancen haben, im Sweet Spot zu verharren – es kommt einer Aufforderung zum Tanz gleich. So knochentrocken und ansatzlos-energisch wurde mir das selten verabreicht. Geradezu begnadet ist das E-Bass-Spiel, was musikalisch daran liegt, das nicht irgendwer, sondern Flea das Instrument bedient, akustisch aber – für unser Anliegen also entscheidender – eben auch das Verdienst der Naim Ovator ist.
Dass anständig Treiberfläche zur Verfügung steht und dass der Bass auf Tempo, Antritt und Null-Nachschwingen trainiert wurde, merkt man – oh ja, und wie man das merkt! Es liegt noch verdammt viel Wegstrecke zwischen dem, was wir zuhause üblicherweise als E-Bass akzeptieren und was man in einem Club/einem Konzert schon mal aus dem Lautsprecher des Bassisten hören kann (einen sauber durchführten Soundcheck mal vorausgesetzt). Präzise, hart und machtvoll kann es dort klingen, während daheim „machtvoll“ recht oft mit weich, pummelig, andere Bereiche überlagernd einhergeht – und „Präzision“ nur die andere Seite einer recht asketisch, wenig druckvollen Darbietung sein kann. Nun, nicht so bei Naims Ovator, die würde sich auch auf einer Bühne wohlfühlen, die nötige Härte und Knurrigkeit in den unteren Lagen bringt sie mit. Freilich klappt’s nicht nur mit dem E-Bass, sondern auch mit den E-Gitarren …
Wenn aggressive Attacken gefordert sind, kriegt man die volle Breitseite auf die Ohren. Aber es tönt dabei eben nicht aggressiv, weil künstlich angespitzt und leicht schrill, sondern weil John Frusciante das so wollte, um etwas pathetisch zu werden. Was mich hier an den Gitarren anmacht, ist die Kombi aus satt-geerdet / grundtonstark und trocken zulangender Durchsetzungskraft zur gleichen Zeit. Ja, es klingt „roh“, ohne Filter, so, wie es ursprünglich gemeint war (auch wenn das wiederum nur eine „Idee“ sein sollte).
Was gefällt noch? Die Art der Bühnendarstellung. Dies mag Ihnen nun komisch vorkommen, denn las sich das ein paar Absätze weiter oben nicht anders? Nun, es kommt darauf an. Hier stimmt’s. Was soll ich denn bei den Peppers mit holografisch skulptierten Klangkörpern und famoser Tiefenstaffelung anfangen? Vielmehr möchte ich doch dieses Gefühl einer straff-schwingenden Klang-Wand vor mir vermittelt bekommen, das ich auch von Rock-Konzerten her kenne. Naims Wandler bedient dieses Bedürfnis. Und das ist selten, mir fallen auf die Schnelle nicht gerade viele Lautsprecher ein, die bei uns waren und das konnten (ZU Audios Presence wäre zu nennen).
Nun, auch wenn die Ovator mich mit ihren besonderen Talenten in eine musikalische Reise zurück zu dem, was ich von 15-20 Jahren hörte, schickte, soll sie hier nicht allein als Indie-Rock-Ikone durchgehen (zu der sie aber das Zeug hat). Während ich die letzten Zeilen zu diesem Bericht tippe, höre ich Joanna Newsom – hier ist sie dann, die Circe, zwar ohne Klavier, dafür mit Harfe. Irgendwie straffer scheinen die Saiten angerissen zu werden, trockener kommt der Impuls. Restlos aufgedröselt und fein-nachschwingend ist’s zwar nicht gerade, aber dafür tönt das bisweilen arg spitze Stimmchen eingefangen, ja fast schon sonor für diese Dame. Fragiler Indie-Folk geht also auch, wenn auch anders als gewohnt …
Test: Naim Ovator S-600 | Standlautsprecher